Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch...

02.12.2012, 08:00 Uhr


...gleich vorweg: in Sachen Kassenabschlag und Notdienst-Millionen sind wir keinen Schritt weiter gekommen. Apotheker und Politiker wollen 1,75 als Verhandlungsbasis, aber das wollen die Kassen nicht. Verbände üben sich in 60- bis 120-Minuten-Protestchen dagegen. Die zugesagten 120 Millionen als Anerkennungsprämie für den Notdienst warten darauf, dass irgendwer einen vernünftigen Vorschlag macht, wie man sie unter den Apotheken verteilt. Und für die Geschichtsschreibung: DocMorris geht seinem Ende entgegen.

26. November 2012
Die schlimmste Nachricht vorweg, liebes Tagebuch: Die Stiftung Warentest fand in der Schokolade einiger Adventskalender Mineralöl-Rückstände, die aus dem recycelten Papier stammen sollen. Grausam! Da freut man sich jeden Morgen darauf, ein Türchen zu öffnen und den kleinen Schokoladen-Niko zu naschen und dann das. Ob da jemand die Türchen ölen wollte? Laut Bundesinstitut für Risikobewertung darf leicht verölte Schokolade verzehrt werden – wenn, ja wenn man nur ein Stückchen am Tag isst und nicht im Voraus den Kalender plündert. Wusst‘ ich‘s doch, da steckt Knecht Ruprecht dahinter.

Garantiert nichts hat Knecht Ruprecht allerdings mit dem Niedergang von DocMorris zu tun. Diese Marke lief bekanntlich vor ein paar Jahren wie geschmiert. Nach dem Luxemburger Urteil zum Fremdbesitzverbot wurde es allerdings immer ruhiger. Oesterliche Freude ging über in Pingernde Weihnachten. Und jetzt kommt die Bescherung:  Die Schweizer Zur Rose AG hat sich ein Schnäppchen-Päckchen im Wert von 25 Mio. untern Baum gelegt, sie darf die DocMorris-Versandapotheke kaufen. Jetzt können auch die Gehe-Apotheker erleichtert „Oh du fröhliche“ singen. Aber, liebes Tagebuch, was wird aus den 130 grün-gekreuzigten DocMorris-Franchise-Apotheken? Man munkelt, sie sollen sich über kurz oder lang in blau-weiße Lloyds-Apotheken verwandeln dürfen. Nein, natürlich sind das dann keine Ketten, auch wenn die grüne Biggi das immer wieder glauben machen will. Auch wenn alles ein bisschen nach Kette aussieht. Es sind einfach nur Franchise-Apotheken – zumindest in Deutschland. Na, denn.

Mit der Kommunikation hat unsere ABDA so ihre liebe Not. Die 500.000 Euro-Kampagne unter dem Titel „Hände-weg-von-meiner-Apotheke“ war ja wirklich gut gemeint. Aber hat die Bevölkerung das Anliegen der Apotheker auch verstanden? Was meinst du, liebes Tagebuch, hat die Kampagne dem Bürger vermitteln können, was es mit dem „Apothekenabschlag“ auf sich hat, mit der gerechten „Apothekervergütung 624 km“? Haben die Bürger die verwirrenden Graphiken und Schaubilder unter www.haende-weg-von-meiner-apotheke.de kapiert? Ich hab da so meine Zweifel. Am kommenden Montag will die ABDA über Auflagen und Reichweiten im Print- und Online-Bereich berichten. Aber Auflagen und Reichweiten sagen überhaupt nichts aus, ob die Botschaften im Kopf angekommen sind. Ach ja, ABDA.

27. November 2012
Haben wir uns zu früh gefreut, liebes Tagebuch? Die von der Regierungskoalition zugesagten 120 Millionen Euro für die Notdienstpauschale werden wohl nicht ab dem 1. Januar 2013 fließen. Es gibt noch keine definitive Vorstellung, wie sie gerecht verteilt werden können. Ideen gibt es zwar (beispielsweise könnten die Kammern das Geld zuweisen, denn sie sind der Wächter über die Nachtdienste und kennen die Anzahl), aber geklärt ist noch lange nichts. Und wie üblich wird darüber nicht öffentlich diskutiert. Vielleicht sollte man mal einen Ideenwettbewerb ausschreiben. Oder wir machen eine Wette: Vor Ostern läuft nichts, oder?

