GKV-Spitzenverband zum Retax-Deal

„Retax-Einnahmen waren zusätzlich eingeplant“

Berlin - 25.05.2016, 18:50 Uhr

Keine Retax-Einnahmen mehr: Die Kassen gestehen ein, dass sie in Zukunft auf zusätzliche Einnahmen verzichten müssen. (Foto: Fotolia/Dessauer 77)

Keine Retax-Einnahmen mehr: Die Kassen gestehen ein, dass sie in Zukunft auf zusätzliche Einnahmen verzichten müssen. (Foto: Fotolia/Dessauer 77)


Wenn Null-Retaxationen wegen formaler Fehler ab dem 1. Juni weniger werden, müssen einige Krankenkassen auf viel Geld verzichten. Der GKV-Spitzenverband stellt nun klar, dass es sich bei den Einnahmen aus Rezeptkürzungen um zusätzliche Gelder handelte. Und: Null-Retaxationen sollen auch in Zukunft nicht ausbleiben.

Der neu gefasste Paragraf 3 im Rahmenvertrag liest sich wie ein Sieg für die Apotheker: Auf mehreren Seiten steht dort aufgelistet, in welchen Fällen Krankenkassen ihre Zahlungen an die Apotheker nicht mehr kürzen dürfen. Der Grundsatz: Es darf nur noch retaxiert werden, wenn entweder die Arzneimittelsicherheit oder die Wirtschaftlichkeit betroffen ist. Und: Der Apotheker erhält grundsätzlich die Möglichkeit, Fehler auszubessern.

Insbesondere einige Betriebskrankenkassen müssen dann wahrscheinlich ihre Retax-Politik ändern. Denn gerade die BKKen waren in der Vergangenheit des Öfteren durch ein aggressives Kürzungsverhalten aufgefallen. Aber wie wichtig ist das Retax-Geschäft für die Kassen? Auf Nachfrage von DAZ.online sagte eine Sprecherin des GKV-Spitzenverbandes zwar, dass nicht bekannt sei, wie viel die Kassen jährlich durch Rezeptkürzungen einsparen.

Retax-Gelder waren zusätzliche Einnahmen

Allerdings stellte sie klar, dass die Kassen in ihrer finanziellen Handlungsfähigkeit nicht gefährdet seien, wenn Formretax wegfällt: „Wenn Kassen Rezepte ganz oder teilweise gekürzt haben, handelte es sich um zusätzliche Einnahmen der Kasse, jedoch nicht um Beitragsgelder. Es wäre sicher kein verlässliches Wirtschaften, wenn Kassen solche zusätzlichen Gelder fix im Jahresbudget einplanen.“

Der Kassenverband konnte auch nicht beziffern, welches Kassenlager am meisten einspart im Bereich „Retaxation“. Nur so viel: „Wie hoch die Einnahmen einzelner Kassen durch das Retaxieren von Rezepten waren, dürfte sehr unterschiedlich sein.“

Den am Montag zwischen dem Deutschen Apothekerverband und dem GKV-Spitzenverband geschlossenen Konsens zum neuen Rahmenvertrag begrüßt der Kassenverband. Offenbar erwarten auch die Kassen, dass es in Zukunft weniger Streitigkeiten mit den Pharmazeuten geben wird: „Für uns ist wichtig, dass es nun hoffentlich weniger Unsicherheit und Interpretationen geben wird. Davon profitieren alle Beteiligten“, erklärte die Sprecherin.

In Einzelfällen auch nach der Abrechnung heilbar

Erst in der gelebten Realität wird sich zeigen, wie sich der Retax-Deal auf das Apotheker-Kassen-Verhältnis auswirkt. Viele Punkte sind auch noch unklar. Fraglich ist beispielsweise, wie die Heilungsmöglichkeit des Apothekers genau ausgestaltet werden. Die Krankenkassen schließen es beispielsweise nicht aus, dass Apotheker auch nach der Abrechnung heilen können: „Im Fall, dass Vermerk und Sonderkennzeichen auf der Verordnung fehlen, kann der Apotheker einen objektivierbaren Nachweis im Beanstandungsverfahren erbringen“, erklärte die Sprecherin des GKV-Spitzenverbandes.

