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Es gibt sie, die Rätsel der Apothekenwelt! Ein Medikationsplan ohne Apotheker, das sächsische Ende der PKA, ABDAs Meinung zur Telemedizin und ihre Nonchalance zu Lieferengpässen. Und in Italien gibt’s bald Ketten. Mein liebes Tagebuch, es gibt sie noch die Dinge, die wir nicht verstehen.
2. Mai 2016
Dieses Mal ohne Schiedsstelle: Ärzte und Apotheker haben sich über die Rahmenvereinbarungen zum Medikationsplan geeinigt. Mein liebes Tagebuch, ab Oktober haben Patienten, die mindestens drei verordnete Medikamente gleichzeitig anwenden, einen Anspruch auf die Erstellung sowie Aktualisierung eines Medikationsplans. Auf Papier. Wo sonst! Die elektronische Gesundheitskarte samt digitaler Infrastruktur ist im Hightech-Land Deutschland noch nicht so weit. Ein Medikationsplan auf Papier ist zwar besser als kein Medikationsplan, aber wenn da die Aktualisierungen von anderen als dem ausstellenden Arzt vorgenommen werden sollen, dann wird’s nicht mehr schön übersichtlich und gut lesbar. Spätestens 2019 soll er dann auf der elektronischen Gesundheitskarte speicherbar sein und dort digital aktualisiert werden können. Meine Prognose: Bis 2019 wird der Medikationsplan nicht der Renner werden. Der eine oder andere Arzt wird ihn zwar für seinen Patienten ausdrucken. Was der Arzt aber nicht weiß: Welches Rabattarzneimittel hat sein Patient in der Apotheke denn bekommen, welche OTCs nimmt der Patient noch ein? Besonders kurios: Wenn ein Apotheker den Medikationsplan aktualisiert, weil sich ein Rabattvertrag geändert hat, ist der Arzt nicht verpflichtet, diese Änderungen zu übernehmen – auf eine solche Pflicht konnten sich Ärzte und Apotheker nicht verständigen. Mein liebes Tagebuch, super, oder? Was soll ein Medikationsplan bringen, der nur halb vollständig und halb richtig ist? Und nur „zu Fuß“ und umständlichst aktualisiert werden kann? Ein solcher Plan ist nur ein Alibi-Plan und damit für die Tonne. Mein liebes Tagebuch, es soll heute schon Apotheker geben, die für ihre Patienten einen übersichtlichen Plan erstellen, ihn anpassen und aktualisieren. Verboten ist das nicht. Aber wollen wir das ohne Bezahlung?
Die jüngste Landesregierung in Deutschland ist grün-schwarz: Der Koalitionsvertrag in Baden-Württemberg steht. Das Gesundheitsministerium ist in grünen Händen. Zur Gesundheitspolitik finden sich meist nur Allgemeinplätze, nur beim Thema Ärztemangel auf dem Land wird’s konkret: Junge Mediziner sollen Stipendien erhalten, wenn sie im ländlichen Raum arbeiten möchten. Mein liebes Tagebuch, junge Pharmazeuten, die später im Schwarzwälderischen Glottertal oder in einem abgelegenen Dorf im Neckar-Alb-Kreis arbeiten wollen – bekommen kein Stipendium. Warum eigentlich nicht? Was auch im Koalitionsvertrag steht: Die Digitalisierung soll für die Versorgung auf dem Land genutzt werden, man will die Telemedizin „zielführend und nachhaltig“ ausbauen. Was Grün-Schwarz wohl darunter versteht? Was kommt da auf uns zu?
Mein liebes Tagebuch: „Telemedizin“ – immer häufiger fällt dieser Begriff. Das Bundesgesundheitsministerium versteht darunter: „Telemedizin ermöglicht es, unter Einsatz audiovisueller Kommunikationstechnologien trotz räumlicher Trennung z. B. Diagnostik, Konsultation und medizinische Notfalldienste anzubieten. In Zukunft kann Telemedizin vor allem für den ländlichen Raum ein Bestandteil der medizinischen Versorgung werden.“ Steht da schon die Videosprechstunde in den Startlöchern?
