Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

26.10.2014, 08:00 Uhr


Winterzeit! Kalt und dunkel wird’s. Also Kerzchen an und warme Gedanken machen – auch im Apothekerhaus. Zum Beispiel darüber, wie man Nachwuchs für die Pharmazie begeistert. Mitarbeitermangel ist ein, nein, das Thema! Ohne Mitarbeiter keine Perspektiven, kein Medikationsmanagement. Die Internisten stehen schon in den Startlöchern. Uns bleibt dann zuzuschauen, wie Patienten Sportkurse auf Rezept machen. Oder ihre elektronische Gesundheitskarte in den dm-Terminal stecken. Und bald Paracetamol auf Rezept bestellen. Mein liebes Tagebuch, da wird’s einem nicht warm ums Herz.

20. Oktober 2014

Wenn ich Kolleginnen und Kollegen treffe und mich mit ihnen unterhalte, wo derzeit die größten Probleme liegen, dann ist ein Thema immer wieder dabei: „Mir fehlen die guten Mitarbeiter!“. Apotheken haben gute Ideen, wollen ihre Dienstleistungen ausbauen, marschieren in Richtung Medikationsmanagement, wollen Service bieten und beraten oder eine Filiale eröffnen – und müssen ihre Ideen beiseitelegen oder verschieben, weil sie keine oder keine geeigneten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter finden. Was ist da los und wo soll das hinführen? Mein liebes Tagebuch, da haben wir in der Tat ein Problem. Eine Ursache könnte in der Feminisierung des Apothekerberufs liegen: 80 Prozent der Pharmaziestudierenden sind Frauen, viele bleiben nicht lange im Beruf. Eine andere Ursache könnte das Abwandern von Pharmazeuten in die Industrie sein und die Meinung, ein Arbeitsplatz in der Offizin sei weniger attraktiv. Auch PTAs suchen immer häufiger einen Arbeitsplatz außerhalb der Apotheke – die Bezahlung ist oft besser. Was tun? Kammer und Verband Nordrhein starten eine Nachwuchskampagne: Ein weißer Apothekerkittel auf einem Kleiderbügel mit der Aufforderung „Probier ihn an“ und dem Slogan „Arbeitsplatz Apotheke: Eine gesunde Entscheidung“. Mein liebes Tagebuch, das ist gut so und besser als nichts. Fragt man sich nur, warum so eine Kampagne nicht auch andere Kammern machen. Meines Wissens sind nur noch die Thüringer aktiv, die sich mit einer tollen Aktion an Schülerinnen und Schüler wandten. Ein Antrag der Thüringer auf dem Apothekertag, eine Nachwuchskampagne bundesweit auszurollen, wurde abgelehnt. Und auch die ABDA sieht offenbar keinen Bedarf, oder? Warum eigentlich nicht? Gibt’s denn andere Ideen zur Problemlösung?

Also, wir haben es vor Kurzem schon gehört: Die Internisten haben eine neue Arbeitsgruppe Arzneimitteltherapie-Management und Arzneimitteltherapie-Sicherheit gegründet. Sie wollen die medikamentöse Behandlung multimorbider Patienten durch Haus- und Fachärzte koordinieren. Na fein, mein liebes Tagebuch, da sind wir also nicht die einzigen, die sich um Arzneimitteltherapiesicherheit und -management kümmern wollen. Soll das nun ein Wettbewerb mit den Internisten werden, wer den Patienten besser umsorgt? Werden die armen Patienten bald von Apothekern und Internisten um die Wette in Medikationspläne eingewickelt und mit Managementfloskeln zugetextet? Da passierte jahrelang nichts, und auf einmal wittern hier alle das große Geld.

Apropos Geld. Der Chef-Internist Professor Grandt, Leiter der Arbeitsgruppe „Arzneimitteltherapie-Management und AMTS“, ist so nebenbei auch Leiter des wissenschaftlichen Beirats einer Firma namens RpDoc Solutions GmbH, Saarbrücken. Und, oh Wunder, die geschäftsführende Gesellschafterin dieser Firma ist Frau Grandt. Und was macht diese Firma? Klar, sie vertreibt u. a. die Software für Medikationspläne und AMTS. Passt doch gut, oder? Bleibt in der Familie. Hat aber ein G’schmäckle, oder? Mein liebes Tagebuch, wo doch so manche Aktivitäten ihren Ursprung haben.

21. Oktober 2014

Peinlich, peinlich. Die KKH – Kaufmännische Krankenkasse hat Apotheken retaxiert, obwohl diese das richtige Präparat abgegeben haben. Ein Update der Prüfsoftware war für den Fehler schuld. Und wie nett von der Kasse: Sie hatte ein Einsehen und bittet Apotheken, die retaxiert wurden, vorsorglich Einspruch einzulegen. Ja, sag mal mein liebes Tagebuch, das ist ja nun das Mindeste, oder? Eigentlich müsste die KKH den Apotheken einen lieben Brief schreiben, um Verzeihung bitten und als Ausgleich für den Ärger einen Gutschein für ein leckeres Biomüsli beifügen – oder ein Fläschchen Château Retax Migraine.

