Kabinettsentwurf AM-VSG

Mehr Geld für Apotheker, Aus für Zyto-Verträge

Berlin - 07.10.2016, 11:20 Uhr

Zwei Geschenke: Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) kann den Apothekern am kommenden Mittwoch voraussichtlich berichten, dass sie mehr Honorar bekommen und die Zyto-Ausschreibungen gestoppt werden. (Foto: dpa)

Zwei Geschenke: Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) kann den Apothekern am kommenden Mittwoch voraussichtlich berichten, dass sie mehr Honorar bekommen und die Zyto-Ausschreibungen gestoppt werden. (Foto: dpa)


Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) wird den Apothekern am kommenden Mittwoch beim Apothekertag höchstwahrscheinlich sogar zwei für sie frohe Botschaften überbringen. Im Kabinettsentwurf des „Pharma-Gesetzes“ sind die Honorarerhöhungen in den Bereichen Rezeptur-Herstellung und BtM-Abgabe enthalten. Außerdem sollen mit dem Gesetz die Zytostatika-Ausschreibungen auf Apothekenebene beendet werden.

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) bleibt bei seinen Plänen: Obwohl Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) zuletzt protestiert hatte, sollen die Apotheker für Rezepturen und die Abgabe dokumentationspflichtiger Arzneimittel, wie BtM, mehr Geld bekommen. Das geht aus dem Kabinettsentwurf des Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetzes (AM-VSG) hervor, der DAZ.online vorliegt. Am kommenden Mittwoch, dem 12. Oktober soll das Papier im Bundeskabinett beschlossen werden. Anschließend reist Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) nach München zum Deutschen Apothekertag (DAT), um die frohe Kunde zu überbringen.

Im Vergleich zum Referentenentwurf enthält der neue Aufschlag des BMG keine Änderungen, zumindest was das Apothekenhonorar betrifft. Nach wie vor ist geplant, dass die Apotheker für jede Rezeptur ein zusätzliches Fixhonorar von 8,35 Euro abrechnen können. Gleichzeitig legt das BMG allerdings fest, dass vom neuen Festzuschlag im Rezepturbereich der Kassenabschlag abzuziehen ist. Derzeit erhalten die Pharmazeuten einen prozentualen Zuschlag (90 Prozent vom Einkaufspreis) für Rezepturen plus einen festen Arbeitspreis. Mit dem neuen Gesetz will das Ministerium auch die Arbeitspreise um jeweils einen Euro erhöhen. Derzeit liegen diese Arbeitspreise bei 2,50 Euro, 5,00 Euro oder 7,00 Euro – je nach Darreichungsform und Menge. In Zukunft erhalten die Apotheker also 3,50 Euro, 6 Euro oder 8 Euro.

Auch im Bereich der BtM-Abgabe soll die Vergütung der Apotheker ansteigen. Derzeit können die Pharmazeuten pro Rezept einen zusätzlichen Betrag in Höhe von 0,26 Euro inklusive Mehrwertsteuer abrechnen. Dieser Betrag soll auf 2,91 Euro steigen. Auch für T-Rezepte soll das zutreffen. Das BMG rechnet vor, dass die Krankenkassen pro Jahr etwa 100 Millionen Euro zusätzlich für diese Honorarerhöhungen an die Apotheker zahlen müssen (inkl. Steuer). Für die Privatversicherer entstehen laut Kabinettsentwurf Mehrausgaben von rund 10 Millionen Euro.

Freie Apothekenwahl bei Zytos soll gesichert werden 

Auch bei den exklusiven Zyto-Verträgen zwischen Krankenkassen und Apothekern setzt das BMG seine kürzlich bekannt gewordenen Pläne um. Dem Vernehmen nach soll die Politik auf das Urteil des Bundessozialgerichtes aus dem vergangenen Jahr verstört reagiert haben. Das Gericht hatte die exklusiven Zyto-Ausschreibungen mit der Begründung verteidigt, dass Patienten bei der Zytostatika-Versorgung ohnehin keine Apothekenwahlfreiheit hätten. Das BMG scheint das anders zu sehen: Per Gesetz sollen die Ausschreibungen bei Apotheken nun verboten werden. Die Begründung: Die freie Apothekenwahl müsse gesichert werden.

