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Die letzte Woche erträgt man nur mit Sekt! Wie ein Lauffeuer hat es sich auf WhatsApp verbreitet: Die ABDA macht einen Newsroom im Internet auf und will täglich über ihre Arbeit berichten. Außerdem: ABDA trinkt lieber Tee als sich Alternativen für eine mögliche Rx-Preisfreigabe zu überlegen. Und Rabattvertrags-Hermann will keine geschenkten Arzneimittel. Dies und mehr Groteskes in meinem lieben Tagebuch.
6. Juni 2016
Da braut sich ein mächtiges Gewitter in Luxemburg zusammen, es ziehen gar düstere Wolken über unsere Apothekenlandschaft herein – und unsere liebe ABDA bleibt optimistisch gelassen und hat ein fröhliches Liedchen auf den Lippen: Sie hält es nicht für sinnvoll, sich jetzt schon in Szenarien zu ergehen, was wäre, wenn der Europäische Gerichtshof den ausländischen Versandapotheken Rx-Boni erlaubt und damit die Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel kippt. Tja, mein liebes Tagebuch, manche haben die Ruhe weg. Und dann stehen sie vor einem Scherbenhaufen. ABDA-Präsident Schmidt hält es nicht für sinnvoll, schon jetzt einen Katalog von Alternativen zu arbeiten. Mit Verlaub, wann, wenn nicht jetzt, Herr Schmidt? Sein Gottvertrauen, dass die Politik das bestehende stabile System schon irgendwie erhalten werde, scheint unerschütterlich. Ehrlich gesagt, man muss ja nicht gleich den Untergang des Abendlandes sehen, aber dieses Vertrauen habe ich nicht. Ein Blick zurück auf die letzten zehn, zwanzig Jahre zeigt, dass die Politik mitnichten das Apothekensystem konservierte: Sie ließ immer mehr Liberalisierung zu. Dachte man anfangs nicht, die liebe Politik würde Rx-Arzneimittel im Versandhandel verbieten? Pfeifendeckel! Ich bin mir nicht sicher, wie lange die Politik den Sirenengesängen von liberalen Ökonomen noch standhält. Das Handelsblatt erwartet bereits eine „Liberalisierung durch die Hintertür – und ist sich „ziemlich sicher“, dass der EuGH die Rx-Preise freigibt. Der gesundheitspolitische Redakteur des Handelsblatts, Peter Thelen, sieht sogar die Debatte um die Apothekenketten „durch die Hintertür zurückkehren“.
Mein liebes Tagebuch, wäre es nicht gerade jetzt ein Signal der Apothekerinnen und Apotheker zu fordern, den Versandhandel mit Rx zu verbieten? Auch mit Blick auf das EuGH-Verfahren. Aber, lasst uns keinen Aktionismus an den Tag legen, schenken wir uns einen Eisenkraut-Tee aus der ABDA-Alfi-Kanne ein und warten ab.
Die Büromöbelhersteller freuen sich über Kunden wie die ABDA. Laufend Aufträge über neue Schreibtische und Bürosessel, die sie ins Lindencorso schleppen dürfen, sind ihnen gewiss. In diesem Haushaltsjahr hat die ABDA bereits drei neue Stellen für den Aufbau der Telematik-Infrastruktur geschaffen, außerdem neun Arbeitsplätze für Mitarbeiter, die bei der Vermögensverwaltung deutscher Apotheker (VGDA) angestellt waren. Und im kommenden Jahr sollen noch vier weitere hauptamtliche Mitarbeiter eingestellt werden für die Öffentlichkeitsarbeit, das Verbandssekretariat und die Abteilung Verträge. Kein Wunder, wenn da die Personalkosten nach wie vor der größte Posten im Haushalt sind. Mein liebes Tagebuch, gibt ja auch viel zu tun. Und Stellen für IT und Öffentlichkeitsarbeit sind in der heutigen Zeit nie verkehrt. Dann soll im kommenden Jahr außerdem der Etat für die Öffentlichkeitsarbeit steigen auf 3,6 Mio. Euro. Insgesamt liegt das Budget dann bei 17,7 Mio. Euro (für 2016 waren 17,2 Mio. Euro veranschlagt). Finanziert werden soll der Budgetanstieg durch eine Erhöhung der Mitgliedsbeiträge um 3,3 Prozent. Ach, mein liebes Tagebuch, alles richtig, alles wichtig. Wenn nur die Apothekenerträge und Gehälter auch so schön wachsen würden. Und irgendwie kommt dann so ein leises, unbestimmtes Gefühl auf: Was finanzieren wir eigentlich alles mit unseren Beiträgen? Wird etwas besser, wenn der Riesenapparat noch größer wird?
