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Die letzte Woche
Mein liebes Tagebuch
Es ist ein Skandal: Immer wieder Lieferengpässe bei Arzneimitteln in Deutschland. Die Ursache vermutet man indirekt bei den Rabattverträgen und der Billigstproduktion der Arzneimittel in Indien und China. Und die Politiker schauen weg. Genauer wird man wohl auf ARMIN schauen – unter diesem Namen soll das ABDA-KBV-Modell ab Januar anlaufen. Man darf gespannt sein, wie viele mitmachen. Bei Celesios neuem Projekt, dem europaweiten Apothekennetzwerk Lloyds-Apotheken, machen dagegen schon einige Apotheken mit. Wie viele sich letztendlich von dem Konzept begeistern lassen, bleibt abzuwarten. DocMorris jedenfalls war gestern, heute soll Lloyds über der Tür stehen. Und statt billiger Preise ist gute Beratung gefragt. So ändern sich die Zeiten.
7. Oktober 2013
Lloyds – das klingt nach Versicherung, Banken-Gruppe, Herrenschuhe und Kreuzfahrtschiff. Und bald sollen die Verbraucher in Deutschland den Namen auch mit Apotheken in Verbindung bringen. Celesio überträgt den Namen von seiner englischen Apothekenkette auf sein geplantes deutsches Apothekennetzwerk – die Wirtschaftspresse spricht auch hier von „Kette“. (Vielleicht hat es sich noch nicht bis dahin herumgesprochen, dass eine Apothekenkette in Deutschland nicht machbar ist.) Nun ja, was Celesio da mit „seinen“ deutschen Apotheken vorhat, läuft auch in mehreren europäischen Ländern an. Neben den Lloyds-Apotheken in Großbritannien gibt es bereits Lloyds-Pilot-Apotheken in Irland, Italien, Norwegen und Schweden. Mitte September wurden die ersten drei Lloyds-Apotheken in Belgien eröffnet. Und nun sollen also zwei Lloyds-Pilot-Apotheken in Hamburg und Ingolstadt starten. Bis zum Jahresende will man in Europa schon 100 Lloyds-Apotheken haben. Und bald schon 300 bis 500. Und langfristig sollen dann alle 2200 Celesio-Apotheken das Lloyds-Schild über ihre Tür hängen. Anders als früher beim DocMorris-Gedöns soll Lloyds allerdings nicht für günstige Preise stehen, sondern für Beratung über Gesundheitsthemen. Mein liebes Tagebuch, das hört sich im Prinzip nicht verkehrt an, die Beratung zu forcieren und die Apotheken in Gesundheitsthemen zu schulen. Nur, man muss es als Apothekenleiter mögen, sich den Lloyds-Stempel aufzudrücken, sich einer Marke zu unterwerfen und das zu tun, was die Zentrale vorschreibt. Man gibt ein bisschen von der Freiheit auf, die man als Apotheker eigentlich hat. Vielleicht auch ein bisschen viel. Und hofft darauf, dass die ach so große Marke Lloyds die Kundschaft in die Apotheke lockt. Immerhin, die DocMorris-Apotheker kennen das Spiel. Wie viele werden wohl unters Lloyds-Dach schlüpfen und umfirmieren? Ob Lloyds in Deutschland der große Wurf wird?
Der Barmer GEK-Chef Straub schielt auf eine neue Gesundheitsreform. Mit anderen Worten: Man möchte nicht locker lassen, den Markt nach Kassengeschmack umzuformen. Und so wollen die Kassen trotz Gesundheitsfonds den Beitragssatz lieber wieder selbst festlegen. Und mehr Wettbewerb. Die Milliarden-Rücklagen werden schrumpfen, prognostiziert Straub, und mehr Ausgaben drohen, u. a. weil Kliniken, Ärzte und Apotheken mehr Geld erhielten. Also, die Almosen, die für die Apotheken abfallen, werden die Kassen nicht in den Ruin treiben. Vielleicht sollten die Kassen mal ein paar Einsparmöglichkeiten bei sich selbst suchen.
Keine Woche ohne DocMorris-Ärger. Dieses Mal im Angebot: Wer einen „Freund“ für DocMorris wirbt, erhält einen Hotelgutschein von rund 150 Euro oder eine einjährige kostenlose ADAC-Mitgliedschaft. Meine Güte, mein liebes Tagebuch, ist das nicht traurig? Ist dieser Versender schon so weit gekommen? Wann hat er die achttägige Türkeireise für 199 Euro als Geschenk im Angebot? Die Apothekerkammer Nordrhein, der „beste Freund“ von DocMorris – auch ohne Hotelgutschein –, ging erneut gegen diese Werbemaßnahme vor und hat ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro erwirkt, sollte DocMorris diese Freundschaftswerbung nicht einstellen. Wir erinnern uns, liebes Tagebuch, derzeit laufen bereits einige wettbewerbsrechtliche Verfahren gegen die Versandapo, initiiert von der Kammer Nordrhein. Zahlreiche Ordnungsgelder wurden DocMorris bereits auferlegt, gezahlt wurde allerdings noch keines. DocMorris wehrt sich und macht munter weiter, lässt alle Aktionen weiterlaufen – und geht den Weg durch alle Instanzen. Auf das dicke Ende sind wir gespannt. Wird es Justitia gelingen, DocMorris in die Schranken zu weisen?
