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Hilfe, sieht uns denn keiner? Haben wir Tarnkappen auf? Die große Politik rechnet uns Apotheker nicht zu den maßgeblichen Akteuren im Gesundheitswesen, kommt nicht zum Apothekertag, bleibt unverbindlich bei Honorarzusagen – und macht stattdessen den Ärzten ein Milliardengeschenk. Wir betteln dagegen um Aufnahme in den Medikationsplan, hoffen auf mehr Selbstmedikation, freuen uns über die Grünen und suchen nach den letzten PTAs im Land. Aber mein liebes Tagebuch, nächste Woche ist Apothekertag – und danach wird alles besser. Versprochen, äh, vielleicht, ein bisschen, na ja mal sehen, möglicherweise – und überhaupt: es hätte alles schlimmer kommen können.
21. September 2015
Am Rande einer Veranstaltung: Gespräch mit einer Apothekerin, die Lehrerin in einer PTA-Schule ist. Sie macht sich ernsthaft Sorgen um den PTA-Nachwuchs. Deutlich gesunkener Zulauf zur PTA-Ausbildung. Das Interesse an diesem Beruf scheint merklich nachzulassen. Mein liebes Tagebuch, wenn man sich dann noch die Schließungen von PTA-Schulen in einigen Bundesländern in Erinnerung ruft und die Querelen um die Finanzierung der Schulen z. B. in Nordrhein-Westfalen, dann fragt man sich, ob das ein Trend ist. Oder auf den Punkt formuliert: Gibt es bald einen eklatanten Mangel an PTA? Auch die Klagen vieler Apotheken, die händeringend eine PTA suchen und keine finden, deuten in diese Richtung. Ist unserer Berufsvertretung dieses Problem bekannt? Was wird getan, um Nachwuchs für diesen Beruf zu begeistern? Wie sieht es mit einer Überarbeitung der Inhalte für die PTA-Ausbildung aus? Soll, muss die PTA-Ausbildung verlängert werden? Von offizieller Seite scheint man dieses Thema eher auf die lange Bank zu schieben. Seltsam, worauf wartet man eigentlich? Bis der Mangel zur Not wird? Die einzigen nach außen spürbaren Aktivitäten gehen derzeit wohl von der Apothekengewerkschaft Adexa aus, die bereits in diesem Jahr zu einer Diskussionsrunde zum Thema PTA-Ausbildung eingeladen hatte und es im nächsten Jahr wieder vorhat. Mein liebes Tagebuch, Apotheken ohne PTA – das wird eng.
22. September 2015
Das sind sie, die kleinen Nadelstiche, die uns Apotheker in die zweite Reihe drängen: Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat verschiedene Verbände aufgefordert, Vorschläge zur Besetzung des neuen Expertenbeirats zu benennen, der an der Förderung neuer Versorgungsformen und der Versorgungsforschung durch den neuen Innovationsfonds mitwirken soll. Dabei geht es auch um die Verteilung von jährlich 300 Millionen Euro. Die ABDA allerdings wurde vom BMG nicht angeschrieben und um Personalvorschläge gebeten. Das BMG rechnet uns also nicht zu den „maßgeblichen Akteuren des Gesundheitswesens“. Im Gegensatz zu den Ärzteverbänden, zur Patientenvertretung, zu Wissenschaftsverbänden, den Kassen sowieso und noch weiteren. Aber, wie gesagt, nicht die Apotheker. Die ABDA kann demnach keine Personen für den Expertenbeirat vorschlagen. Irgendwie sind und bleiben wir immer die in der zweiten Reihe. Das macht mich traurig, mein liebes Tagebuch, oder bin ich da zu empfindlich?
Ja, ja, die Apothekerinnen und Apotheker in Wien lassen sich immer etwas einfallen, um sich gegen den Versandhandel zu behaupten. Wenn ein Patient aus Krankheitsgründen und im Notfall sein Rezept nicht persönlich in der Apotheke einlösen und seine Arzneimittel abholen kann, ruft er die nächste diensthabende Apotheke an, die dann das Rezept bei ihm abholt und die Arzneimittel zustellt. Dem Patienten kostet dieser Zustellservice, der zusammen mit dem Wiener Taxi-Funkdienst und dem Botendienst veloce ausgeführt wird, sieben Euro, den Rest der Kosten trägt die Apothekerkammer Wien.
23. September 2015
Während unsere ABDA noch darum kämpft, dass das Ministerium ihre Methode zur Berechnung des Apothekerhonorars anerkennt, streichen unsere lieben Heilberufsbrüder und -schwestern, die Ärzte, wieder eine nette kleine Honorarerhöhung von 1,35 Milliarden Euro fürs nächste Jahr ein. Nein, ist nicht die Welt für den einzeln Doktor, aber im Vergleich dazu, dass wir Apothekers im vorletzten, letzten, in diesem und nächsten Jahr und wahrscheinlich auch im übernächsten Jahr keine Erhöhung bekommen, gar nichts, nothing, rien, niente, dann weiß man wieder einmal mehr um seinen Stellenwert als Apotheker.
Auch so ein Zeichen, wie Politiker die Apotheker sehen (nämlich gar nicht): Zum Apothekertag kommt (fast) keiner, zumindest kein hochrangiger. Kein Bundesgesundheitsminister (er schickt seinen Staatssekretär), überhaupt keiner von der SPD-Bundestagsfraktion, keiner von den Berliner Grünen. Sogar die neue gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion Maria Michalk macht einen Bogen um den Apothekertag, an ihrer Stelle kommt Michael Hennrich, Mitglied im Bundestagsausschuss für Gesundheit. Nur die Bundestagsfraktion Die Linke bleibt dem Apothekertag mit Harald Weinberg treu. Ein Lichtblick: Nordrhein-westfalens grüne Gesundheitsministerin Barbara Steffens kommt auf ein Grußwort. Sie ist eine der wenigen, die an die Apotheker und ihre Kompetenz glauben. Schon jetzt: Danke!