Oder sollte man lieber gleich richtig „big“ denken: Lasst uns unsere Strukturen verschlanken. Wir brauchen keine 17+17-Struktur an Kammern und Verbänden. 4+4 tät’s auch plus die Zentrale. Und dann lasst uns hauptamtliche Manager und Politprofis an die Spitze setzen, die ihr Handwerk verstehen, politisch bestens vernetzt sind, ordentlich bezahlt werden und die unsere Interessen vertreten, flankiert von ein paar Ehrenamtlichen für Repräsentations- und Kontrollzwecken. Und weil gerade die EM läuft: Im letzten Spiegel habe ich dazu ein schönes Zitat von Thomas Strunz gelesen, ehemaliger Nationalspieler und jetzt Spielerberater. Er meint: „Im Amateurbereich arbeiten Ehrenamtliche, aber Profivereine sind professionell geführte mittelständiges Unternehmen. Dies ist von Ehrenamtlichen nicht zu leisten. Wer das glaubt, stammt aus einer anderen Zeit.“ Mein liebes Tagebuch, da stammt die ABDA aus einer anderen Zeit…
7. Juni 2016
Wow, das ist der Hammer, mein liebes Tagebuch, ich glaub’s noch nicht: Die ABDA will selbst Nachrichten machen! 1 (in Worten eine) neue Vollzeitstelle soll hierfür geschaffen werden, die Online-Präsenz ausgebaut werden (Vorsicht ABDA, das ist Neuland!) und ein „Newsroom“ geschaffen werden (liebe ABDA, darunter versteht man übrigens keinen Lagerraum für alte PZ- und DAZ-Ausgabe, gell?). Was soll bei diesem Urknall in der ABDA-Kommunikation passieren? Ab 2017 soll die „Außendarstellung der ABDA gegenüber Medien, Fachöffentlichkeit und Politik“ intensiviert werden.
Ja, jetzt aber! Also, geplant ist eine Internetseite (genannt „newsroom“) auf abda.de, die „über täglich neue Nachrichten und Informationen die Arbeit, Leistung und politischen Ziele des ABDA-Verbundes konsequent darstellen und unterstützen soll“. Hhmm, mein liebes Tagebuch, klingt erstmal gut, oder? Aber gibt’s die denn, die täglich neuen Nachrichten von der ABDA? Und die Leistung und die politischen Ziele des ABDA-Verbundes? Da sind wir schon mal so was von gespannt drauf. Vielleicht haben wir das bisher alles nur nicht gesehen, weil es keinen Newsroom gab.