8. Oktober 2013
Was ist denn in den GKV-Spitzenverband gefahren? Zuerst wochenlang Blockadehaltung – und auf einmal meldet sich der stellvertretende Vorstandsvorsitzende von Stackelberg zu Wort und möchte die Gespräche zur Substitutionsausschlussliste „zeitnah beginnen“. Von den Apothekern erwartet er, „dass sie sich diesmal flexibel zeigen“. Hoppala, ich glaub ich hör nicht recht. Mein liebes Tagebuch, wer mit solchen Vorgaben in die Verhandlungen geht, kann nicht unbedingt auf ein gutes Verhandlungsklima hoffen. Der Deutsche Apothekerverband sollte sich nicht auf die Machtspielchen des GKV-Spitzenverbandes einlassen, meint auch der stellvertretende Vorsitzende des Hessischen Apothekerverbands, Hans Rudolf Diefenbach. Das Verhalten der GKVler kam bisher in der Öffentlichkeit und in der Politik nicht gut an. Und letztlich: Eigentlich brauchen wir die Liste gar nicht. Die Apotheker haben die Kompetenz, ihre pharmazeutischen Bedenken geltend zu machen. Aus die Maus.
Tolle Aktion der Thüringer: Zum Tag der Pharmazie in Jena waren rund 1500 Besucher gekommen, die sich für die Apotheke und die Berufe in den Apotheken interessierten. Das ist zum einen eine gute Öffentlichkeitsarbeit für die Apotheke, zum andern zeigt es auch der Politik, dass Pharmazeuten gebraucht werden und dass dafür auch Studienplätze erhalten und sogar geschaffen werden müssen. Wie wär’s, ABDA, wenn die Thüringer Aktion mal als bundesweite Aktion gefahren wird? Da gab’s doch so einen Apothekertagsbeschluss...
Er wird verkauft, er wird nicht verkauft, er wird verkauft, er wird... das Celesio-Karussell um einen möglichen Verkauf dreht sich weiter. Schon seit geraumer Zeit gibt es Gerüchte über den Verkauf des Pharmagroßhandelskonzern Celesio. Jetzt, so heißt es, prüfe bereits der US-amerikanische Pharmahändler McKesson die Bücher. Noch ist offen, was Haniel mit seiner Pharmatochter vorhat.
9. Oktober 2013
Das stimmt nachdenklich: Die Meldungen über Lieferengpässe bei Arzneimitteln häufen sich. Aktuell weist der Hessische Apothekerverband auf Schwierigkeiten beim Bezug von Schilddrüsen-Präparaten hin. Mein liebes Tagebuch, vor zehn Jahren waren solche Meldungen in der deutschen Pharmaszene unbekannt. Fragt man die Hersteller, dann werden die Engpässe damit begründet, die Nachfrage sei größer als die Produktionszahlen. Seltsam, warum gibt es heute Lieferengpässe, warum gab es sie früher nicht? Das klingt nicht plausibel. Schon eher dürften die Gründe für die Lieferengpässe in einer Entwicklung liegen, wie sie auch der Vize-Chef des Hessischen Apothekerverbands, Diefenbach, sieht. Die Rabattverträge bewirken eine Preisspirale nach unten. Um mithalten zu können, verlegen Hersteller ihre Arzneimittelproduktion in Billigstlohnländer wie Indien oder China. Treten dort Produktionsprobleme auf, sind Lieferprobleme unvermeidbar. Besonders pikant ist es, dass ausgerechnet Engpässe bei Schilddrüsenpräparaten auftreten: Diese Präparate sollten eigentlich vom Austausch ausgeschlossen sein, dennoch schließen einige Kassen Rabattverträge über Wirkstoffe wie L-Thyroxin ab. Aber nicht nur bei diesen Präparaten gibt es Lieferprobleme. Auch Antibiotika oder Blutfettsenker sind davon betroffen. Es ist in der Tat ein Skandal, dass in einem Land wie Deutschland gängige Arzneimittel nicht lieferbar sind, dass es Listen nicht lieferbarer Arzneimittel gibt. Wie lange, mein liebes Tagebuch, schauen hier die Politiker weg? Ist das der gesellschaftspolitische Preis für die Rabattverträge? Dann gute Nacht.
