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Forschung oder Korruption?
Regierung schätzt Beobachtungsstudien
Transparency International und einige Gesundheitspolitiker kritisieren Anwendungsbeobachtungen scharf. Aus Sicht der Bundesregierung sind sie jedoch sinnvoll. Doch reichen die bestehenden Regelungen aus, um Patienten zu schützen?
Anwendungsbeobachtungsstudien (AWB) seien inzwischen „zu einem Synonym für Pseudostudien geworden“, schreibt die Linke Bundestagsfraktion in einer kleinen Anfrage an die Bundesregierung. Mit den Untersuchungen sollen Arzneimittel im Praxiseinsatz getestet werden, doch stehen die Studien schnell unter Korruptionsverdacht: Die Beteiligten Ärzte erhalten oft großzügige Honorare von den beteiligten Pharmafirmen, sodass die Studien ein Anreiz sein können, vermehrt das jeweilige Präparat zu verschreiben. Auch ihr wissenschaftlicher Gehalt wird beispielsweise von einigen Vertretern der evidenzbasierten Medizin stark kritisiert: Da sie ohne Kontrollgruppen durchgeführt werden, seien sie nicht zuverlässig – und die Ergebnisse würden kaum beachtet.
„Mithilfe der AWB können Erkenntnisse aus der Praxis über zugelassene oder registrierte Arzneimittel gewonnen werden“, ist hingegen die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Anfrage überzeugt. Durch gesetzliche Regelungen seien in den letzten Jahren Voraussetzungen für eine Verbesserung ihrer Qualität geschaffen worden, schreibt sie. So könne auch der Missbrauch zu „Marketingzwecken“ verhindert werden. Über das Arzneimittelgesetz seien umfassende Anzeigepflichten gegenüber Bundesoberbehörden, der KBV und den Spitzenverbänden der Krankenversicherung eingeführt worden.
Wirtschaftlichkeitsprüfungen gegen unlautere Zahlungen
Dem Vorwurf, die Geldleistungen an die beteiligten Ärzte seien unverhältnismäßig, begegnet die Regierung damit, die Summen würden sich in den vergangenen Jahren an der Gebührenordnung für Ärzte orientieren. Auch sei der Dokumentationsaufwand der Ärzte „in der Regel“ detailliert erläutert. „Zusätzlich ist im Sozialgesetzbuch V geregelt, dass bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen insbesondere verordnete Leistungen von Ärzten geprüft werden sollen, die in einer AWB beteiligt sind“, schreibt die Regierung. Dann müssten viele Praxen unter die Lupe genommen werden: Das Recherchezentrum correctiv.org hatte zusammen mit der „Süddeutschen Zeitung“, dem NDR und WDR im März herausgefunden, dass jeder zehnte Arzt an den Beobachtungsstudien teilnimmt. Hierfür erhalten sie bis zu 7000 Euro pro Patient.
Die Antworten dürften viele Kritiker nicht überzeugen, im Gegenteil. Transparency International, die von „legalisierter Korruption“ spricht, klagt derzeit erneut gegen das BfArM, welches zusammen mit dem Paul-Ehrlich-Institut für die Aufsicht über die Studien zuständig ist. Die Organisation will herausfinden, inwiefern die Arzneimittelbehörde die Ergebnisse der Studien auswertet.
Zahnlose Regulierung
Kathrin Vogler, gesundheitspolitische Sprecherin der Linken-Fraktion, hält es für „erschreckend“, dass die Bundesregierung das Problem der Anwendungsbeobachtungsstudien kaum zur Kenntnis nimmt. „Die jetzige Regulierung ist so zahnlos, dass die Pharmaindustrie dieses Instrument weiterhin quasi ungehindert nutzen kann, um Ärztinnen und Ärzte dafür zu bezahlen, wenn sie ihre Produkte verordnen“, so Vogler. Die wenigen existierenden Vorgaben zu Anwendungsbeobachtungen würden kaum überprüft. „Zwar gibt es Berichtspflichten, aber die sind für die Katz‘, wenn Verstöße weder ermittelt, noch sanktioniert werden“, sagt die Politikerin.
Ein Schritt zur Bekämpfung unzulässiger Leistungen, mit denen Pharmahersteller Ärzte zu vermehrten Verschreibungen veranlassen könnten, ist das vergangene Woche verabschiedete Antikorruptionsgesetz. Für Oberstaatsanwalt Alexander Badle von der hessischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Vermögensstraftaten und Korruption im Gesundheitswesen sind nicht die Studien selber das Problem. Schlimm sei, dass mit ihnen Schindluder getrieben werde, indem sie genutzt wurden, um Ärzten Leistungen zukommen zu lassen. „Das ist der klassische Anwendungsbereich von Korruption“, sagt er DAZ.online.
Kordula Schulz-Asche, arzneimittelpolitische Sprecherin der Grünen, will sich laut correctiv.org wie Vogler dafür einsetzen, dass über die laufende AMG-Novelle Beobachtungsstudien stärker kontrolliert werden. „Da muss was passieren“, zitiert das Recherchebüro die Gesundheitspolitikerin.
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