Wie auch immer sie in der Praxis umgesetzt wird – was in
diesem Zusammenhang leicht irritiert: Mit
der nächsten AMG-Novelle soll eine Vorschrift kommen, wonach eine
Arzneimittelabgabe nur dann erfolgen darf, wenn vor der ärztlichen
Verschreibung ein Kontakt zwischen Arzt und Patient stattgefunden hat. Im
ersten Entwurf der Novelle war die Rede von einem „persönlichen Kontakt“, in
der aktuellen Version ist von einem „direkten Kontakt“ die Rede. Also, mein
liebes Tagebuch, wo liegt der Unterschied? Wenn ich beim Onkel Doktor im
Sprechzimmer sitze, ist das persönlich und direkt. Und wenn ich ihn per
Videoschaltung auf dem Handy oder auf dem PC sehe, was ist das dann? Nur noch
direkt, aber nicht persönlich? Kann das nicht auch ein persönlicher Chat sein?
Wenn die Oma mit dem Enkel skypt, macht sie das nicht persönlich? Mein liebes
Tagebuch, irgendwie ist das alles nicht schlüssig und ein Herumeiern zwischen alter
und neuer digitaler Welt. Schon klar, am besten ist es immer, wenn Patient und
Arzt real zusammentreffen. Und wenn Rezepte nicht nur nach einem Telefonat oder
Internetkontakt ausgestellt werden. Das kann man sich wünschen. Aber wird sich
das für die Zukunft durchhalten lassen?
Andererseits, wenn man sich vor Augen
hält, dass der Ausbau eines schnellen Netzes in Deutschland schneckt, wird sich
der eine oder andere gemütlich zurücklehnen und denken: Lass diese Freaks nur
machen. Trotzdem, wir Apotheker wissen: Das Internet ist kein Schnupfen, es
geht nicht einfach vorbei. Und die Telemedizin ist in anderen Ländern schon da.
Deshalb: Wie reagieren wir Apotheker auf diese Herausforderungen? Telepharmazie?
Mag unsere ABDA da mal in sich gehen oder mit uns diskutieren?
3. Mai 2016
Das britische Gesundheitsministerium und der nationale Gesundheitsdienst wollen die Apothekenhonorare um sechs Prozent kürzen, 3000 Apotheken wären von einer Schließung bedroht, es träfe vor allem die kleinen unabhängigen Apotheken. Das wollen sich die britischen Pharmazeuten nicht bieten lassen: Mit einer Unterschriftensammlung („Unterstütze deine örtliche Apotheke“) mobilisieren sie die Bevölkerung. Über eine Million Menschen haben die Petition schon unterzeichnet. Mein liebes Tagebuch, das merken wir uns! Vielleicht brauchen wir eine Unterschriftensammlung, wenn das vom Wirtschaftsministerium angeforderte Gutachten vorliegt…
4. Mai 2016
Die PKA stirbt aus. Zumindest in Sachsen. Mein Eindruck: Die Apotheken in diesem Freistaat wollen keine PKA mehr ausbilden. 2015 wurden nur noch 12 PKA-Ausbildungsverträge abgeschlossen. Derzeit ist die PKA-Ausbildung – da die notwendigen Klassenstärken nicht erreicht werden – nur noch dank einer Ausnahmegenehmigung möglich. Wenn die nicht mehr erteilt wird, ist in Sachsen Schluss mit der Ausbildung von PKA. Laut einer Umfrage wollen die Apotheken auch gar nicht so gerne PKA ausbilden, weil diese Berufsgruppe nur beschränkt einsatzfähig sei und keine Arzneimittel abgeben dürfe. Mein liebes Tagebuch, hat sich der PKA-Beruf überlebt? Eigentlich braucht eine Apotheke eine Person, die den kaufmännischen, organisatorischen und IT-Bereich im Griff hat. Aber dann vielleicht eher so etwas wie einen MBA, einen Master of Business Administration? Nur, den gibt’s nicht zum PKA-Tarif. Und damit sind wir wieder in Sachsen, wo der Apothekerverband noch nicht mal im Arbeitgeberverband ist, um keine Tarifbindung zu haben. Ist schon vertrackt.
