Pharmaabsprachen auf dem Prüfstand

Viel Geld für nichts

München - 24.10.2016, 07:00 Uhr

Es fließt viel Geld zwischen Pharmaunternehmen. (Foto: vege / Fotolia)

Es fließt viel Geld zwischen Pharmaunternehmen. (Foto: vege / Fotolia)


Unklarheit über rechtlichen Bestand

Doch ob diese Zusatzpatente tatsächlich Bestand haben, ist oft nicht eindeutig. Nach Fischmanns Erkenntnissen, der an der Universität von São Paulo und an der Ludwig-Maximilians-Universität München Rechtswissenschaften studierte, besteht nämlich vielfach Unklarheit darüber, ob ein Patent ausreichend geprüft und zu Recht vergeben worden ist. Angesichts dessen wagen sich die Generikahersteller gerne aus der Deckung und stellen die Zusatzpatente infrage. Deren Argument: Die fraglichen Schutzrechte erfüllen nicht die gesetzlichen Voraussetzungen der Neuheit beziehungsweise der erfinderischen Tätigkeit. Und selbst wenn diese Patente die Voraussetzungen erfüllen würden, könnten sie nicht unbedingt die Nachahmung der Original-Arznei verhindern, da das fragliche Präparat auf alternative Weise hergestellt werden könne. Die Zusatzpatente würden in diesem Fall durch die Herstellung und Vermarktung der Nachahmerarzneimittel nicht verletzt.

Offenbar sind die Generikahersteller mit dieser Methode ziemlich erfolgreich. Laut einer Untersuchung der Europäischen Kommission siegten die Generikahersteller in 62 Prozent der Patentrechtsverfahren, welche von einem Gericht entschieden wurden. In diesen Fällen durften die Unternehmen ihre Generika also vermarkten.

Allerdings: In vielen Fällen kommt es erst gar nicht zu einer gerichtlichen Entscheidung. Oftmals legen forschende Pharmaunternehmen und Generikafirmen ihren Streit nämlich per Vergleich gütlich bei: Mittels einer Millionenzahlung verzichtet der Generikahersteller darauf, sein Nachfolgeprodukt auf den Markt zu bringen. Diese Lösung hat zudem den Charme, dass beide Parteien einen teuren und möglicherweise langen juristischen Prozess mit ungewissem Ausgang vermeiden. Fischmann: „Kartellrechtliche Verfahren von mehr als 15 Jahren bis zur endgültigen Sanktionierung einer Absprache sind keine Seltenheit.“

Gesellschaft trägt die Kosten

Während die beteiligten Unternehmen bei derartigen Deals – in der Fachsprache auch Reverse Payments genannt – gewinnen, trägt die Gesellschaft die Kosten. Denn die Krankenkassen und damit letztlich die Versicherten müssen höhere Preise für Arzneimittel zahlen als nötig. In Ländern mit wenig entwickelten Gesundheitssystemen kann dies laut Fischmann sogar so weit führen, dass Patienten mit schweren Leiden leben müssen oder gar sterben, weil eine notwendige medizinische Behandlung aufgrund des hohen Preises nicht durchgeführt werden kann.

Eine Lösung wäre, dass erst gar keine fehlerhaften und damit angreifbaren Patente erteilt werden. Doch das hält Fischmann in der Praxis nicht für machbar. Denn dies würde eine intensivere Prüfung von Patentanträgen und damit noch längere Verfahren nach sich ziehen sowie Erfindungen mit zweifelhaftem Schutz länger schützen.

Stattdessen plädiert er dafür, fehlerhaft erteilte Patente verstärkt durch Einspruchsverfahren beziehungsweise Nichtigkeitsverfahren zu korrigieren. Dazu müssten jedoch stärkere rechtliche Anreize zur Einleitung derartiger Verfahren geschaffen werden. Die Gerichte wiederum sollten dafür sorgen, dass Personen und Einrichtungen, die aufgrund der Absprachen einen Schaden erlitten haben, angemessenen Ersatz erhalten. Die gerichtlichen Verfahren sollten laut Fischmann zudem vom Gesetzgeber beschleunigt werden. Schließlich spricht er sich auch dafür aus, Zertifikate einzuführen, die darüber informieren, welche Patente gründlich überprüft wurden und welche nicht. Damit würde weniger Ungewissheit über die Qualität von Patenten bestehen.



Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Die andere Seite der Medaille

von Jonas Fischer am 25.10.2016 um 10:20 Uhr

Diese Berichtertattung scheint mir doch etwas einseitig zu sein. Die forschenden Pharmaunternehmen werden hier als die bösen, teuer vermarkenden Monster dargestellt. Aber was stekt dainter? Sie forschen! Das bedeutet, sie stecken viel Zeit und Geld in ein Produkt, dass dann irgendwann mal auf den Markt kommt - oder auch nicht. Ein Großteil der Projekte wird nämlich gar nicht auf en Markt gebracht, weil es bestimmte Kriterien nicht erfüllt. Auch das verteuert den Forschungsprozess für neue Produkte. Das Patent schützt das Produkt für maximal 20 Jahre. Das bedeutet, dass in dieser Zeit die Kosten für die Forschung wieder eingeholt werden müssen. Bis das Patent bewilligt ist, sind oft schon einge Jahre verstrichen.
Generika-Hersteller machen es sich da einfach: Sie nehmen sich die Produkte, deren Patente abgelaufen sind und kochen sie nach. Kein Geld für Forschung und Entwicklung. Es mag ja auf den ersten Blick eine gute Sache sein, dass die Medikamente billiger werden, aber es geht zu Kosten der forschenden Pharmaunternehmen. Dementsprechend muss man sich dann auch im Klaren sein, dass die Unternehmen weniger Geld in neue Produkte investieren. Es zeichnet sich schon ab: viele Unternehmen bauen Stellen ab oder geben sogar ihre Standorte in Deutschland auf.
Ich will damit nicht sagen, dass ich die Praktik der Reserve Payments gut heiße. Ich will hiermit nur mal aufzeigen, warum die Medikamente das kosten, was sie kosten.

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