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UN-Sonderbeauftragter
Auch Apotheker haben Gewissensfreiheit
Manchmal gibt es tragische Konsequenzen für Apotheker
DAZ.online: Inwiefern können Apotheker ihre Gewissensfreiheit geltend machen?
Bielefeldt: Aus der Sicht der Menschenrechte ist dies ein schwieriges Feld, zu dem es international bislang wenig Rechtsprechung gibt. Im Jahr 2001 scheiterten zwei Apotheker aus Frankreich vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Sie hatten sich aus religiösen Gründen geweigert, bestimmte empfängnisverhütende Mittel zur Verfügung zu stellen, obwohl sie dazu gesetzlich verpflichtet waren. Der Straßburger Gerichtshof erläuterte dazu Folgendes: Solange der Verkauf von Kontrazeptiva in einem Land legal sei und diese nur in Apotheken auf Rezept zu erhalten seien, könnten Apotheker ihre religiösen Überzeugungen anderen nicht aufdrängen. Ich kann dies gut nachvollziehen. Denn Apotheken sind ja nicht irgendwelche Läden, die der Besitzer nach eigenem Gusto bestücken kann, sondern sie erfüllen eine gesetzlich normierte öffentliche Funktion.
Das heißt aber nicht, dass die Gewissensfreiheit von Apothekern im Rahmen ihrer Berufstätigkeit generell aufgehoben wäre. Die Gewissensfreiheit ernst nehmen heißt, jeden Fall auf seine Besonderheiten hin abzuklopfen. Ziel muss es sein, einen möglichst schonenden Ausgleich zwischen allen menschenrechtlichen Ansprüchen zu leisten, zu denen im Zusammenhang von Apotheken ja auch das Menschenrecht auf verlässlichen Zugang zur Gesundheitsversorgung zählt. Die Gewissensfreiheit von Apothekern ist Bestandteil einer sehr komplexen Gesamtbetrachtung.
DAZ.online: Ein Berliner Apotheker erregt viel Aufsehen, weil er Hinweiszettel in Kondompackungen steckt und die „Pille danach“ nicht verkaufen möchte. Es gab beispielsweise Farbbeutelattacken auf seine Apotheke.
Bielefeldt: Die Hinweiszettel in Kondompackungen finde ich eher harmlos. Es mag Leute geben, die sich darüber aufregen – aber Kondome bekommt man ja in jeder zweiten Herrentoilette. Vermutlich verliert der Apotheker durch seine Aktion einen Teil seiner Kundschaft, was er offenbar in Kauf nimmt. Die Verweigerung der „Pille danach“ hat für alle Betroffenen sicherlich erheblich höheres Gewicht. Ob es möglich ist, hier einen schonenden Ausgleich der Interessen zu finden, weiß ich nicht. Unter dem Gesichtspunkt der Gewissensfreiheit wäre es wichtig, zumindest ernsthaft nach Auswegen zu suchen, aber eine Erfolgsgarantie dafür gibt es nicht.
Wenn ein Apotheker aufgrund seiner Gewissenslage mit gesetzlichen Reglungen in unüberwindbaren Konflikt gerät, kann es passieren, dass er seinen Beruf nicht mehr ausüben kann. Auch das Recht, nach seinem Gewissen zu handeln, stößt dort auf Schranken, wo elementare Rechte anderer Menschen auf dem Spiel stehen.
DAZ.online: Der Geschäftsführer der Landesärztekammer Berlin schrieb, dass eine Abgabeverweigerung aus Gewissensgründen in Deutschland unzulässig sei. Jeder angehende Pharmazeut müsse sich vor dem Studium über die Gesetzeslage informieren – und notfalls ein anderes Berufsfeld wählen, um den Gewissenskonflikt zu vermeiden.
Bielefeldt: Das ist natürlich eine sehr weitreichende Forderung, der ich mich nicht anschließen möchte. Man könnte auch geneigt sein zu argumentieren: Abtreibungen gehören zur Arbeit im Krankenhaus – wer sich dafür entscheidet, muss sich darauf einlassen. So einfach ist das aber nicht. Es ist auch Aufgabe von Institutionen, stets zu schauen, ob es nicht Möglichkeiten zur Vermeidung von Gewissenskonflikten in absehbaren Konfliktlagen gibt. Auch wenn sie nicht immer zu verhindern sind und es manchmal tragische Konsequenzen für den Einzelnen gibt: Zu sagen, entweder machst du mit oder du musst deinen Job an den Nagel hängen, wäre sicherlich zu simpel.
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