- DAZ.online
- News
- Recht
- Die Preisbindung wäre in...
EuGH-Urteil – was wäre wenn...
Die Preisbindung wäre in Deutschland nicht zu halten
Sollte der EuGH entscheiden, dass die deutsche Arzneimittelpreisbindung nicht für ausländische Versandapotheken gilt, müssten deutsche Apotheken eine „Inländerdiskriminierung“ hinnehmen: Für sie blieben Rx-Boni tabu. Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas rechnet aber damit, dass viele Apotheker dies nicht akzeptieren würden – und in der Folge mit massiven Konsequenzen.
Am 19. Oktober wird der Europäische Gerichtshof (EuGH) sein Urteil im Rechtsstreit der Wettbewerbszentrale und der Deutschen Parkinson Vereinigung zur (Un-) Zulässigkeit von Rx-Boni für EU-ausländische Versandapotheken verkünden.
Die apothekerlichen Standesvertretungen geben sich trotz der Schlussanträge des Generalanwalts, der die Preisbindung für ausländische Versender für europarechtswidrig hält, zuversichtlich. Einen Plan B für den Fall, dass das Gericht den Schlussanträgen folgt, will niemand öffentlich kommunizieren.
Doch in der Apothekerschaft herrscht Unruhe: Was gilt für die deutschen Apotheken, sollten DocMorris und Konsorten künftig tatsächlich Boni auf verschreibungspflichtige Arzneimittel gewähren dürfen? Der Rechtswissenschaftler und Gesundheitsrechtsexperte Dr. Elmar Mand hat vergangene Woche deutlich gemacht: Für die deutschen Apotheken bliebe dann alles beim Alten. Der EuGH entscheidet lediglich den Fall des grenzüberschreitenden Handels mit Arzneimitteln. Mand warnte die Apotheker ausdrücklich, ein solches Urteil dazu zu nutzen, selbst von den fixen Preisen für verschreibungspflichtige Arzneimittel abzugehen. Dies würde Abmahnungen zur Folge haben – von Kammer wie Mitbewerbern. Und das könnte teuer werden.
Der Freiburger Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas sieht dies anders. Zwar sei es richtig, dass ein solches Urteil nur für ausländische Apotheken gelten würde, sagte er gegenüber DAZ.online. Doch er erwartet andere Folgen als massenhafte Abmahnungen.
Bald 50 Prozent Rx-Umsatz für ausländische Versandapotheken?
Douglas ist überzeugt: Würde der EuGH die Preisbindung für DocMorris & Co. verneinen, wäre das geltende Arzneimittelpreisrecht auch in Deutschland nicht mehr haltbar. Früher oder später würde es gekippt, weil es die Berufsausübungsfreiheit (Artikel 12 Grundgesetz) in nicht mehr zu rechtfertigender Weise beschränken würde. Zwar werde mit der Rx-Preisbindung ein legitimer Zweck verfolgt: Es geht um den Gesundheitsschutz und die flächendeckende Arzneimittelversorgung. Allerdings müsste das Mittel auch geeignet sein, diesen Zweck zu erreichen. Unter den dann gegebenen Umständen wäre dies aber nicht mehr der Fall. Für den Rechtsanwalt ist es keine zu gewagte Annahme, dass die EU-ausländischen Apotheken anderenfalls bald 50 Prozent des Rx-Umsatzes für sich beanspruchen würden: Sie würden offensiv Chroniker umwerben und Hochpreiser an sich ziehen, sagt Douglas. Und die Krankenkassen würden mitziehen.
Leben Totgesagte länger?
Der Anwalt glaubt nicht, dass die deutschen Apotheker stillhielten: „Einige hundert Apotheken würden schon in der ersten Stunde nach dem Urteil ebenfalls Bonifizierungen bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln einführen“, vermutet er. Und ebenso wenig erwartet er, dass die Apothekerkammern diese abtrünnigen Mitglieder im großen Stil abmahnen werden. Zum einen würden sie deutsche Apotheken damit geradezu „zwingen“, Modelle wie etwa „Vorteil24“, wieder aufleben zu lassen. Zur Erinnerung: Hier wurde Kunden deutscher Vor-Ort-Apotheken angeboten, Arzneimittel mit Preisvorteil bei einer kooperierenden EU-ausländischen Versandapotheke zu bestellen, die dann in der deutschen Apotheke abgegeben werden – samt Beratung an Ort und Stelle. Vorteil 24 wurde zwar gerichtlich für unzulässig befunden. Aber laut Douglas aus Gründen, die sich nach einem EuGH-Urteil im Sinne der ausländischen Versender beheben lassen könnten.
Außerdem meint der Rechtsanwalt, die Kammern müssten befürchten, finanziell auszutrocknen. Denn schwindende Umsätze der deutschen Apotheken würden auch sinkende Kammerbeiträge bedeuten, diese bemessen sich schließlich in der Regel am Umsatz. „Daher müssen die Kammern auf eine kurzfristige politische Lösung setzen, anstatt den Wettbewerb der niederländischen Versender durch ein Vorgehen gegen die eigenen Mitglieder zu fördern“, argumentiert Douglas.
Das gesamte Preisgefüge für Arzneimittel steht auf dem Spiel
Von Mitbewerbern fürchtet Douglas ebenfalls keine große Gefahr. Wenn sie im einstweiligen Rechtsschutz gegen Kollegen vorgingen, müssten sie Schadensersatzforderungen befürchten, sollten sich die Preisregelungen dann als nicht mehr rechtmäßig erweisen. Ein riskantes Unternehmen, meint der Anwalt.
Er ist überzeugt: Ein Urteil des EuGH, das den Schlussanträgen des Generalanwalts folgt, hätte weitreichendere Konsequenzen als eines, das das Fremd- und Mehrbesitzverbot aufgehoben hätte. Das gesamte Arzneimittelpreisgefüge stehe auf dem Spiel.
Hat er nicht doch noch Hoffnung, dass das Urteil zugunsten der deutschen Apotheken ausgeht? Darauf antwortet Douglas: „Die doch recht lange Zeitspanne zwischen Schlussanträgen und Urteilsverkündung könnte darauf hindeuten, dass der EuGH sich das nochmal ganz genau anschaut. Das ist sicher besser, als die Argumentation des Generalanwalts einfach zu übernehmen“.
Ob die Apothekerkammern tatsächlich nur zusehen werden, wenn
das Urteil zulasten ihrer Mitglieder ausgeht, ist allerdings nicht sicher. Aus
einigen Kammern ist jedenfalls schon zu hören, dass sie Verstöße gegen die Preisbindung konsequent verfolgen werden. Schließlich zählt es zu ihren
Aufgaben, darauf zu achten, dass das Berufsrecht eingehalten wird. Auch das Beitragsargument
ist nicht jedem schlüssig, schließlich sind die Kammern kein
Wirtschaftsunternehmen, das auf Gewinn aus ist. Selbst wenn eine Kammer
vorsichtig sein sollte: Dann könnten noch immer die Aufsichtsbehörden tätig
werden.
4 Kommentare
vor dem EuGH-Urteil
von Elke Dresia am 05.10.2016 um 16:49 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Tsunami woanders ;)
von Peter Lahr am 30.09.2016 um 9:31 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Buchpreisbindung analog Rx-Preisbindung?
von Armin Spychalski am 30.09.2016 um 18:20 Uhr
Rx-BoniTsunami
von Peter Bauer am 29.09.2016 um 17:36 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.