- DAZ.online
- News
- Altpeter sieht bei ...
Landtag Baden-Württemberg
Altpeter sieht bei Nullretax keinen Handlungsbedarf
Die baden-württembergische Landesregierung sieht in Bezug auf Null-Retaxationen bei Formfehlern derzeit „keine Notwendigkeit für ein politisches Tätigwerden“. Das erklärt Landessozialministerin Katrin Altpeter (SPD) in einer Stellungnahme zu einem Antrag der FDP. Kassen und Apotheker könnten die geltenden vertraglichen Abgabe- und Abrechnungsregeln schließlich selbst verändern. Bei der Landesapothekerkammer ist man mit den Antworten nicht zufrieden.
Die baden-württembergische FDP wollte von der Landesregierung wissen, wie viele (Null-)Retaxationen es zahlen- und wertmäßig in den letzten fünf Jahren gegeben hat. Die AOK, der Verband der Ersatzkassen sowie die Landesapothekerkammer konnten dazu keine Angaben machen, schreibt Altpeter. Konkrete Auskunft dazu gab es aber vonseiten des BKK-Landesverbandes: Für den Zeitraum Juni 2009 bis Mai 2014 wurden dort circa 0,2 Prozent des gesamten Verordnungsvolumens (brutto) als fehlerhaft berichtigt, 0,02 Prozent der abgerechneten Verordnungen wurden auf Null herabgesetzt. 817 Verordnungen, deren Bezahlung komplett abgelehnt wurde, bezogen sich auf Verstöße gegen die bevorzugte Abgabe von Rabattvertragsarzneimitteln (36.702,99 Euro brutto).
Auf die Frage, anhand welcher Kriterien die Kassen bei der Retaxierung vorgehen, erklärt Altpeter: „Die AOK Baden-Württemberg nimmt nach Mitteilung grundsätzlich keine Null-Retaxationen bei geringfügigen Formfehlern vor.“ Bei selten vorkommenden schwerwiegenden Formfehlern werde „über eine Retaxation unter sorgfältiger Abwägung im Einzelfall entschieden“. Beim BKK-Landesverband handelt es sich größtenteils um Fehler bei der Berechnung der Preise oder um Fehler bei der Zuzahlungsberechnung. In diesen Fällen erfolge jeweils eine Berichtigung auf den korrekten Preis. Null-Retaxationen ohne spätere Heilungsmöglichkeit seien eher die Ausnahme.
„Sofern die Patienten das richtige Arzneimittel erhalten haben, erscheint es nur im Ausnahmefall, nämlich bei schwerwiegenden Verstößen der Apothekerin oder des Apothekers gegen die Abgabe- und Abrechnungsvorschriften von Arzneimitteln sachgerecht, neben dem Entgelt für die pharmazeutische Dienstleistung auch die Erstattung der Beschaffungskosten für das verordnete Arzneimittel vorzuenthalten“, bestätigt Altpeter. Bereits heute ermöglichten die gesetzlichen Rahmenbedingungen und vertraglichen Vereinbarungen die Heilung bestimmter Formfehler. „Angesichts der Vielzahl möglicher Verstöße, [...] die leicht aber auch gravierend sein können, ist eine differenzierte Betrachtung angezeigt“.
Eine pauschale Antwort zur Problematik des apothekerlichen Spannungsverhältnisses aus Kontrahierungszwang und verweigerter Leistungsgewährung durch die Kassen lehnt die Sozialministerin ab: Kassen und Apothekervebände müssten im Dialog Regelungen finden, „die keinen Beteiligten unverhältnismäßig belasten“. Es sei nachvollziehbar, dass Apotheker in Fällen, in denen die Arzneimittelversorgung dringend, der verordnende Arzt aber nicht erreichbar sei, in eine Zwangssituation geraten könnten. „Solchen Situationen sollte durch möglichst klare vertragliche Vereinbarungen begegnet werden.“ Den Vertragspartnern stehe dabei ein breiter Ermessensspielraum zur Verfügung, durch dessen Nutzung das beschriebene Spannungsverhältnis aufgelöst werden könne. Eine Gefährdung der Arzneimittelversorgung – insbesondere für den ländlichen Raum – könne die Landesregierung bislang aber nicht feststellen.
Bei der Landesapothekerkammer freut man sich zwar, dass die Politik sich überhaupt mit dem Thema Nullretax auseinandersetzt. „Zufrieden können wir mit den Antworten aber nicht sein“, erklärt Kammerpräsident Dr. Günther Hanke. Die Häufigkeit erfasse das Problem nur unvollständig – skandalös seien doch vor allem die vom Sozialministerium nicht erwähnten „drastischen Einzelfälle, durch die Apotheken in wirtschaftliche Schieflage geraten können“. Auch die Folgen der Retaxationspraxis der Kassen auf die Arzneimittelversorgung schätze das Ministerium falsch ein: Bürokratischer Aufwand und die damit einhergehenden Kosten trügen zur schlechten wirtschaftlichen Lage und dadurch zur abnehmenden Apothekenzahl bei, insbesondere im ländlichen Raum.
Hinzu komme, dass Apotheker fehlerhaft ausgestellte Rezepte nicht einlösen dürften und wollten. „Wenn Patienten nun auch noch wegen marginaler Formfehler auf Rezepten nicht unmittelbar versorgt werden können, nimmt die Versorgungsqualität dementsprechend ab“, mahnt Hanke. Patienten müssten dann häufiger weite Wege zurück zum Arzt in Kauf nehmen – ein großes Problem vor allem an oder vor einem Wochenende. Eine zeitnahe Versorgung sei dann besonders im ländlichen Raum kaum mehr möglich. Ein weiterer Kritikpunkt des Kammerpräsidenten: „An vielen Stellen wird auf Verhandlungen zwischen dem Landesapothekerverband und den Krankenkassen verwiesen. Hier bekomme ich als Kammerpräsident keinen Einblick.“
Berlin - 13.10.2014, 17:00 Uhr