ARD-Bericht über Zyto-Verträge

Was sagt der AOK-Vertragsapotheker zu den Vorwürfen?

Berlin - 02.09.2016, 14:45 Uhr

Apotheker verweist auf Herstellbetrieb: Wegen anderer Fachinformationen andere Haltbarkeit. (Foto:benicoma/fotolia)

Apotheker verweist auf Herstellbetrieb: Wegen anderer Fachinformationen andere Haltbarkeit. (Foto:benicoma/fotolia)


Die Probleme mit den Zytostatika-Ausschreibungen der AOK lassen nicht nach. Am gestrigen Donnerstag berichtete das ARD-Politikmagazin Panorama über eine Onkologin, die mit Medikamenten beliefert wurde, deren Haltbarkeit deutlich überschritten war. Gegenüber der Apothekerzeitung (AZ) hat sich nun der AOK-Vertragsapotheker zu den Vorwürfen geäußert.

Laut Panorama bekam eine Onkologin im hessischen Erbach von einer AOK-Vertragsapotheke mehrmals Zubereitungen des Krebsmedikaments Velcade®, deren Aufbewahrungsdauer deutlich über dem vom Hersteller angegebenen Zeitraum von acht Stunden lag. Das Zytostatikum wurde zum Beispiel erst 16 Stunden nach der Zubereitung angeliefert; die Apotheke verwies, so der Panorama-Bericht, auf Stabilitätsstudien aus dem Ausland, wonach das Medikament deutlich länger verwendbar sei. 

Auf die Weigerung der Onkologin hin, das Medikament einem schwerkranken Patienten zu verabreichen, habe die AOK Hessen schriftlich verlangt: „Bitte behandeln Sie die von Ihnen namentlich benannten Patienten heute wie vorgesehen mit den Ihnen bereits zugestellten und qualitativ einwandfreien Zubereitungen für onkologische Indikationen. Ein erneutes Aussetzen einer solchen Therapie bei unseren Versicherten ist nicht gerechtfertigt.“ Auf Anfrage der AZ bestätigt die AOK Hessen diese Äußerung, schreibt aber: „Allerdings ist die Mail an die Ärztin freilich länger und liefert ein deutlich differenzierteres Bild. Letztlich muss die Ärztin entscheiden, was sie in ihrer Therapie für richtig hält.“

Mehr zum Thema

Versorgung mit Zytostatika

Ausschreibungen mit Risiken

Zytostatika-Zubereitung

Gefährliche Verwürfe

Apotheker verweist auf Herstellbetrieb

Eine Stellungnahme des Ludwigshafener Apothekers findet sich im Panorama-Beitrag nicht. Auf Anfrage der AZ äußert Dirk Baur, Inhaber der Lusanum-Apotheke in Ludwigshafen, dass er sehr wohl eine Stellungnahme gegenüber Panorama abgegeben habe und legt diese auch vor. Baur verweist auf den Herstellbetrieb Medipolis in Weinheim, der aufgrund von wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu einer von der Fachinformation abweichenden Einschätzung der Haltbarkeit der Zubereitung komme.

Ebenfalls legt er einen aktuellen Inspektionsbericht des Landesamtes für Soziales, Jugend und Versorgung von Rheinland-Pfalz vor. Darin steht, dass die Inspektion anlässlich der Beschwerde einer onkologischen Praxis erfolgt sei und dass bei der Herstellung der fraglichen Medikamente der aktuelle Stand der Wissenschaft berücksichtigt werde. Zudem gibt Baur an, dass er der Onkologin nach den Reklamationen frisch hergestellte Zubereitungen geliefert habe; er vermutet, dass die Ärztin nur nach Ansatzmöglichkeiten suche, wie sie gegen den AOK-Vertrag vorgehen könne. Er selbst sei auch gegen die Ausschreibungen, aber es sei nicht an ihm, die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu ändern.

Einen ausführlichen Beitrag zum Thema – inklusive Statement des Herstellerbetriebes Medipolis – lesen Sie in der aktuellen AZ.


