- DAZ.online
- News
- Spektrum
- EU-Staaten stimmen über ...
Trotz Brexit-Chaos: Für Freitagmittag steht eine weitere wichtige Entscheidung in der EU an: Schon seit längerem ringen Politiker um die Zukunft des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat. Die EU-Kommission hatte eine Neuzulassung für mehrere Jahre vorgeschlagen, konnte damit aber unter den EU-Staaten nicht die nötige Mehrheit erreichen. Jetzt muss die Entscheidung kommen.
Vertreter der EU-Staaten sollen an diesem Freitag über eine verlängerte Zulassung für den umstrittenen Unkrautvernichter Glyphosat abstimmen. Das Treffen beginnt mittags. Es galt im Vorfeld als wahrscheinlich, dass dabei nicht die nötige Mehrheit zustande kommt. Damit läge die Entscheidung bei der EU-Kommission.
Die Brüsseler Behörde hat eine Verlängerung der aktuellen Zulassung um 18 Monate vorgeschlagen. In dieser Zeit soll die europäische Chemikalienagentur Echa ein Gutachten zu möglichen Gefahren des Unkrautkillers erstellen.
Glyphosat ist unter Experten hoch umstritten und steht im Verdacht, Krebs zu erregen. Die Substanz ist der weltweit am meisten eingesetzte Wirkstoff in Pflanzenschutzmitteln. In Deutschland kommt er auf rund 40 Prozent der Felder zum Einsatz.
Dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zufolge wurden 2014 in der Bundesrepublik 5426 Tonnen des Wirkstoffs verkauft, davon 95 Tonnen an Privatpersonen. Dabei werden Glyphosat oft noch andere Stoffe beigemischt. Diese sind nach Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) zum Teil giftiger als das Glyphosat selbst.
Die unterschiedlichen Bewertungen von Glyphosat
In den vergangenen Monaten haben gleich vier angesehene Institutionen Bewertungen abgegeben, ob Glyphosat nun als krebserregend eingestuft werden soll oder nicht - mit teils unterschiedlichen Ergebnissen. Ein Überblick:
Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewerung (BfR) ist der Ansicht, „dass beim Menschen bei einer sachgerechten Anwendung in der Landwirtschaft keine krebserzeugenden, erbgutverändernden oder entwicklungsschädigenden Risiken von Glyphosat zu erwarten sind“ . Für die gesundheitliche Bewertung hat das BfR nach eigenen Angaben mehr als 1000 Studien, Dokumente und Veröffentlichungen ausgewertet. Umweltschützer und Aktivisten werfen dem BfR hingegen vor, die Gesundheitsgefahren von Glyphosat zu verharmlosen. Das deutsche Institut hat die Federführung beim Zulassungsverfahren für Glyphosat in der Europäischen Union.
Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) schätzte Glyphosat im vergangenen Jahr als wahrscheinlich krebserregend ein. Die IARC, eine Behörde der Weltgesundheitsorganisation (WHO), sieht bei Menschen eingeschränkte Belege dafür, dass Glyphosat Krebs erzeugen kann. Bei Tierversuchen gebe es ausreichende Belege für einen solchen Effekt. Insgesamt stuften die IARC-Experten Glyphosat in die zweithöchste Risikokategorie ein („wahrscheinlich krebserregend beim Menschen“). Die IARC bewertete, wie stark die Beweise dafür sind, dass Glyphosat Krebs auslösen könnte. Das ist nicht das Gleiche wie das Risiko, durch das Mittel tatsächlich an Krebs zu erkranken.
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) kam Ende 2015 zu einem anderen Urteil: Glyphosat stelle wahrscheinlich keine Gefahr für den Menschen in Bezug auf Krebs dar. Man habe mehrere Studien bewertet, die von der IARC nicht mit einbezogen wurden, heißt es bei der Efsa. Zudem bewertete die Efsa nur die Wirkung von Glyphosat selbst, die IARC nahm auch Mittel unter die Lupe, in denen Glyphosat enthalten ist. Die Efsa-Fachleute schlagen vor, einen neuen Grenzwert für die akute Aufnahme von Glyphosat, zum Beispiel während einer einzigen Mahlzeit, von 0,5 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht festzulegen. Das Urteil der Efsa ist wichtig für die EU-Neuzulassung. Die aktuelle Zulassung endet am 30. Juni.
Im Mai lieferte eine weitere WHO-Institution eine Einschätzung. Es sei unwahrscheinlich, dass Glyphosat bei der Nahrungsaufnahme ein Krebsrisiko für Menschen darstellt. Untersuchungen an Nagern hätten ergeben, dass für Menschen relevante Dosen nicht krebserregend seien. Laut den JMPR-Experten ist aber die Möglichkeit nicht auszuschließen, dass Glyphosat in sehr hohen Dosen bei Mäusen Krebs erzeugen kann.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.