8. Juni 2016
Nein, Lutz Engelen war nicht schuld daran, dass seine Delegierten ihm bei der Abstimmung über die Zustimmung zum ABDA-Haushalt nicht folgen wollten. Er plädierte für Zustimmung zur Erhöhung des ABDA-Haushalts, zumal er weiß, dass seine Kammer selbst den Ausbau der Öffentlichkeitsarbeit und der Telematik-Infrastruktur gefordert hatte. Außerdem: Der liebe Lutz und der liebe Friedemann vertragen sich doch wieder, auch wenn der liebe Lutz schon mal aus der ABDA austreten wollte. Aber beim erhöhten ABDA-Haushalt wollten ihm seine Delegierten nun doch nicht folgen. Engelen wird demnach auf der Mitgliederversammlung der ABDA Ende Juni gegen die jetzige Form des ABDA-Haushalts stimmen müssen. Sein Kommentar dazu: Tja, so ist Demokratie.“ Tja, mein liebes Tagebuch, so ist’s. Manchmal sieht das Volk es anders. Vielleicht auch bei der Sache mit dem EuGH-Verfahren und dem möglichen Fall der Rx-Preisbindung. Hier meinte Lutz Engelen in Übereinstimmung mit Friedemann Schmidt: „Jetzt ist nicht die Zeit, die Flinte ins Korn zu werfen“, so Engelen. Es sei höchst unwahrscheinlich, dass der EuGH seine bisherige Linie verlasse und die Preisbindung für ausländische Versandapotheken untersage. Oh, mein liebes Tagebuch, woher er dieses Gottvertrauen nimmt?
Arzneimittel über WhatsApp vorbestellen oder das Rezept abfotografieren und schon mal zum Vorbereiten an die Apotheke schicken? Immer mehr Apotheken bieten das ihren Kunden an und die Kunden nutzen es gerne: Es geht einfach und ist bequem. Die Apotheke kann das Arzneimittel schon mal besorgen und als Kunde muss man nicht zweimal kommen. Also, warum nicht? Mein liebes Tagebuch, vom WhatsApp-Dienst ist bekannt, dass er es mit dem Datenschutz nicht so genau nimmt. Das Bundesdatenschutzgesetz ist für WhatsApp ein Fremdwort. Wer den Dienst nutzt, muss wissen, dass sein gesamtes Telefonbuch, alle Kontakte ausgelesen werden. Und auch sonst: Wer WhatsApp nutzt, muss wissen, dass er das, was er damit verschickt, auch gleich öffentlich machen kann. Datenschutz –Fehlanzeige. Die Arzneimittel, die Rezepte – der Nachrichtendienst sieht alles, weiß alles, nutzt alles. Und die NSA sowieso. Wer das unbedingt möchte und sich nicht davon abbringen lassen möchte, bitteschön. Mein liebes Tagebuch, so schnell kann’s gehen: Für die Apotheke bricht da eine neue Welt an. Wir müssen uns endlich in den neuen Medien fit machen. Wir müssen unsere Kunden beraten, wie sie am besten mit uns kommunizieren. Also, wenn einer nicht unbedingt darauf besteht: abraten von WhatsApp. Ansonsten gibt’s auch andere Wege wie E-Mail, SMS oder Skype, die zwar auch nicht die allersichersten sind, aber allemal besser als WhatsApp. Oder man empfiehlt dem Kunden eine echte Apotheken-App, z. B. apotheken.de - auch damit kann man Rezepte abfotografieren und Arzneimittel vorbestellen.
9. Juni 2016
Entlassrezept - eigentlich eine gute Sache für Patienten, die aus dem Krankenhaus entlassen werden, sollte doch irgendwie zu managen sein. Dachte man. Von wegen! Das Problem liegt u. a. bei den Krankenhausärzten. Weil die Klinikärzte die Verordnung auf GKV-Rezepten nicht gewohnt sind, befürchtet die ABDA nun, dass viele fehlerhafte Rezepte ausgestellt und die Apotheken dafür retaxiert werden. Außerdem sollten sich der Krankenkassenverband, die Krankenhausgesellschaft und die Kassenärztliche Bundesvereinigung über diese Details verständigen und einigen, haben das aber nicht geschafft. Und nun soll wieder eine Schiedsstelle entscheiden, wie’s weitergeht. Apotheker dürfen nicht unmittelbar mitreden, sondern nur in Form einer Stellungnahme.