Gleichzeitig will das Ministerium die Wirtschaftlichkeitsreserven in der Zytostatika-Versorgung weiterhin heben. Daher sollen Krankenkassen mit Herstellern künftig Rabattverträge über die verwendeten Präparate abschließen. CDU-Arzneimittelexperte Michael Hennrich hatte sich zuletzt für dieses Modell stark gemacht. Der AOK-Bundesverband, der im Auftrag mehrerer AOKen die Zyto-Versorgung exklusiv ausschreibt, hatte jedoch beklagt, dass Zyto-Rabattverträge mit Herstellern kein hohes Einsparpotenzial mit sich bringen und aufgrund der hohen Original-Quote nur schwer umsetzbar seien.

Um die Preistransparenz bei der Abrechnung von Zytostatika zu verbessern, will das BMG die Apotheker verpflichten, den Krankenkassen auf deren Wunsch alle Einkaufspreise inklusive aller Rabatte zu nennen. Selbst wenn der Apotheker einen Herstellerbetrieb beauftragt, soll er die wirklichen Preise kommunizieren. Zudem müssen Kassen und Apotheker laut Kabinettsentwurf die Hilfstaxe aktualisieren. Denn mit den Rabattverträgen ergeben sich schließlich neue Preise in der Zyto-Versorgung, die in der Hilfstaxe berücksichtigt werden sollen. Das BMG schätzt, dass die Kassen durch die geänderte Hilfstaxe bis zu 250 Millionen Euro einsparen können.

Umsatz-Schwelle, Vertraulichkeit, Preismoratorium

Außerdem enthält das Gesetz mehrere Maßnahmen, die insbesondere die Pharmaindustrie betreffen. Einige davon resultieren aus den Ergebnissen des Pharmadialoges, der zwischen der Bundesregierung und Vertretern der Pharmaindustrie stattgefunden hatte. Mit dem AM-VSG will das BMG die folgenden Punkte ändern:

  • Obwohl es im Pharmadialog kein Thema war, soll das Preismoratorium bis 2022 verlängert werden. Erstmals sollen die Unternehmen aber die Möglichkeit bekommen, ihre Preise auf Basis der Inflationsrate jährlich anzupassen. Das BMG schätzt, dass die Einsparungen der Krankenkassen durch die Maßnahme pro Jahr zwischen 1,5 und 2 Milliarden Euro betragen werden. Die Pharmaindustrie hatte sich zuletzt vehement gegen diese Pläne gewehrt und eine Verfassungsklage in Erwägung gezogen.
  • Um die Arzneimittelausgaben im Bereich neuer Medikamente zu drosseln, soll es künftig einen Schwellenwert geben. Bis zu diesem Schwellenwert können die Unternehmen ihre Präparate weiterhin zum selbst festgelegten Preis abrechnen. Überschreiten Sie die Umsatz-Schwelle, greift der zwischen Kassen und dem jeweiligen Hersteller ausgehandelte Erstattungsbetrag rückwirkend. Im Kabinettsentwurf legt das BMG diesen Schwellenwert auf 250 Millionen Euro fest. Die Krankenkassen hatten im Vorfeld heftig gegen die Höhe der Umsatz-Schwelle protestiert: Nur wenige, extrem hochpreisige Medikamente würden durch diese Schwelle erfasst, so das Argument.
  • Das BMG will nach wie vor erreichen, dass die zwischen Kassen und Herstellern ausgehandelten Erstattungsbeträge neuer Medikamente künftig geheim bleiben. Deswegen sollen das Bundesgesundheits- und das Bundeswirtschaftsministerium gemeinsam eine Verordnung erarbeiten, in der Näheres geregelt wird. Damit könnten die Ministerien das Parlament umgehen. Die SPD-Fraktion im Bundestag hatte angekündigt, dieser Regelung nicht zustimmen zu wollen.
  • Generika-Hersteller sollen nach einem Rabattvertrags-Zuschlag künftig eine sechsmonatige Vorbereitungszeit bekommen, um sich auf die Produktion der Arzneimittel besser vorbereiten zu können. Im Pharmadialog war auch die von den Apothekern geforderte Mehrfachvergabe ein Thema: Der Kabinettsentwurf enthält jedoch keine Regelung, nach der Rabattverträge zur Sicherstellung der Lieferfähigkeit immer an mehrere Unternehmen vergeben werden sollen.
  • Die Resistenzbildung von Antibiotika soll bei deren Preisbildung stärker berücksichtigt werden. So soll es möglich sein, dass wichtige Antibiotika aus Festbetragsgruppen ausgegliedert werden. Auch bei der Bewertung des Zusatznutzens neuer Antibiotika soll die Resistenzbildung eine stärkere Rolle spielen.
  • Sehr umstritten war im Vorfeld auch die Frage des Arzt-Informationssystems: Die Bundesregierung will erreichen, dass Ärzte in Zukunft schneller und besser über den Zusatznutzen neuer Arzneimittel informiert werden. Über eine Praxis-Software sollen sich Mediziner künftig einfach darüber informieren können, welche Vor- und Nachteile ein neues Präparat hat. Die Kassen bestehen darauf, dass auch der Preis zu diesen Informationen gehört, weil der Arzt in der Wirtschaftlichkeitsverantwortung ist. Die Hersteller hingegen haben sich im Pharmadialog vom BMG zusichern lassen, dass sie bei der Erstellung des Systems mitwirken können. Mit dem AM-VSG soll der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) den Auftrag erhalten, seine Beschlüsse innerhalb eines Monats kurz und knapp aufzubereiten und den Arztpraxen zur Verfügung zu stellen. Wie dieses Verfahren genau funktionieren soll und welche Informationen fließen, will das BMG in einer nicht zustimmungspflichtigen Verordnung regeln.

