Stiftung Warentest

„Im Alter schadet manche Arznei mehr, als sie nutzt“

Stuttgart - 29.08.2016, 07:00 Uhr

Nicht jedes Arzneimittel „passt“ für betagte Patienten: Die Priscus-Liste hilft bei der Auswahl. (Foto: Edler von Rabenstein / Fotolia)

Nicht jedes Arzneimittel „passt“ für betagte Patienten: Die Priscus-Liste hilft bei der Auswahl. (Foto: Edler von Rabenstein / Fotolia)


Stiftung Warentest warnt vor der allzu leichtfertigen Einnahme von Arzneimitteln. Insbesondere ältere Menschen sind gefährdet, die Polypharmazie ein „unkalkulierbares Potpourri“. Was tun? Die Verbraucherschützer haben Tipps auf Lager, wie sich ältere Patienten schützen können und verweisen auch auf den Apotheker – ein wenig zumindest.

Der erwartete Nutzen eines Arzneimittels sollte beim Patienten größer sein, als die potenziellen Risiken für Nebenwirkungen durch das Präparat. Das ist ein oberstes Credo – und Voraussetzung, dass ein Arzneimittel überhaupt zugelassen wird. Es gibt bestimmte Patientengruppen, für die – trotz eines allgemein positiven Nutzen-Risiko-Verhältnisses – bestimmte Arzneimittel dennoch ungeeignet sind. Diese Patientengruppe bilden überwiegend ältere Menschen.

In ihrem aktuellen Bericht „Medikamente im Alter“ erklärt Stiftung Warentest, welche Faktoren alte Menschen zu besonderen Patienten machen – und bemängelt, dass dieser Umstand nicht ausreichend berücksichtigt werde: 20 Prozent der über 65-Jährigen erhielten mindestens ein Arzneimittel, das für diese Altersgruppe potenziell ungeeignet sei. Die Verbraucherschützer beziehen sich hierbei auf eine Erhebung der Techniker Krankenkasse aus dem Jahr 2015.

Was macht ältere Menschen zu besonderen Patienten?    

Mit zunehmendem Alter steigen die „Wehwehchen“ – folglich häufig auch die Anzahl der eingenommenen Arzneimittel. Die Gefahr für Wechselwirkungen erhöht sich, wenn vielleicht gleichzeitig Arzneimittel gegen Gicht, Arthrose und Herzinsuffizienz eingenommen werden müssen. Laut Daten der Barmer GEK nimmt jeder vierte Versicherte über 65 Jahren drei bis vier Arzneimittel täglich ein. Uwe Popert, Hausarzt und im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin, bezeichnet gegenüber Stiftung Warentest die Polypharmazie als „unkalkulierbares Potpourri“. Wechselwirkungsstudien bezögen sich meist auf lediglich zwei Wirkstoffe, „ab drei Mitteln kann man die Konsequenz schon nur noch erahnen“.

Hinzu kommt, dass ältere Patienten ein allgemein höheres Risiko für eingeschränkte Organfunktionen haben: Die Nieren sind nicht mehr ganz fit, die Leber arbeitet nicht mehr so tüchtig. Das sind, bis zu einem gewissen Grad, völlig physiologische Prozesse, die jedoch den Metabolismus von Arzneimitteln erheblich beeinflussen.

Eine veränderte Physiologie des Körpers muss bei älteren Patienten zusätzlich berücksichtigt werden: So schwinde der Wassergehalt des Körpers, der Fettanteil steige im Vergleich zu jüngeren Menschen, erklärt Stiftung Warentest. Arzneimittel, die sich im Fettgewebe anreichern, wirkten länger, wasserlösliche Arzneimittel stärker.

Und: Der geriatrische Patient sei nicht mehr so anpassungsfähig. Schwankungen des Blutdrucks könne dieser weniger gut und rasch ausgleichen. Dies begünstige eine vermehrte Sturzneigung bei alten Patienten, und zwar insbesondere dann, wenn diese Antihypertonika einnehmen müssten – was bei Senioren keine Seltenheit darstellt.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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