Lieferengpässe – sie gehen nicht weg, wenn man sich duckt. Das sollten alle, die es angeht, mittlerweile verstanden haben. Besonders brisant wird’s bei Zytostatika: Melphalan, das zur Therapie des Multiplen Myeloms eingesetzt wird, ist derzeit nicht verfügbar. Jetzt fordert – nein, nicht die ABDA oder ein Apothekerverband, sondern – die Gesellschaft für Hämatologie Medizinische Onkologie gesetzliche Maßnahmen, damit die Arzneimittelversorgung sichergestellt ist. Die Sendung „Report München“ ist dem Lieferengpass nachgegangen und hat herausgefunden, dass Melphalan weltweit nur noch in Italien produziert wird und dort aus welchen Gründen auch immer die Produktion ruht. Und Bundesgesundheitsminister Gröhe, der von Report auf das Problem angesprochen wurde, reagierte abweisend und ging weg. Mein liebes Tagebuch, Lieferengpässe müssten noch viel häufiger öffentlich gemacht werden. Eigentlich wäre das auch Sache der Apothekervertretung, oder? Ein bisschen Poltern auf einem Wirtschaftsforum reicht da allerdings nicht aus. Warum konfrontiert unsere Berufsvertretung das Gesundheitsministerium nicht ständig mit den Lieferengpässen? Wenn wir es ernst meinen mit dem Wohl des Patienten, müsste sich unsere ABDA dann nicht vehement dafür einsetzen? Müsste sie nicht Lieferengpässe an den Pranger stellen?
6. Mai 2016
Italiens Apotheken vor einer Apokalypse: Die Abschaffung des Fremd- und Mehrbesitzverbots steht unmittelbar bevor! Wettbewerb auf allen Kanälen, Liberalisierung überall. Es gibt so gut wie keine Hoffnung mehr, die Apothekenketten zu verhindern. Das sieht gar nicht gut aus. Mein liebes Tagebuch, mir hat der Kommentar von Christiane P. dazu gefallen: „Macht euch unverzichtbar! Das funktioniert aber nicht, wenn ihr nur im Büro hockt und eure PTAs die Apotheke vorne schmeißen! Zeigt, was ihr könnt! Es geht um uns, es geht um unsere Selbstbestimmung! Ich will kein Kettenkasper werden!“
15 Kommentare
Lieferengpassdiskussion
von Dr.Diefenbach am 08.05.2016 um 18:41 Uhr
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Entwertung von Standards
von Reinhard Rodiger am 08.05.2016 um 18:10 Uhr
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Konkrete Vorschläge
von Kerstin Kemmritz am 08.05.2016 um 16:54 Uhr
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Konkrete Vorschläge
von Kerstin Kemmritz am 08.05.2016 um 16:54 Uhr
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AW: Ich liebe das beste Netz ...
von Kerstin Kemmritz am 08.05.2016 um 16:58 Uhr
AW: Okay ...
von Wolfgang Müller am 08.05.2016 um 18:00 Uhr
Lieferunfähigkeiten: Konkrete Vorschläge?
von Wolfgang Müller am 08.05.2016 um 16:34 Uhr
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Lieferengpässe
von Dr.Diefenbach am 08.05.2016 um 15:13 Uhr
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Himmelsakra, Lieferengpässe ........
von Gunnar Müller, Detmold am 08.05.2016 um 14:05 Uhr
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Wieso käme es wirklich zu Apotheken-Ketten und Fremdbesitz?
von Wolfgang Müller am 08.05.2016 um 13:09 Uhr
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Bitte lächeln...
von Ulrich Ströh am 08.05.2016 um 10:44 Uhr
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Läuft: Apotheker endlich in den Schlagzeilen!
von Kerstin Kemmritz am 08.05.2016 um 9:45 Uhr
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AW: Na toll....
von gabriela aures am 08.05.2016 um 11:57 Uhr
Guten Morgen , meine Lieben !
von gabriela aures am 08.05.2016 um 9:25 Uhr
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Zitat
von Christiane Patzelt am 08.05.2016 um 8:43 Uhr
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