Dr. Christine Ahlheim (cha), Chefredakteurin AZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


Diesen Artikel teilen:


6 Kommentare

Medikamente und so weiter ...

von Emmi am 05.09.2016 um 16:36 Uhr

Seit einigen Jahren sammle ich Berichte über Vorgänge im Lande, die allesamt zum Himmel stinken, aber entweder politisch (von Berlin her) so gewollt, weil lobbyistisch kostenintensiv "gefördert", oder auch mal eigenverantwortlich absichtlich so vonstatten gingen. Wobei natürlich der Ursprung doch wieder politisch zu finden ist. Letztlich ist in meinem eigenen Gefühl nur noch eines sicher: Macht &. Mammon regieren schon lange in DE, und ein toter Krebspatient, ein leidender Unterbemittelter sind nicht, was "ganz oben" - und darunter sogar - jemandem interessiert. Alle diese gesammelten Schilderungen beweisen es. Sie werden als Gesamtpaket noch einmal veröffentlicht. Eben hat es mich selbst wieder erwischt, unter dem Stichwort "Servicewüste Deutschland". Aber laut gegen AFD und Co. wettern ... weil man selbst ja soo menschlich sei!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Was der AOK-Vertragsapotheker dazu sagt

von Henzi am 03.09.2016 um 11:53 Uhr

Jahrelang war es der Politik recht und billig,den Leuten alles an Medikamenten zu verfüttern,was irgendwie die Pharmas bei Laune hielt (lukrativ war).Trotz vieler Toter und irreparabel Geschädigter hatte man Jahre Zeit,gegen solche Mittel vorzugehen/sie aus dem Verkehr zu ziehen.
Jetzt,wo die goldenen Zeiten definitiv vorbei sind für Kassen und Politik, wird nicht etwa an unnützen Reihenuntersuchungen,überflüssigen OPs und wirkungslosen Pillen gespart,nein.Sondern an den Krebskranken.
Immer wieder wird vor abgelaufenen Medikamenten gewarnt,jeder BPZ warnt davor.Es ist doch nur noch abartig und zynisch,dass das bei Zytostatika jetzt urplötzlich nicht mehr so sein soll-weil Spardruck dahinter ist..Man biegt sich halt die eigenen Regeln immer den eigenen Interessen folgend....

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Naturgesetze?

von Bernd Jas am 03.09.2016 um 20:16 Uhr

Genau, man biegt sich halt die eigenen Regeln zurecht bis es passt.
Immer nach dem Motto: Was kümmern mich die Naturgesetze. Bis das mir alle GLAUBEN, dass die Sonne im Westen aufgeht.

Schon ganz schön pervers das System

von Thomas Luft am 02.09.2016 um 21:59 Uhr

Wenn man ein wenig sucht, tun sich da ja schon irgendwie Abgründe auf:
-der Kollege aus LU lässt von einer Firma Medipolis in Weinheim herstellen
-Medipolis Weinheim ist ein Ableger der Medipolis mit Sitz in Jena, Inhaber sind wohl zwei Brüder
-zur "Medipolis Intensiv" gehört wohl auch noch die Medipolis-Versandapotheke

Ich kann durchaus verstehen, dass Kollegen große Räder drehen (müssen). Aber solche Konstrukte sind doch wirklich abartig: der Kollege aus LU bietet zwar munter bei einer hessischen Ausschreibung mit, hergestellt wird das Ganze dann aber fremd von einer Firma mit Hauptsitz in Jena. Alle wollen da was verdienen, die AOK möchte sparen. Das passt doch irgendwie nicht zusammen? Oder bin ich zu blöd das große Ganze zu verstehen?

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Und welche Botschaft transportiert das?

von Michael Mischer am 05.09.2016 um 8:56 Uhr

Wird nicht die AOK in ihrem Tun bestärkt? Wenn in solchen Konstrukten der Lohnhersteller und die Apotheke Geld verdienen und gleichzeitig der Vertrag für die AOK zu Einsparungen im Vergleich zur Hilfstaxe führt - dann muss die AOK ja zu dem Schluss kommen, dass in den Preisen der Hilfstaxe noch viel Luft ist.
Ich glaube, dass uns das auch politisch schadet - wenn die ABDA versucht Honorarsteigerungen auszuhandeln.

Mit dem Rücken zur Wand

von Bernd Jas am 02.09.2016 um 19:46 Uhr

"Er selbst sei auch gegen die Ausschreibungen,..."
Dabei lehnt er lässig mit dem Rücken zur Wand am Herstellbetrieb Medipolis.
Nein, wir sind ja sooo was von dagegen, da nehmen wir mit gebundenen Händen doch gleich die fünf Patienten von der Knappschaft auch noch mit, und ärgern uns schon mal darüber, dass die DAK uns (so schnell wie möglich) ihre Verträge auch noch durch gesetzliche Rahmenbedingungen aufzwingt.
Was kotzt mich diese Heuchelei an.

Dann sucht die Ärztin (unterstellter Weise) nach Ansatzmöglichkeiten, wie sie gegen den AOK-Vertrag vorgehen könne und es stellen sich im höchsten Maße Verunsicherungen durch Zubereitungen ohne gesetzlich abgesicherte Haltbarkeitsdaten ein.
Ich muss schon sagen: Eine wahrhaft solide Grundlage zur Patientenversorgung mit Arzneimitteln.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.