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Der kanadische Pharmakonzern Valeant korrigiert den Preis von Calcium-EDTA um 2.700 Prozent nach oben. Versuchen Vorstände, die gescheiterte Einführung von Flibanserin (Addyi) wettzumachen?
Toxikologen setzen Chelatbildner ein, um Vergiftungen mit Schwermetallen zu therapieren. Salze der Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA) binden Blei- oder Quecksilberionen mit hoher Affinität. Der Markt für entsprechende Präparate ist überschaubar. Genau hier setzt Valeant jetzt an.
„Astronomische Preiserhöhungen“
Der kanadische Hersteller korrigierte den Preis eines Präparats mit Calcium-EDTA innerhalb von zwölf Monaten um 2.700 Prozent nach oben. Er bekam alle Rechte des intravenösen Präparats bereits 2013 als Teil eines größeren Deals. Valeant hatte Medicis für rund 2,6 Milliarden US-Dollar geschluckt.
Über Jahre hinweg lag der Listenpreis für eine Einheit Calcium-EDTA Truven Health Analytics zufolge bei 950 US-Dollar. Im Januar 2014 waren es plötzlich 7.116 US-Dollar. Ende 2014 kostete die Packung schließlich 26.927 US-Dollar. Ein Sprecher von Valeant begründet die Entscheidung mit dem geringen Absatz. Ärzte sehen das anders.
„Es gibt keine Rechtfertigung für die astronomischen Preiserhöhungen von Valeant“, erklärte der Toxikologe Dr. Michael Kosnett gegenüber dem US-Onlineportal Statnews. Kosnett arbeitet an der University of Colorado’s School of Medicine. Er befürchtet, Kinder mit lebensbedrohlichen Bleivergiftungen könnten künftig schlechter versorgt werden. Heilberufler wandten sich mit einem offenen Brief an Eugene Cummings. Er vertritt den Bundesstaat Maryland im US-Repräsentantenhaus. An der prekären Lage hat sich aber bislang nichts geändert.
Valeant: Preissteigerung um 2.700 Prozent
Sogar Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton ging in ihrem Wahlkampf mehrfach auf Valeant ein. Sie kritisierte ähnliche Strategien bei dem alten Migränetherapeutikum Dihydroergotamin. Auch hier ging der kanadische Konzern mit einer ähnlichen Strategie vor. Er kaufte alle Rechte am Nischenpräparat und drehte bald darauf an der Preisspirale.
Kosteten zehn Dosen in den Achtzigerjahren noch 180 US-Dollar, forderte Valeant 3.090 US-Dollar und später 14.120 US-Dollar. Patienten, die nicht auf Präparate der ersten Wahl gemäß Leitlinie ansprechen, müssen tief in die Tasche greifen. Clinton kündigte jedenfalls an, im Falle ihrer Wahl dem Thema nachzugehen. „Wir werden die Preispolitik stoppen“, erklärte die Kandidatin im US-Fernsehen.
An Addyi die Finger verbrannt?
Warum Valeant mit einer derart aggressiven Preispolitik arbeitet, ist ein offenes Geheimnis. Der Konzern übernahm Sprout Pharmaceuticals im August 2015 für rund eine Milliarde US-Dollar. Ziel war, die umstrittene „Lustpille“ Addyi (Flibanserin) an die Frau zu bringen. Anders als erwartet blieben betriebswirtschaftliche Erfolge aus. Bloomberg spricht vom „Sprout-Problem“ des kanadischen Konzerns.
Das hat vor allem wissenschaftliche Hintergründe: Loes Jaspers aus Rotterdam veröffentlichte im April Ergebnisse einer Studie mit 5.914 Probandinnen. Die vermeintliche Lustpille führte lediglich zu einer zusätzlichen befriedigenden sexuellen Erfahrung innerhalb von zwei Monaten, schreibt Jaspers. Gleichzeitig litten viele Patientinnen an Schwindel, Übelkeit, Erschöpfung und Schläfrigkeit.
Zu ähnlichen Einschätzungen kommt das National Women’s Health Network: „Klinische Studien zeigen mittlerweile, dass neun von zehn Frauen keine Verbesserung ihres sexuellen Verlangens spüren“, heißt es in einem Report zum ersten Jahrestag von Flibanserin. Valeant hat am US-Markt mittlerweile schlechte Karten.
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