- DAZ.online
- News
- Pharmazie
- Wirkte das alternative ...
3-Bromopyruvat
Wirkte das alternative Krebsmittel tödlich?
Drei Patienten des „Biologischen Krebszentrums Bracht“ starben nach der Therapie eines Heilpraktikers. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, die Polizei warnt weitere Patienten. Ist die Substanz 3-Bromopyruvat schuld, die auch einige Wissenschaftler als vielversprechend ansehen? Nach Recherchen von DAZ.online wurde sie bislang nur an zwei Patienten kontrolliert getestet – auch in Deutschland.
Die Bilanz ist verheerend: Nachdem ein Heilpraktiker in einem „Biologischen Krebszentrum“ in Brüggen-Bracht an der niederländischen Grenze am 25. Juli fünf Patienten behandelte, starben drei Personen – zwei weitere wurden in eine Klinik eingeliefert. Belgische, niederländische und deutsche Ermittler warnten weitere Patienten, die sich von dem Heilpraktiker behandeln ließen, sie sollten sich dringend melden. Nach Medienberichten soll der Heilpraktiker die Patienten mit Vitaminen behandelt haben, als sie erste Symptome zeigten – anstatt den Notarzt zu rufen. Er versprach zwischenzeitlich, mit den Ermittlungsbehörden zu kooperieren.
Effektiver als alle Chemotherapeutika?
Unklar ist derzeit die Todesursache der Patienten. Der Heilpraktiker wirbt auf seiner Homepage mit der Behandlung durch die Substanz 3-Bromopyruvat (3-BP), welche er zu einem Preis von knapp 10.000 Euro über 30 Tage verabreicht hat. „Das aktuell beste Präparat zur Tumorbehandlung zeigt sich in der Nutzung von 3-Bromopyruvat, das effektiver ist, als die heutigen Chemotherapeutika“, schreibt der Heilpraktiker. Es blockiere den Zuckerstoffwechsel, „die Krebszelle geht daraufhin zugrunde“. Durch zusätzliche, nicht näher beschriebene Präparate in der Infusion will er das Einschleusen von 3-BP in die Tumorzelle erleichtern. „Es ist nicht toxisch für gesunde Zellen und vergiftet somit nicht den Körper“, erklärt der Heilpraktiker.
Zwar gibt es einige Studien zu 3-BP, doch wurde es bisher offenbar nie systematisch am Menschen getestet. Nach Recherchen von DAZ.online liegen zwei wissenschaftliche Artikel vor, in denen der Einsatz an jeweils einem Patienten beschrieben wurde. Ein Artikel im vom Wissenschaftsverlag „Springer“ herausgegebenen „Journal of Bioenergetics and Biomembranes“ von 2012 berichtet einen Erfolg bei einem 16-jährigen Jungen mit schwerem Leberkrebs. Die überwiegend US-amerikanischen Autoren beschreiben 3-BP als „potentes und spezifisches“ Krebsmittel, dass erfolgreich vom Radiologen Thomas J. Vogl an der Uniklinik Frankfurt am Main eingesetzt wurde.
Große Hoffnungen bei unbehandelbaren Patienten
Der Patient habe nach der Behandlung trotz seiner schweren Erkrankung mindestens ein Jahr länger gelebt als von Ärzten vorhergesagt. Die künstliche Ernährung wurde unnötig, auch habe er seinen Rollstuhl verlassen können – mit 18 Jahren starb er jedoch. „Der Patient konnte viel länger und mit einer besseren Lebensqualität leben, als erwartet wurde“, schreiben die Autoren – darunter auch Vogl. „Dies kann klar der Behandlung mit 3-BP zugeschrieben werden.“
Auch die Biologin Ingrid Herr vom Uniklinikum Heidelberg forscht an 3-BP. Vor drei Jahren bat sie zusammen mit einer Heidelberger Chirurgie-Stiftung um Spenden für eine Zählmaschine, die sie zur Analyse eines „neuen vielversprechenden Medikamentes“ einsetzen wollte. Das Ergebnis bei dem Frankfurter Jungen „weckt große Hoffnung bei Patienten mit fortgeschrittenen Tumoren, welche auf herkömmliche Therapien nicht mehr reagieren“, schrieb sie.