Und deshalb will die ABDA nun einen Juristen einstellen, der die Verhandlungen im Sinne der Apotheker „beeinflussen“ soll. (Täte es da nicht ein bezahlter Externer?) Mein liebes Tagebuch, ist das alles nicht irre? Man kann es auf den Punkt bringen: Es scheint unmöglich zu sein, dass sich Ärzte, Kassen und Apotheker über das richtige Ausstellen eines Rezepts einigen. Da müssen die Apotheker einen hochdotierten Juristen einstellen, der Verhandlungen in die richtige Richtung beeinflusst. Apropos Retaxationen: Solche fehlerhaft ausgestellten Rezepte sollten eigentlich in Zukunft nicht mehr zur Retaxation führen. Andererseits müssten wir sie dann in der Apotheke korrigieren, dem Klinikarzt hinterhertelefonieren usw, was auch eine lästige Aufgabe wäre. Vielleicht hätte man einfach ein neues Entlassrezeptformular entwerfen sollen mit eindeutigen Feldern, ein Formular, das auch Klinikärzte ausfüllen können. Manchmal wünscht man sich das elektronische Rezept.
10. Juni 2016
Noch sowas Groteskes: Einst konnten die Rabattarzneimittelangebote für den Gottvater aller Rabattverträge, dem Vorsitzenden der AOK Baden-Württemberg, Christopher Hermann, nicht billig genug sein. Über Ausschreibungen zwang er Pharmafirmen in eine Spirale nach unten, immer nur billiger sollte es so sein. Und die Firmen boten so billig an, dass sie die Arzneimittel fast nicht mehr rechtzeitig in der gewünschten Menge liefern konnten. Jetzt kommt eine Firma, das Unternehmen Mibe, und will die Antibabypille der AOK und ihren versicherten Frauen bis zum 20. Lebensjahr schenken - und Hermann sagt Nein! Zumindest versucht er, Nein zu sagen. Er möchte die geschenkten Pillen nicht. Das sei Preisdumping und ein dreistes Geschäftsmodell, meint Hermann, andere Mitbewerber würden vom Markt gedrängt. Denn später würden Frauen bei dem ihnen vertrauten Präparat bleiben. Aber, aber Herr Hermann, auf einmal so mitfühlend? Außerdem ist das noch lange nicht gesagt, dass Frauen nicht doch mal wechseln. Mibe wollte sich das nicht gefallen lassen und ist sogar vor die Vergabekammer des Bundes gegangen – und hat Recht bekommen. Das Oberlandesgericht hat nun entschieden, dass die Kasse das supergünstige Angebot annehmen muss. Hermann will weiter prüfen, ob er sich dagegen rechtlich wehren kann. Mein liebes Tagebuch, irgendwie putzig, dieser Streit.
11 Kommentare
Je nachdem, von welcher Seite man es sieht ...
von Reinhard Herzog am 12.06.2016 um 13:49 Uhr
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NRW: Wendepunkt DAV-Kammern-ABDA?
von Wolfgang Müller am 12.06.2016 um 12:47 Uhr
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Selbst erfüllende Prophezeiung oder perpetuum mobile?
von Kerstin Kemmritz am 12.06.2016 um 12:34 Uhr
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ABDA Haushalt
von Dr .DIEFENBACH am 12.06.2016 um 12:34 Uhr
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AW: TOP
von gabriela aures am 12.06.2016 um 12:51 Uhr
ABDA Haushalt
von Dr .DIEFENBACH am 12.06.2016 um 12:33 Uhr
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Verschwörungstheorie ?
von gabriela aures am 12.06.2016 um 12:06 Uhr
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Struktur
von Dr.Diefenbach am 12.06.2016 um 10:39 Uhr
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Nölige Gattin...
von gabriela aures am 12.06.2016 um 10:07 Uhr
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AW: Dann gibt es nur..
von Christiane Patzelt am 12.06.2016 um 10:23 Uhr
Aktuelle Effizienz von 34 Landesorganisationen
von Ulrich Ströh am 12.06.2016 um 8:46 Uhr
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