Überraschung, es ist keine Überraschung! Der Deutsche Apothekerverband (DAV) hat gewählt und der alte DAV-Chef ist der neue. Glückwunsch an Fritz Becker, er macht den härtesten Job in der ABDA. Er träumt schon nachts von Abschlag, Retax, Notdienst-Millionen und 25 Cent-Erhöhung. Seine „Freunde“ müssen die Kassen-Chefs sein. Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde.
Und damit alle gleich wissen, wo der Hammer hängt: die Mitgliederversammlung des Deutschen Apothekerverbands verabschiedete eine Resolution zum Kassenabschlag, die‘s auf den Punkt bringt: Sollte bis Jahresende keine Einigung über die zukünftige Abschlagshöhe erzielt worden sein, wird ab 1. Januar ein Abschlagsbetrag in Höhe von 1,75 Euro abgerechnet. Jawohl. Dumm nur, liebes Tagebuch, dass die Kassen uns Geld überweisen und nicht wir den Kassen. Wie wir da den niedrigeren Abschlag in Ansatz bringen wollen, ist mir noch schleierhaft.

Es knirscht bei Haniel. Das Duisburger Familienunternehmen, das größter Anteilseigner des Handelskonzerns Metro (u. a. Media Markt, Saturn) ist und dem u. a. auch Celesio gehört, braucht Geld, um seine Schuldenlast zu drücken. Daher werden – neben Anteilen an der Metro  – auch Anteile der Celesio AG verkauft: 7,9 Millionen Aktien müssen raus. Die Haniel-Beteiligung sinkt dadurch von 54,64 auf 50,01 Prozent. Haniel-Vorstandsvorsitzender Gemkow kommentierte dies so: „Wir sind vom nachhaltigen Wertpotenzial sowohl von Metro als auch von Celesio überzeugt.“ Auf deutsch übersetzt: „Ich bin doch nicht blöd“.

28. November 2012
Freue dich, liebes Tagebuch, der neue Mutschler ist da. Die 10. Auflage ist als „Jubiläumsausgabe“ erschienen. Prof. Dr. Ernst Mutschler, hat mit seinen Koautoren Menzel und Ruth ein Lehrbuch vorgelegt, das es in sich hat. Superaktuelles Wissen, supergut aufbereitet. Nicht nur fürs Studium, sondern auch zum Nachschlagen. „Der Mutschler“ gehört einfach in jede Apotheke. Wenn man alles weiß, was im „Mutschler“ steht, dann kann man Apotheker.

29. November 2012
Politiker Speed-Dating auf dem Gehe Gesundheitsforum in Berlin. Im fliegenden Wechsel gaben sich auf dieser Veranstaltung die Gesundheitspolitiker von CDU, CSU, SPD und den Grünen ein Stelldichein und ihre Ansichten zum Besten. Zum Beispiel Jens Spahn: viel Verständnis für die Enttäuschung der Apotheker über die 25 Cent, aber immerhin, es war die Koalition, die überhaupt mal was drauf legte. Recht hat er. Und die zugesagten „120 Millionen sind ja schließlich auch nicht nichts“. Na klar – wenn wir sie denn schon mal hätten (siehe oben) und wüssten, wie wir sie verteilen.
Was den rollenden Apotheken-Bus des CDU-Leitantrags betrifft, so war das nur mal eine „kreative Idee“. Außerdem: Von Bus war nie die Rede, so Spahn, nur von rollenden Apotheken. Und mit denen fahren die Apotheken doch heute schon rum, getarnt als Pillenflitzer, Apo-Bringdienste oder wie sich die Services mit den niedlichen Smart-Clio-Twingo-Up-Fiat500-Corsa-Fiestas und dem roten A auf der Haube sich sonst noch nennen. Ach so, Herr Spahn, na denn. Aber warum steht‘s dann im Leitantrag?