Näher am Patienten muss nicht weiter weg vom Markt bedeuten. Das zeigten die Apothekenkonzepte, die Apotheker auf dem Apothekenkongress in Essen präsentierten. Mein liebes Tagebuch, es gibt sie also noch, die Unternehmer-Apotheker, die allen konjunkturellen Widrigkeiten zum Trotz in ihren Betrieb investieren und sich innovative Ideen einfallen lassen. Kommissionierer, elektronische ferngesteuerte Preisauszeichnung und virtuelle Sichtwahlregale, alles supertoll – alles, um mehr Zeit für die Beratung zu haben. Andere wiederum machen ihre Apotheke zum Showroom, zum Erlebniseinkauf für ihre Kunden oder sie verkaufen ihre Arzneimittel mit „vollem Herzblut“. Machte Freude, den Vorträgen zuzuhören.

22. Oktober 2014

Hach, die Union will Sportkurse auf Rezept verschreiben lassen – als Alternative zu Arzneimitteln! Sagt Jens Spahn, der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Der Vorschlag soll ins Präventionsgesetz aufgenommen werden, das noch in diesem Jahr verabschiedet werden soll (der wievielte Anlauf für ein Präventionsgesetz ist das eigentlich?). Ho, ho, ho, mein liebes Tagebuch, da müssen Apothekers mal genau hinschauen! Also, jetzt ran an den Speck: Perspektivpapier ändern und den Slogan „Näher am Patienten“ ändern in „Turnen mit Patienten“. Oder so. Bei der Pharmacon in Schladming könnten die ersten Fortbildungskurse auf der Piste abgehalten werden, auf der Interpharm in Hamburg könnten wir Schwimmen und Segeln gehen. Für die Fortbildungseinheiten gibt’s Fortbildungspunkte! Dann: Änderung der Apothekenbetriebsordnung: Es muss eine Raumeinheit hergestellt werden zwischen Apotheke und dem angegliederten Fitnesscenter. Dumm nur, wenn dann Rabattverträge für Sportkurse und die Retaxwelle kommen, weil der Speckbauch nicht weg ist.

Wäre doch gelacht, mein liebes Tagebuch, wenn wir Apothekers nicht zertifiziert und qualitätsgeprüft die Sportrezepte managen könnten. Und dieses Mal sind die Internisten nicht dabei.

23. Oktober 2014

Schade, mein liebes Tagebuch, dass die Drogeriekette dm keine Zahlen herausgibt, ob und wie stark ihr Pick-up-Geschäft mit der Zur Rose-Versandapotheke tatsächlich von den Kunden angenommen wird. Hätte man gerne gewusst, was das bringt. Dass dieses Modell brummt, kann man sich nicht vorstellen. Jetzt räumt dm ein, dass die Anmeldungen und Bestellungen über zur Rose zurückgegangen seien, seit es keine Boni mehr für Rezepteinlösungen geben darf. Ach, da schau an. Und wie lange will man das mitmachen? Vielleicht bis die elektronische Gesundheitskarte mit Rezept kommt, um dann einen Karten-Terminal aufzustellen?

Aber, sie kommt ja gar nicht, die elektronische Gesundheitskarte. Jedenfalls nicht in der bisher geplanten Version, meinte die nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) auf dem 2. OTC-Gipfel des Apothekerverbands Nordrhein. Sie forderte stattdessen, über eine „elektronische Gesundheitskarte light“ nachzudenken für Ältere und Patientinnen und Patienten mit Polymedikation. Die Karte sollte also die verschriebenen und die OTC-Arzneimittel speichern und für die Kommunikation zwischen Arzt und Apotheker zur Verfügung stellen. Nur zu, das wäre uns wohl lieber als das elektronische Rezept.

24. Oktober 2014

Paracetamol – das sind doch die Tabletten, die in manchen Apotheken für 65 Cent/20 Stück verramscht werden. Mein liebes Tagebuch, was suggeriert das dem Käufer? Harmlos, alles harmlos. Kann man auch mal ein paar mehr einwerfen oder öfters nehmen. Und wenn die Tabletten dann noch ohne Beratung über den HV gereicht werden, dann haben diese Apotheken völlig versagt und der Pharmazie einen Bärendienst erwiesen. Schade, dass dadurch die Kompetenz des Apothekers so verspielt wird. Denn: Paracetamol hat eine geringe therapeutische Breite und ist lebertoxisch. Hinweise zur richtigen Einnahme und zum sorgfältigen und sparsamen Umgang mit diesem Arzneimittel sind also unbedingt notwendig. Kein Wunder, wenn Ibu-Liebhaber Professor Brune nicht lockerlässt und medienwirksam auf die Gefahren von Paracetamol hinweist und für die Verschreibungspflicht plädiert. Paracetamol nur auf Rezept? Mein liebes Tagebuch, wäre schade, wenn dieses Schmerzmittel aus dem Kompetenzbereich der Apotheke abwandern würde und nicht mehr für die Selbstmedikation zur Verfügung stünde. Aber ein Stück weit wäre die Apothekerschaft wohl selbst schuld.


Peter Ditzel


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