Teure Arzneimittel

Krankenkassen und Ärzte für Reform der Reform

Berlin - 31.12.2015, 14:12 Uhr

Sovaldi, Pharmakonzern Gilead: Das Arzneimittel machte wegen seiner hohen Kosten 2015 viele Schlagzeilen. (Foto: DAZ.online)

Sovaldi, Pharmakonzern Gilead: Das Arzneimittel machte wegen seiner hohen Kosten 2015 viele Schlagzeilen. (Foto: DAZ.online)


Nach einer kurzen Pause durch die Arzneimittelmarktreform vor fünf Jahren steigen jetzt die Arzneimittelpreise wieder rasant an. Das geht auch zulasten der Beitragszahler. Ärzte nennen die Preisbildung zum Teil "unanständig". Die Krankenkassen rufen nach dem Gesetzgeber.

Die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) nutzen die Feiertage, um in Interviews die Bundesregierung wortstark zu einer erneuten Reform des Arzneimittelmarktes aufzufordern. Unterstützung bekommen die Kassen dabei von der Bundesärztekammer (BÄK). Krankenkassen wie Ärzteschaft halten das am 1. Januar vor fünf Jahren in Kraft getretene Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) zwar für einen guten Ansatz. Doch müsse es dringend "nachgeschärft" werden.

"Das entscheidende Problem ist, dass wir nach wie vor das erste Jahr mit freier Preisbildung haben", sagte die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Doris Pfeiffer, der Deutschen Presse-Agentur. Nach einem Jahr vereinbaren Krankenkassen und Hersteller einen Erstattungsbetrag. Bis zu dieser Vereinbarung könnten Hersteller "Fantasiepreise" für neue Medikamente verlangen.

Differenzierung gewünscht

Seit Inkrafttreten des AMNOG richten sich die Preise nach dem Zusatznutzen neuer Präparate gegenüber solchen, die schon auf dem Markt sind. Allerdings können die Pharmaunternehmen im ersten Jahr Preise nach eigenem Gutdünken nehmen, bis ein Erstattungsbetrag zwischen Herstellern und GKV-Spitzenverband ausgehandelt ist.

Pfeiffer bekräftigte die Forderung der Krankenkassen: "Wir sind der Meinung, dass man eine Rückwirkung für die vereinbarten Preise braucht. Mindestens aber bei den Produkten, die keinen Zusatznutzen gegenüber auf dem Markt befindlichen Präparaten haben." Zudem müsse genauer festgelegt werden, für welche Zielgruppe ein neues Medikament tatsächlich einen Zusatznutzen habe. Sovaldi etwa wirke nicht bei allen Menschen, die an Hepatitis-C erkrankt sind, gleichermaßen. Aber die Kassen müssten den hohen Preis für alle Erkrankten ausgeben.

BÄK-Präsident Frank Ulrich Montgomery sagte, die Pharmaindustrie nutze die Bestimmungen des AMNOG hochkompetent für ihre Zwecke aus. Wenn es stimme, dass Herstellungs- und Vertriebskosten für eine Therapie mit dem anerkanntermaßen sehr wirksamen Hepatitis-C-Präparat Sovaldi tatsächlich bei 1500 Euro liegen, die Therapie am Anfang 60.000 Euro koste und nach Verhandlungen mit den Krankenkassen immer noch 45 000 Euro, "dann ist das einfach unanständig. So was darf nicht sein". Montgomery kündigte an, man wolle auf dem nächsten Ärztetag über ethische Preisbildungen von Medikamenten reden.

Die Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen (vdek), Ulrike Elsner, sagte, die hohen Arzneimittelpreise würden sich auch auf die Entwicklung der Beitragssätze für die gesetzlichen Krankenversicherung auswirken. «Da erwarte ich mir schon für das Jahr 2016 noch ein Gesetzgebungsverfahren, das diese Themen aufgreift." Sie fügte hinzu: "Sorge bereiten mir die hohen Preise für patentgeschützte Arzneimittel. Ihr Umsatz ist auf 14,8 Milliarden Euro oder 44 Prozent der Arzneimittelausgaben gestiegen, obwohl sie nur 7 Prozent der Verordnungen ausmachen."

Baas bekräftigt Änderungsforderung

Die Chef der Techniker Krankenkasse (TK), Jens Baas, sagte der dpa: "Wir wollen Fortschritt, und die Pharmaindustrie soll auch vernünftige Gewinne machen. Aber es muss einen Schutz für die Beitragszahler gegen Mondpreise geben." Das AMNOG müsse deshalb so weiterentwickelt werden, dass die Krankenkassen bei der Preisgestaltung ein stärkeres Gegengewicht gegenüber der Industrie bildeten.

Baas zeigte zugleich Verständnis für die Position der Industrie, die die rabattierten Preise gerne geheim halten wolle. Denn wenn die Preise öffentlich seien, würden sie als Basis genommen für die ganze Welt, zumindest aber für Europa. Die TK schlägt deshalb die Möglichkeit vor, die Preisverhandlungen, etwa über eine Rabattierung, geheim zu führen.


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2 Kommentare

Rabatte

von Christoph Leddin am 01.01.2016 um 2:37 Uhr

Die sollen Krankenkassen und Hersteller dann untereinander ausmachen, und sich dann gegenseitig das Geld hin und her schieben, ohne die Apotheken zu belasten.
Apotheken sind Institutionen des Auf- und Erklären, nicht des Verschleierns.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Rabattgemaggel

von Bernd Jas am 01.01.2016 um 9:58 Uhr

Was Krankenkassen und Hersteller untereinander ausmachen, heißt bei den Ärzten (sowie bei Apothekers) und Herstellern Korruption.
Das ganze Verschleierungsgebaren schafft soviel Mühsal, dass die Versicherten es mit höheren Beiträgen bezahlen müssen und wir mit ungleich viel Mehrarbeit für umme.
Wofür Herr Baas Verständnis hat, nämlich das "wenn die Preise öffentlich seien, würden sie als Basis genommen für die ganze Welt, zumindest aber für Europa", ist schlicht die Angst vor dem Ende des Kapitalismus und der Korruption.

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