Jetzt aufgepasst, liebe Krankenkassen! Johannes Singhammer schaut nicht mehr lange zu bei der stockenden Einigung auf eine Verhandlungsbasis zum Kassenabschlag. Entweder man setzt sich jetzt an den Tisch und nimmt die 1,75 Euro als Basis, so der Gesundheitspolitiker der CDU, oder die Politik macht Nägel mit Köpfen und bestimmt‘s! Also, dann.

Und dann „uns“ Biggi! Immer verlässlich, immer berechenbar, da weiß man, woran man ist, liebes Tagebuch. Dass sie Apothekenketten den Vorzug gibt, sagt Biggi Bender jetzt zwar nicht mehr so deutlich. Statt dessen: „Wenn die Apotheker das Thema nicht ansprechen, werden es die Grünen auch nicht tun“, formuliert es die Grüne, die dieses Mal in ein Kaftan-ähnliches Gewand gehüllt war. Und ihr großer Mono-Ohrring auf der rechten Seite bestätigte es klimpernd. Ist doch beruhigend. Aber ganz lassen kann sie das Thema dennoch nicht. Mit viel Emotionen unterstellt sie den Großhandlungen, mit ihren Kooperationen eine Form des Fremdbesitzes und im Endeffekt Apothekenketten in Deutschland etabliert zu haben. Ist sie da zu weit gegangen, liebes Tagebuch? Wenn sie meint, dass sich manche Großhandlungskooperationen von außen betrachtet wie eine Kette anfühlen, dann soll sie das sagen, aber auf dem Papier gibt‘s die Kette nicht, das sollte sie wissen.

Immer wieder nett, auf welche Ideen die Verbände kommen, wenn es um den Protest gegen die Verweigerungshaltung der Kassen in Sachen Abschlag geht. Auch der Nordrheiner Verband ruft am 5. Dezember zum „Warnstreik“ auf. Hier sind es keine 60 Minuten Streik, sondern ganze 120 lange Minuten soll er dauern! Hoppla, das wird heftig. Zwei Stunden soll der Chef alleine bedienen. Ich meine, liebes Tagebuch, das ist Strafe genug – für den Patienten, aber für die Kassen?

Vielleicht werden ja die Kassenfunktionäre durch die „Frust-Säure-Tabletten“ (kein Witz!) aufgerüttelt, die der Apothekerverband Sachsen an alle 250 sächsische Krankenkassen-Geschäftsstellen und Vertreter des GKV-Spitzenverbands verschickt hat. Die Apotheker wollen sagen: „Wir sind sauer!“ und fordern damit von ihren Verhandlungspartnern faires Verhalten und zum Umdenken auf. Ist das nicht süß, nein in diesem Fall sauer, liebes Tagebuch, wie kreativ Apothekers sein können? Wenn‘s denn hilft.

30. November 2012
Und noch mal Nordrhein, hier die Kammer: sie war erneut erfolgreich – gegen DocMorris. Die niederländische Versandapotheke wollte das Bonusverbot für ausländische Versender umgehen, indem sie ihren Kunden eine Prämie von bis zu 15 Euro anbot, wenn sie Angaben zu ihrer Medikation machen. Die Kammer roch den Braten und mahnte den Versender ab, der die geforderte Unterlassungserklärung allerdings nicht abgab. Jetzt geht die Angelegenheit vor Gericht. Bleibt spannend, wie der baldige neue Eigentümer Zur Rose die niederländische Zweigstelle positionieren wird.

Und zum Schluss: Da dürfte sich vielen Apothekern der Magen umdrehen: Bayer promotet seine Rennie Fresh Tabletten vorzugsweise mit easy-Apotheken. Erst vor kurzem spendierte Bayer seinem Magnesiumcarbonat-Pulver einen frischen Minzgeschmack und ging mit seinem aufgepeppten Uralt-Sodbrennenmittel  aus der Apothekenpflicht in die Freiwahl. Rennie fresh vielleicht bald bei dm und Rossmann? Die Medizinprodukteregelung macht‘s wohl möglich. Und jetzt auch noch eine Kampagne mit easy, ausgerechnet. Das stößt richtig sauer auf. Aber nächste Woche kommt der Nikolaus! Und der bringt Rennie Spearmint für alle, ho ho ho.

 


Peter Ditzel


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