Toxische Nebenwirkungen von 3-BP
Herr erklärt sich die Wirkung von 3-BP über den „Warburg-Effekt“, der nach dem gleichnamigen Nobelpreisträger benannt wurde: Bei Tumorzellen sei ein stark erhöhter Zuckerstoffwechsel zu beobachten, welcher sich durch die Substanz hemmen ließe. Insbesondere extrem bösartige Krebszellen mit Stammzelleigenschaften würden zuckerabhängig wachsen – und durch die Behandlung mit 3-BP angegriffen.
Doch für einen Einsatz am Menschen sei es noch zu früh, erklärt Herr auf Nachfrage, da der Wirkstoff „nicht nur den Zuckerstoffwechsel hemmt, sondern auch alkylierende Eigenschaften und damit toxische Nebenwirkungen wie eine Chemotherapie haben kann.“ Damit ähnelt es zahlreichen klassischen Chemotherapeutika, die auf den alkylierenden Eigenschaften der Wirkstoffe basieren. Beispiele für Alkylanzien sind Cyclophosphamid, Bendamustin oder Darcabazin.
Ihre tierexperimentellen Daten sprächen für eine Weiterentwicklung von 3-BP in ein Medikament, sagt Herr, doch müsse die Substanz chemisch modifiziert werden, um die Verträglichkeit zu optimieren.
Warum gibt es so wenig Studien?
„Komisch“ findet die Ärztin jedoch, dass trotz der Erfolge an dem Frankfurter Patienten keine weiteren positiven Berichte über 3-BP veröffentlicht wurden. Der andere, Herr nicht bekannte wissenschaftliche Artikel zum Einsatz von 3-BP erschien 2014 im „Chinese Journal of Cancer“: Forscher aus Ägypten berichten, dass ein 28-jähriger Mann mit metastasierendem Hautkrebs im Stadium IV mit dem Wirkstoff behandelt wurde. Doch die Effektivität der Infusionen sei „gering“ gewesen, schreiben die Wissenschaftler.
„Es gibt viele Substanzen, die in der Präklinik vielversprechende Ergebnisse zeigen, sich jedoch in den klinischen Prüfungen nicht bewähren“, sagt Susanne Weg-Remers, Leiterin des Krebsinformationsdienstes in Heidelberg, gegenüber DAZ.online. Auch andere Wirkstoffe mit Evidenzlage seien von alternativmedizinischer Anbietern eingesetzt worden – auch wenn noch in den Sternen steht, ob sich der Wirkstoff zur Marktreife entwickeln lasse.
Ermittlungskommission „Brom“ ermittelt
„Alternativmedizinische Behandlungsverfahren sind problematisch, wenn sich Patienten aus Angst vor der Schulmedizin von dieser abwenden und sich nur auf die Alternativmedizin verlassen“, sagt Weg-Remers. „Sie verpassen damit möglicherweise eine Heilungschance.“
Die Ermittlungskommission „Brom“ arbeitet aktuell daran, die Todesfälle aufzuklären. Ob die unerwünschte Nebenwirkungen der Substanz 3-BP tatsächlich ursächlich waren, bleibt abzuwarten – auch Verunreinigungen oder andere verabreichte Substanzen könnten hierfür verantwortlich sein. Derweil hat die Heidelberger Chirurgie-Stiftung den Spendenaufruf mit dem Hinweis auf den „neuen vielversprechenden“ Wirkstoff vom Netz genommen – allerdings nur, da sich das Design des Internetauftritts zwischenzeitlich geändert habe, wie die Stiftung versichert. Die Ethikkommission an der Uniklinik in Frankfurt, die den Heilversuch mit dem 16-jährigen Patienten genehmigt hatte, meldete sich am Freitagnachmittag auf eine Anfrage von DAZ.online nicht zurück.
6 Kommentare
Belege Wirksamkeit Chemotherapie
von Rudolfo am 15.08.2016 um 17:12 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Eine Dr. biol. (Prof. Herr) ist keine Ärztin
von Ilka Elisa am 08.08.2016 um 13:38 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Unsinniger Artikel
von Andreas Bayer am 08.08.2016 um 12:27 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Wo sind die Argumente?
von Martha am 10.08.2016 um 1:07 Uhr
Tödliche Krebstherapie
von Katalin am 05.08.2016 um 22:45 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Das ist leider richtig...
von Christian Becker am 08.08.2016 um 7:47 Uhr
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.