Epidemie in Lateinamerika

WHO prüft weltweiten "Zika-Notfall"

Genf/Rio de Janeiro - 29.01.2016, 08:30 Uhr

Wie hier in Venezuela gehen einige lateinamerikanische Staaten gegen die   Mücken vor, die das Zika-Virus übertragen. (Foto: Picture alliance / dpa)

Wie hier in Venezuela gehen einige lateinamerikanische Staaten gegen die Mücken vor, die das Zika-Virus übertragen. (Foto: Picture alliance / dpa)


Die WHO rechnet mit bis zu vier Millionen Zika-Infektionen, falls das Virus in Lateinamerika nicht energisch genug bekämpft werde. Die Behörde prüft die Ausrufung eines globalen Gesundheitsnotstands.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) prüft wegen der dramatischen Ausbreitung des mysteriösen Zika-Virus die Ausrufung eines globalen Gesundheitsnotstands. Dazu sei für kommenden Montag eine Krisensitzung internationaler Virusexperten einberufen worden, teilte WHO-Generaldirektorin Margaret Chan am Donnerstag in Genf mit. Der Erreger ist schon in 23 Ländern auf dem amerikanischen Kontinent aufgetaucht und auch nach Deutschland eingeschleppt worden. Hierzulande sind bislang fünf Fälle bekannt geworden, die beim aktuellen Ausbruch importiert worden sind.

Chan sprach von einer „explosionsartigen“ Verbreitung des gerade für schwangere Frauen gefährlichen Zika-Virus, das im Verdacht steht, bei Babys Schädelfehlbildungen zu verursachen.

Große Sorge über Zunahme der Infektionen

Möglicherweise gebe es allein in Brasilien bereits 1,5 Millionen Zika-Fälle. In ganz Amerika könnte es ohne energische Gegenmaßnahmen zu 3 bis 4 Millionen Ansteckungen kommen, befürchtet die WHO. Dies sei Anlass zu „großer Sorge“. Hauptgrund dafür sind laut Chan Hinweise, wonach das Zika-Virus Mikrozephalie auslösen kann: Babys kommen mit zu kleinen Schädeln auf die Welt; geistige Beeinträchtigungen sind die Folge. Das Virus wird wie das Dengue-Fieber von der Moskitoart Aedes aegypti übertragen.

In Rio de Janeiro versprechen die Organisatoren des Karnevals und der Olympischen Spiele, dass mit Sonderbekämpfungsprogrammen Gefahren für Touristen verhindert werden sollen. Im Bundesstaat Rio de Janeiro hat sich die Zahl der Babys und Embryonen mit Schädelfehlbildungen auf 171 erhöht. Landesweit gibt es 4180 Fälle, bei 12 ist eindeutig festgestellt worden, dass sich die Mütter zuvor mit Zika infiziert hatten. In Brasilien starben bereits 68 Babys durch Mikrozephalie.

Ein alter Verdacht

Der Verdacht auf eine Verbindung zwischen dem erstmals 1947 in Uganda entdeckten Zika-Virus und der Schädigung von Ungeborenen ist erst im Herbst in Brasilien aufgekommen. Sollte er bewiesen werden, würde sich das „Risiko-Profil“ des Erregers laut WHO dramatisch ändern. Chan sagte, es müssten die besten Fachleute der Welt aufgeboten werden, um dies rasch zu klären. „Wir müssen alle Informationen miteinander teilen, wir brauchen eine korrekte Analyse.“

Im Fall der Ausrufung eines weltweiten Gesundheitsnotfalls würde die WHO für alle Staaten dringende Maßnahmen zur Vorbeugung von Ansteckungen sowie zur Eindämmung des Zika-Erregers empfehlen. Dazu können Vorsichtsmaßnahmen bei Reisen gehören. Zuletzt waren nach der Ausrufung eines Gesundheitsnotstands wegen der Ebola-Epidemie in Westafrika ab Mai 2015 besondere Vorkehrungen für Flugreisen vorgeschrieben worden. Passagiere wurden auf Symptome einer Infektion mit dem hochansteckenden Ebola-Virus untersucht.

Kein Anlass für Panik

Die WHO betonte jedoch, es bestehe kein Grund für Angst oder gar Panik. „Zika ist nicht Ebola“, sagte der zuständige WHO-Direktor und Leiter der Abteilung für übertragbare Krankheiten, Marcos Espinal. Die Krankheit werde bekanntermaßen durch bestimmte Stechmücken verbreitet. Der Kampf gegen die Überträger sei daher entscheidend.

Das brasilianische Militär will nun mit einer Großoffensive die Stechmücken als Überträger des Virus bekämpfen. Verteidigungsminister Aldo Rebelo betonte bei der Vorstellung des Programms: „Wir müssen alle Kräfte des Staates und der Gesellschaft bündeln.“ In Brasilien soll in 356 Städten und Gemeinden sowie Tausenden Schulen über die Gefahr aufgeklärt und Moskitos und deren Eiablageplätze vernichtet werden. 160 000 Soldaten, 30 000 Mitglieder der Marine und 30 000 Militärs der Luftwaffe werden dafür eingesetzt. Präsidentin Dilma Rousseff kündigte für nächsten Dienstag ein Krisentreffen der Gesundheitsminister des südamerikanischen Staatenbundes Mercosur an. Vor dem nächste Woche beginnenden Karneval sollen auch in der Hauptveranstaltungsstätte, dem Sambadrom in Rio, die Moskitos und ihre Eiablageplätze mit Spezialmitteln bekämpft werden.

Keine Übertragungen in Deutschland

Die Gesellschaft für Virologie sieht aber keine Gefahr für Deutschland. „Es gibt derzeit keinerlei Anzeichen dafür, dass es zukünftig zu einer Übertragung von Zika-Viren über angesiedelte Moskitos in Deutschland kommen wird“, erklärte Christian Drosten. Er leitet an der Universitätsklinik in Bonn das Institut für Virologie. Die Mückenart Aedes aegypti kommt in Deutschland nicht vor.

Das Zika-Virus haben schon mehrere Reisende nach Deutschland und in andere europäische Länder eingeschleppt. Das Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin stellte seit 2013 bundesweit zehn Infektionen fest. Fünf der Betroffenen hätten sich seit Oktober 2015 angesteckt - alle in Lateinamerika, wie der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit am Donnerstag berichtete. Weitere neue Fälle sind ihm nicht bekannt, er rechnet aber mit einer Dunkelziffer. Das Bernhard-Nocht-Institut ist auch das Referenzzentrum für Zika-Infektionen in Deutschland.

Die Symptome sind unscheinbar

Viele Zika-Infektionen bleiben unbemerkt. Wer erkrankt, leidet oft unter Symptomen, die einer Erkältung ähneln, und Hautausschlägen. Dies sei keineswegs lebensbedrohlich, erklärten Experten bei der Sitzung des WHO-Exekutivrats. „Wir müssen jetzt aktiv werden, um die Übertragung einzudämmen“, sagte Chan mit Blick auf die wärmeren Länder, wo Zika durch die Mücken übertragen wird. Jedoch könnte die Erkrankung in alle anderen Staaten eingeschleppt werden. Schwangere Frauen sollten bis zur Entbindung unter medizinische Beobachtung gestellt werden, wenn sie über Symptome wie Hautausschlag klagen.


dpa / DAZ.online
redaktion@daz.online


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