Dass es auch in Zukunft komplett gekürzte Zahlungen an Apotheker geben wird, wollte der GKV-Spitzenverband nicht ausschließen. Ein Beispiel für eine weiterhin noch mögliche Null-Retaxation sei es, wenn ein Rabattvertrag ohne Grund nicht beliefert werde, teilte der Kassenverband mit. Und auch auf die Frage, ob auch formale Fehler weiterhin zu Kürzungen führen können, antwortete die Sprecherin mit „Ja“. Denn: „Ein formaler Fehler, der auch künftig zu Retaxationen führen kann, wäre zum Beispiel die fehlende Unterschrift des verordnenden Arztes.“


Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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Kassen fordern Klarstellung zu Retax-Regeln

5 Kommentare

Nicht so pessimistisch

von Thomas Brongkoll am 26.05.2016 um 11:31 Uhr

Ersteinmal ist es an der Zeit, dem viel gescholtenen Kollegen Becker und seinen Mitstreitern zu Danken. Ohne den Vertrag gelesen zu haben bin ich erst einmal froh, dass die angesprochenen Veränderungen zu unseren Gunsten eingeleitet wurden. Sicher kann man mehr fordern (tue ich auch) und die Praxis wird zeigen, ob die haltung der GKV sich uns gegenüber positiv ändert. Aber es jedenfalls ein Verhandlungsergebnis, dass mich hoffen läßt, dass zukünftig wieder kooperativer mit einander umgegangen wird. Wir sollen uns natürlich jetzt nicht zurücklehnen, es gibt genug weitere Themen, aber ich hoffe, ein Anfang ist gemacht!
Danke Fritz Becker!

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Zuviele kryptische Spielregeln..es ändert sich gar nichts.

von Tilman La Roche am 26.05.2016 um 10:20 Uhr

Ich erkenne, dass obskure Einzelfälle sicherlich weniger werden... das sind die Fälle, die Retaxationen auch in der Presse in ein schlechtes Licht gerückt haben.
Aber für die Mehrheit der Nullretaxationen, die auf kleine menschliche Unkonzentriertheiten oder schlichtweg die Überforderung von einem normalen Mitarbeiter zurückzuführen sind, ändert sich gar nichts. Monatlich sind neue Spielregeln erfunden oder auferlegt worden, das kann man nicht zu 100% erfüllen.
Morgen werde ich wieder knapp 20 Rezepte einer neuen Klinik-Mitarbeiterin vorlegen, die ohne Berufsbezeichnung verordnet. Hätte ich das übersehen, bringen mir die Korrekturmöglichkeiten gar nichts.
Meine Mitarbeiter fragen, was sich nun ändert? Ich sage...gar nichts!

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AW: LIeber Herr La Roche,

von Benjamin Wessinger am 26.05.2016 um 10:30 Uhr

nach meinem Verständnis der neuen Regelungen darf wegen fehlender Facharzt-Bezeichnung eben gerade nicht mehr retaxiert werden - das Feheln hat weder Auswirkungen auf die Arzneimittel- oder Patientensicherheit noch wirtschaftliche Nachteile für die Kasse.
Aber das ist wohl AUslegungssache, denn die "Berufsbezeichnung" ist auch in dem Absatz der Heilungsmöglichkeiten explizit aufgeführt. Die Frage ist nun, ob das geheilt werden KANN oder MUSS?
Außerdem könnte es sein, dass die Forderung nach der Facharzt-Bezeichnung in einem Landes-Vertrag geregelt ist und deswegen zur Retaxation führen kann.
Lesetipp: https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2016/05/25/was-gilt

Retax-Deal?

von Heiko Barz am 25.05.2016 um 17:44 Uhr

Na, da ist es ja, das richtige Wort für dieses diffuse Vertragswerk.
RETAX-DEAL.
So ein ähnliches ' Abkommen ' kennen wir schon sprachtechnisch aus der hohen.Politik.
FLÜCHTLINS-DEAL mit der Türkei.
Das Wort Deal ist immer halbseiden und wird benutzt, um unangenehme Wahrheiten verschleiert darzustellen.
Brief und Siegel gebe ich, dass schneller als wir uns das vorstellen können, diese unangenehmen Wahrheiten ans Licht kommen werden.

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AW: Sieg der Apotheker?

von Drinhaus am 25.05.2016 um 18:42 Uhr

Leider kann ich mich der überwiegenden Euphorie auch nicht anschließen. Was die Wirtschaftlichkeit oder die Arzneimittelsicherheit betrifft, ist weiterhin überwiegend interpretationsfähig und wird auch in künftigen Retaxationen unterschiedlich beurteilt werden. Eindeutig geregelt sind überwiegend Probleme, die uns der Gesetz-oder Verordnungsgeber ohnehin schon zugestanden hat.
Auch das Recht zu Änderungen/Ergänzungen kann sich als Verpflichtung in einer Retax gegen uns wenden, wenn es nicht genutzt wird. Zuviele "wenn" und "aber" im neuen §3 des Rahmenvertrags, daher wird es künftig mehr den je auf klare, ergänzende Regelungen in den ergänzenden Verträgen ankommen. Ich würde mich gern vom Gegenteil überzeugen lassen, aber warten wir es ab.
Dieter Drinhaus,retaxfallen@gmx.de

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