Statt Rabattverträge und Preisspirale nach unten: Warum verfolgen die Krankenkassen nicht einen weit effektiveren und für die Gesundheit aller zuträglicheren Weg, um Einsparungen zu realisieren? Das Marktforschungsinstitut IMS Health hat ein Einsparpotenzial in Milliardenhöhe berechnet, insbesondere im Bereich der Compliance sowie der Fehlmedikation und Polymedikation. Im Klartext: Würden Arzneimittel korrekt verordnet und würden die Patienten ihre verordneten Arzneimittel nach Vorschrift einnehmen, hätte das System mehr Geld und den Patienten ginge es besser. Aber seltsam, sehr seltsam, von solchen Überlegungen scheinen Krankenkassen nicht viel zu halten, die Zahlen von IMS Health werden angezweifelt. Mein liebes Tagebuch, ich frage mich nur, warum man nicht einmal den Versuch unternimmt, über eine Verbesserung der Therapietreue – zum Beispiel mithilfe der Apotheker – das Einsparungspotenzial zu heben?
Ja, der ABDA-Präsident hat vor dem Hintergrund der IMS-Meldung zu den Einsparpotenzialen klar gemacht, dass die Apotheker viel dafür tun können, die Einnahmetreue zu verbessern. Stimmt. Das Dumme dabei ist nur: Hört ihn keiner oder will ihn keiner hören? Traut das die Politik, trauen das die Krankenkassen den Apothekern nicht zu? Klar, ein verstärktes Einwirken in Richtung Therapietreue wäre eine zusätzliche Leistung des Apothekers, die nicht im heutigen Honorar eingeschlossen ist und daher auch zusätzlich honoriert werden müsste. Aber diese Leistungsvergütung für den Apotheker wäre verschwindend gering im Vergleich zu den potenziellen Einsparungen. Mein liebes Tagebuch, wenn man sieht, welcher Zirkus allein schon beim ABDA-KBV-Papier veranstaltet wird, dann möchte man schon resignieren.
10. Oktober 2013
Es geht wieder aufwärts! Beim Betriebsergebnis einer Durchschnittsapotheke. Das hat die Treuhand Hannover festgestellt. Grund für die positive Entwicklung im ersten Halbjahr 2013 dürften der gestiegene Festzuschlag und der verminderte Kassenabschlag sein. Hört sich gut an, trifft sicher auch für einige zu, aber eben nicht für alle. Bevor aber die Kassen den Apotheken ausufernde Einnahmen und exorbitante Zuwächse vorwerfen: Mit dem gestiegenen Umsatz und dem gestiegenen Rohgewinn erreicht die Durchschnittsapotheke gerade mal knapp den Wert des Jahres 2010. Von echten Zuwächsen ist die Apotheke noch weit entfernt.
11. Oktober 2013
Es geht los: zum 1. Januar 2014 soll das ABDA-KBV-Modell starten. Von diesem Tag an sollen sich Apotheker und Ärzte in Thüringen und Sachsen in das Modellvorhaben einschreiben können. Allerdings wird das ABDA-KBV-Modell seinen Namen ändern: Es wurde auf „ARMIN“ getauft, was so viel heißen soll wie „Arzneimittelinitiative Sachsen/Thüringen“. Na ja, mein liebes Tagebuch, die bisherige Bezeichnung war auch irgendwie schon negativ besetzt. Aber ob der neue Name das Projekt besser macht? Nun, wir werden sehen, wie viele Ärzte und Apotheker sich einschreiben werden. Geplant ist zunächst, dass der Arzt einen Wirkstoff verordnet und der Apotheker unter Berücksichtigung bestehender Rabattverträge einen Wirkstoff heraussucht. Der Medikationskatalog gibt für bestimmte Indikationen entsprechende Wirkstoffe vor. Wow, wie cool, oder? Mal im Ernst, mein liebes Tagebuch, das klingt ehrlich gesagt nicht besonders revolutionär. Da sich der Wirkstoffkatalog an den vorhandenen Rabattverträgen orientieren muss, ist da der riesengroße Unterschied zu bisher irgendwie nicht zu sehen. Ein Beispiel: Besteht ein Rabattvertrag mit simvabeta, verordnet der Arzt statt simvabeta 40 mg dann simvastatin 40 mg, und der Apotheker gibt simvabeta 40 mg ab. Hhmm, und wo ist da der Durchbruch? Mitte des Jahres könnte es allerdings interessanter werden. Denn dann soll das Medikationsmanagement anlaufen. Wie viel Honorar bei ARMIN herausspringt, ist noch nicht klar. Die Details der Umsetzung werden noch verhandelt. Also, auf geht’s in Sachsen und Thüringen, ARMIN wartet auf Euch, umarmt ARMIN.
13.10.2013, 08:00 Uhr