Wie geht es weiter mit dem AM-VSG?

Wie geht es nun weiter mit dem AM-VSG? Der Kabinettsentwurf landet am kommenden Mittwoch, dem 12. Oktober, im Bundeskabinett. Wenn der Entwurf dort beschlossen wird, hat das Gesetz eine wichtige Hürde genommen. Dass die vom BMG ins Spiel gebrachten Regelungen auch wirklich umgesetzt werden, ist damit allerdings noch längst nicht gesagt.

Denn im Winter muss sich dann der Bundestag mit dem Vorhaben beschäftigen. Beide Regierungsfraktionen hatten bereits erheblichen Änderungsbedarf angemeldet. Unter anderem wurde von Union und SPD eine Deckelung der dreiprozentigen Apothekenmarge ins Spiel gebracht. Die gesundheitspolitischen Spitzen beider Fraktionen sprachen sich auch für eine Überarbeitung der Importquote aus.

Auch die Abschaffung der exklusiven Zyto-Verträge ist längst noch nicht in trockenen Tüchern: Hilde Mattheis, die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, hatte erklärt, dass sie die Abschaffung als „Ultima Ratio“ betrachte. Freuen hingegen dürfte sich Michael Hennrich (CDU). Der Arzneimittelexperte der Christdemokraten hatte genau diesen Vorschlag zuvor öffentlich ins Spiel gebracht. Am 19. Oktober soll im Gesundheitsausschuss des Bundestages eine Expertenanhörung zu dem Thema stattfinden. Auch dort könnten sich noch wichtige Weichen für eventuelle Änderungsanträge am AM-VSG stellen.

Schon vorher, nämlich am 14. Oktober, sollte dem Vernehmen nach eigentlich die öffentliche Anhörung des Gesetzes im Bundestag stattfinden. Weil der Kabinettsentwurf nun einige Wochen später als geplant kam, gehen Beobachter aber davon aus, dass die Anhörung nach hinten verschoben wird. Fest steht allerdings, dass die Bundesländer sich nicht einmischen können: Das AM-VSG ist nicht zustimmungspflichtig.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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2 Kommentare

Juhu

von Frank Ebert am 07.10.2016 um 12:58 Uhr

.... dann steht ja Standingovationen nichts mehr im Wege. Der Zahltag ist aber der 19. Oktober

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Bitte liebe Autoren..

von Christiane Patzelt am 07.10.2016 um 12:19 Uhr

....es sind keine Geschenke...

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