Beim eHealth-Gesetz könnte es so was wie eine allerletzte Chance für uns geben: Am 4. November soll eine Anhörung zum eHealth-Gesetz stattfinden, in der die ABDA ihre Forderung vortragen kann, den Apotheker gleichberechtigt mit dem Arzt in den neuen Medikationsplan einzubinden. Mein liebes Tagebuch, sollte der ABDA-Auftritt gut vorbereitet sein und gehört werden, ist vielleicht doch noch was drin für uns.
24. September 2015
Nett und unverbindlich nach dem Motto „schaun wir mal, dann sehen wir schon“ gab Maria Michalk im DAZ-Interview ihren Einstand als neue gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Hhmm, mein liebes Tagebuch, kaufen können wir uns davon noch lange nichts, wenn sie frohgemut ankündigt, die „Honorarsituation der Apotheker im Blick“ zu haben. Auch die Aussage, dass aus ihrer Sicht „die BtM-Gebühr und der Rezepturzuschlag nach langer Zeit mal wieder angepasst werden sollten“, löst nicht die geringste Kontobewegung bei uns aus. Und, ach ja, das hängt natürlich alles vom Koalitionspartner SPD ab – gut dass es den gibt und man ihn vorschieben kann. Aber mein liebes Tagebuch, lasset uns dankbar sein für ihre Lobesworte über unsere verantwortungsvolle Arbeit und dafür, dass sie sich zum deutschen Fremd- und Mehrbesitzverbot bekennt. Für uns Apothekers als nicht maßgebliche Akteure in der zweiten Reihe ist das inzwischen schon der Himmel auf Erden, oder?
Da ist noch mehr drin für die Apotheken, im Selbstmedikationsmarkt – zu diesem Schluss kommt ein neues Gutachten, das der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller in Auftrag gegeben hatte. Im Klartext: jeder Euro, der in der Selbstmedikation ausgegeben wird, spart den gesetzlichen Kassen 14 Euro. Mein liebes Tagebuch, angesichts solcher Zahlen sollten die Kassen Aufklärungskampagnen für ihre Versicherten fahren, in denen sie die Selbstbehandlung beschwören, und uns Apotheker hoffieren, Retaxationen ad acta legen und auf Knien bitten, die Menschen vom Wert der Selbstbehandlung zu überzeugen. Aber im Ernst, „da ist wirklich noch mehr Luft drin“, wie es auch der Apothekerverbands-Chef Fritz Becker meinte. Wenn Apotheken mehr und durchaus sinnvolle Zusatzverkäufe generieren, wenn sie ihre Kunden auf Möglichkeiten der Selbstbehandlung aufmerksam machen und beraten, wenn unsere Berufspolitik den Mut hat, in Richtung des Schweizer Wegs zu gehen und versucht, der Politik und Öffentlichkeit den Apotheker als kompetenten Fachmann zu positionieren, der weit mehr kann als er heute darf, könnte die Selbstbehandlung wachsen und die GKV entlasten. Angesichts immer mehr hochpreisiger Therapien, die bezahlt werden müssen, wird man wohl die Behandlung kleinerer Gesundheitsstörungen noch mehr in die Eigenverantwortung geben müssen.
25. September 2015
Die Grünen möchten, dass der Apotheker stärker in den Medikationsplan eingebunden wird, sie kritisieren die „Arztzentriertheit“ des eHealth-Gesetzes. Mein liebes Tagebuch, ein dickes Danke an die Grünen, die erkennen, dass der Arzt nicht alles ist und nicht alles kann, sondern es auch noch andere kompetente Akteure gibt: die Apotheker. Die Bundestagsfraktion Bündnis90/Die Grünen möchte, dass auch die Apotheker beim Medikationsplan ein „Schreibrecht“ haben, „das nur mit Zustimmung des/der Versicherten ausgeübt werden kann“. Anders als der Bundesrat es fordere, sollte dies für alle Apotheken und nicht nur eine „vom Versicherten gewählte“ Apotheke gelten. Denn der Medikationsplan soll eine Übersicht über alle eingenommenen Arzneimittel des Versicherten geben, also über verschriebene und in der Selbstmedikation gekaufte. Mein liebes Tagebuch, wer hätte gedacht, dass uns die Grünen mal so verstehen.
26. September 2015
Ausblick auf die neue Woche, mein liebes Tagebuch: Das Hochamt der Apotheker, der Apothekertag steht vor der Tür. Mal böse ausgedrückt: Tage der Selbstinszenierung einiger weniger stehen bevor mit großen Reden, kleinen Reden, viel heißer Luft und staatstragenden Worten. Während unsere Berufspolitiker die Bedeutung des Apothekers beschwören und um Honoraralmosen betteln, ignoriert die große Politik den Pharmazeuten und stellt ihn in die zweite Reihe: der Apotheker ist einer, der die Bürokratie zu erfüllen hat, Sklave der Kassen ist und ärztlicher Handlanger spielen darf. Mein liebes Tagebuch, ein Schauder läuft mir über den Rücken. Aber das haben wir zum Glück nur geträumt. In Wirklichkeit ist der Apothekertag doch Aufbruchstimmung, Weichenstellung, Wegweiser und Alles-wird-gut-Party. Mit viel Meinungs- und Gedankenaustausch und viel Arbeit mit Anträgen (die irgendwo verschwinden, aber nicht in der Cloud, denn so weit sind wir noch lange nicht). Mein liebes Tagebuch, vielleicht liegt der Apothekertag auch irgendwo dazwischen... Nächste Woche wissen wir mehr.
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