Fraktionsübergreifender Antrag

Demenzkranke müssen weiterhin von Forschung profitieren

Berlin - 28.06.2016, 18:00 Uhr

Forschung an Demenzkranken soll nur erlaubt sein, wenn diese den Patienten nützt. In diesem Punkt sind sich Politiker aller Fraktionen im Bundestag einig. (Foto: dpa)

Forschung an Demenzkranken soll nur erlaubt sein, wenn diese den Patienten nützt. In diesem Punkt sind sich Politiker aller Fraktionen im Bundestag einig. (Foto: dpa)


Bundestagspolitiker aller Fraktionen sprechen sich gegen Forschung an Demenzkranken aus, die diesen selber nicht nützt. Gesundheitsminister Hermann Gröhe und Forschungsministerin Johanna Wanka wollten das 4. AMG-Änderungsgesetz nutzen, um Arzneimitteltests an Patienten mit geistigen Beeinträchtigungen zu erlauben. Kippt die Freigabe in letzter Minute wieder? 

Unter welchen Umständen dürfen klinische Studien an Erwachsenen durchgeführt werden, die aufgrund von Beeinträchtigungen selber nicht zustimmen können? Bisher ist diese Forschung in Deutschland verboten – außer die Probanden haben selber einen direkten Nutzen aus der Teilnahme. Gegen die Pläne der Bundesregierung, dies im Rahmen des Vierten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften zukünftig zu erlauben, haben Patientenschützer, Kirchen und einige Gesundheitspolitiker Sturm gelaufen. Nun haben Politiker aller Fraktionen einen Änderungsantrag eingereicht, der das Verbot aufrecht erhalten soll.

„Es ist uns gelungen einen fraktionsübergreifenden Änderungsantrag zu formulieren, der auf die Beibehaltung der bestehenden Rechtslage abzielt“, schreiben Kordula Schulz-Asche (Grüne), Ulla Schmidt (SPD), Uwe Schummer (CDU) und Kathrin Vogler (Linke). Die Politiker wollen mit Nachdruck um weitere Unterstützer werben, „damit auch zukünftig eine Forschung an Nichteinwilligungsfähigen nur erlaubt wird, wenn die Betroffenen einen individuellen medizinischen Vorteil von ihrer Teilnahme haben“. Mit ihrem Änderungsantrag wollen die Antragsteller die „hohen Schutzstandards“ erhalten, die es in Deutschland für Studien an Nichteinwilligungsfähigen gibt. 

Ethische Grundsätze erhalten

Der Antrag sieht die Formulierung vor, die auch schon im Referentenentwurf des Gesetzes stand: Es müssen wissenschaftliche Gründe vorliegen, dass ein direkter Nutzen für den betroffenen Probanden zu erwarten ist und dieser die Risiken und Belastungen überwiegt. Ohne inhaltliche Begründung für die Änderung sah der Gesetzentwurf der Regierung vor, dass unter bestimmten Umständen – beispielsweise bei Vorliegen einer früheren Zustimmung – Studien auch ohne Eigennutzen an nicht-Einwilligungsfähigen erlaubt werden.

Das fortgesetzte Verbot schaffe Rechtssicherheit, sei ein Gewinn für die Patientensicherheit und entspräche den Forderungen von Behindertenverbänden, Patientenorganisationen, Mitgliedern der Ethikkommission und den Kirchen, erklären die Politiker um Schulz-Asche, die den Antrag initiiert hat. „Bereits 2013 hatte sich der Bundestag mit den Stimmen aller Fraktionen dafür ausgesprochen, das bestehende Schutzniveau für die besonders vulnerable Personengruppe der Nichteinwilligungsfähigen, zum Beispiel Demenzerkrankte, zu erhalten“, schreiben sie. „Diese ethischen Grundsätze für die Forschung am Menschen dürfen deshalb auch in Zukunft nicht infrage gestellt werden.“

Kein Bedarf für Aufweichungen

Während teilweise argumentiert wurde, dass die neue EU-Verordnung für klinische Studien mehr Handlungsspielraum schaffe, betonen die Kritiker nun, dass dieser nicht genutzt würde. Darüber hinaus bestünde keine Notwendigkeit, „da es bislang keine bekanntgewordenen Fälle gibt, in denen ein Forschungsvorhaben am Fehlen einer solchen Möglichkeit der gruppennützigen Forschung gescheitert ist“, schreiben die Politiker. So hatte der Verband der Forschenden Arzneimittelhersteller (vfa) erklärt, aus Sicht der Mitglieder bestünde keine Möglichkeit für die Aufweichung. Jedoch hatten akademische Forscher Bedarf für gruppennützige Forschung angemeldet.

Hingegen verweisen die fraktionsübergreifenden Antragsteller, dass durch die EU-Verordnung ohnehin eine Abschwächung des Schutzes individueller Probanden erfolge: Bisher erlaubte das Arzneimittelgesetz Studien an nicht-einwilligungsfähigen Erwachsenen nur, sie sich unmittelbar in einem lebensbedrohlichen oder sehr geschwächten klinischen Zustand befinden. Diese Einschränkung sei „leider“ nicht mehr möglich, da laut EU-Verordnung Studien schon dann erlaubt, wenn der Teilnehmer unter seinem klinischen Zustand „leidet“. „Eine weitere belastende Ausweitung der Grenzen für die Forschung an dieser Personengruppe gilt es daher unbedingt zu vermeiden“, schreiben die Bundestagsabgeordneten.

Die Entscheidung soll bald fallen

In der kommenden Woche soll das 4. AMG-Änderungsgesetz – samt verschiedener ethisch umstrittener Änderungen und DrEd-Verbot  – verabschiedet werden. Bis Montag sollen möglichst viele Unterstützer für den fraktionsübergreifenden Antrag gesammelt werden. Innerhalb der Unionsfraktion hatten sich zuvor verschiedene Politiker auf einen anderen Vorschlag geeinigt, der ähnlich ausfällt wie ein Kompromissvorschlag von SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach: Vor einer Studienteilnahme müssten Probanden nach umfassender Aufklärung in einem Dokument festhalten, dass sie später an Studien zu ihrer Erkrankung teilnehmen wollen –  auch wenn diese ihnen persönlich nicht nutzen. 



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Widerstand gegen Arzneimitteltests an wehrlosen Patienten

von Hans Christoph am 30.06.2016 um 12:46 Uhr

Hoffentlich findet der Widerstand einiger weniger Bundestagsabgeordneter, gegen die weitere Entrechtung von Menschen mit geistiger Behinderung, noch weitere Mitstreiter für Menschlichkeit !!! Mit diesem menschenverachtenden Gesetzentwurf soll die seit Jahrzehnten " klamm heimlich " bereits praktizierte Praxis ?
auch noch legalisiert werden ; siehe unmenschliche und korrupte Zusammenarbeit zwischen Pharma und der DDR
Führung.
Wehret dieser unheiligen Allianz zwischen Pharma und Politik ........

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