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Apotheker von Sanicare
Versandapotheker wollen „verfassungsmäßige Rechte“ einfordern
Das von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe geplante Rx-Versandverbot würde die Rechte von Arzneimittel-Versendern verfassungswidrig einschränken, erklärt der leitende Apotheker von Sanicare, Heinrich Meyer. Er betont gegenüber DAZ.online, dass auch Versandapotheken den Versorgungsauftrag erfüllen – und widerspricht dem Vorwurf der Rosinenpickerei.
Das EuGH-Urteil zu Rx-Boni birgt für deutsche Versandapotheken
die Chance, über bislang verbotene Rabatte Kunden zu werben. Doch sie müssten klagen,
denn die Entscheidung wirkt sich nur auf ausländische Apotheken aus –
inländische werden nach Ansicht des Bundesverbands Deutscher Versandapotheken (BVDVA) diskriminiert. Heinrich Meyer, Leitender Apotheker der
Versandapotheke Sanicare und stellvertretender BVDVA-Vorstand erklärt gegenüber DAZ.online die Optionen, die von den Arzneimittelversendern
derzeit geprüft werden – und wehrt sich gegen Vorwürfe seiner stationären
Kollegen.
DAZ.online: Bundesgesundheitsminister
Hermann Gröhe will per Gesetz den Rx-Versand verbieten. Wie bewerten Sie den
Plan, Herr Meyer?
Heinrich Meyer: Wir würden uns in der Ausübung unserer Berufsfreiheit als stark eingeschränkt betrachten. Wenn das Rx-Versandverbot tatsächlich kommt, werden wir hiergegen klagen, um unsere verfassungsmäßigen Rechte einzufordern. Für uns ist auch die Inländerdiskriminierung, die das EuGH-Urteil mit sich bringt, eine sehr unglückliche Situation – und wir würden bevorzugen, dass der Gesetzgeber aktiv wird, um diese aufzuheben.
DAZ.online: Was treibt den Minister aus Ihrer Sicht?
Meyer: Herr Gröhe hat sich ja doch sehr kurzfristig zu einer Reaktion verleiten lassen, das überrascht ein bisschen. Ich weiß nicht, welche Absicht er verfolgt – unklar ist auch, ob er eine Mehrheit zustande bekommen kann. Man sieht ja, dass sich die beiden Koalitionspartner in diesem Thema offensichtlich uneinig sind. Ich weiß nicht, ob das so klug durchdacht ist – wir haben an anderer Stelle wie zum Beispiel dem Betreuungsgeld erlebt, dass solche Gesetze relativ schnell kassiert werden. Es erscheint relativ unwahrscheinlich, dass ein derartiges Verbot verfassungskonform umsetzbar ist: Nicht nur das deutsche Grundgesetz steht dagegen, sondern möglicherweise werden auch die europäischen Verträge verletzt. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Ankündigung dazu dient, zunächst ein bisschen die Wogen zu glätten.
DAZ.online: Die Versandapotheke APONEO hat angekündigt, rechtlich gegen die Inländerdiskriminierung vorzugehen – womöglich indem sie Rabatte gewähren und sich verklagen lassen. Planen Sie dies auch?
Meyer: Natürlich prüfen wir die Optionen, die uns zur Verfügung stehen, aber es ist nicht so, dass wir jetzt einfach einen Bonus gewähren und gucken, was passiert. Unsere Aufsicht – die Apothekerkammer Niedersachsen – hat bereits erklärt, gegen ein solches rechtswidriges Verhalten vorzugehen. Eine derartige Verfügung der Apothekerkammer könnten wir dann dem Verwaltungsgericht vorlegen, um die gesetzliche Regelung im Lichte dieser neuen EuGH-Rechtsprechung überprüfen zu lassen. Eine andere Möglichkeit wäre möglicherweise ein Normenkontrollverfahren um die Vereinbarkeit der hierzulande gültigen gesetzlichen Regelungen mit den europäischen Bestimmungen zu überprüfen. Aber das ist vermutlich nicht der Weg, den wir wählen, da er sehr langwierig und insofern aus unserer Sicht nicht sehr hilfreich ist. Wir würden ein politisches Eingreifen bevorzugen.
Versandapotheker erfüllen ihren Versorgungsauftrag
DAZ.online: Wie sollte die deutsche Politik Ihrer Ansicht nach auf das EuGH-Urteil reagieren?
Meyer: Aus unserer Sicht wäre es konstruktiver, wenn man hier eine Anpassung der Gesetzgebung vornehmen würde, die stärkeren Wettbewerb erlauben würde aber dennoch Grenzen setzt. Eine Höchstpreisverordnung wäre aus unserer Sicht ein geeignetes Mittel, um mehr Wettbewerb zu ermöglichen ohne völlig ungeordnete Verhältnisse herzustellen.
Ich meine, dass es auch wichtig ist, die Meinung des Verbrauchers zu berücksichtigten: Er schätzt den Versandhandel – und ist letztlich der Souverän in der Demokratie.
DAZ.online: Gleichzeitig ist Verbrauchern aber auch die Arzneimittelversorgung vor Ort sehr wichtig. Stimmt es nicht, dass Versandapotheken aufgrund vergleichsweise geringer Betriebskosten sehr große Wettbewerbsvorteile haben?
Meyer: Es wird den Versandapotheken vielfach Rosinenpickerei vorgeworfen. Als deutsche Apotheke beteiligen wir uns aber am Notdienst, wir geben Betäubungsmittel ab und fertigen Rezepturen an. Der Notdienstfonds hilft in Regionen mit schwachen Strukturen. Tatsächlich fallen auch Kosten in den Versandapotheken an, die in der normalen Apotheke nicht anfallen, wie allein schon die Versandgebühren. Aber es ist auch so, dass die systematische Abwicklung durchaus Vorteile haben kann – sowohl bei den Kosten als auch einer gleichbleibenden hohen Qualität. Insgesamt ist es ein Schreckensbild, dass der Versandhandel die Arzneimittelversorgung in der Fläche gefährdet.
Es wird ja vielfach geschrieben, dass sich die Versandapotheker nur auf die Hochpreiser stürzen. Wir erleben das Gegenteil, nämlich Anfragen von Kunden, deren Apotheke vor Ort diese nicht zur Verfügung stellen kann oder will. Es kommt durchaus vor, dass niedergelassene Apotheker sich es nicht antun wollen, beispielsweise Sovaldi abzugeben – dem Retaxrisiko wollen sich einige Kollegen nicht aussetzen. Das schmerzt dann schon, wenn man lesen muss, dass wir Rosinen picken würden – das kann ich so nicht erkennen. Wir erfüllen unseren Versorgungsauftrag.
DAZ.online: Die SPD schlägt als Ausweg vor, die Honorierung von Apothekern grundsätzlich zu reformieren.
Meyer: Ich halte es auch für sinnvoll, darüber nachzudenken und neue Komponenten der Vergütung herzustellen. Die leistungsgerechtere Vergütung ist ein Thema, das von mehreren Experten schon seit längerem gefordert wird. Besondere Leistungen bedürfen auch gesonderter Bezahlung. Um nur ein aktuelles Beispiel aufzugreifen, bin ich der Überzeugung, dass wir eine Vergütung für Beratungsleistungen zur Steigerung der Arzneimitteltherapiesicherheit benötigen. Die Einzelfallbetrachtung erfordert den pharmazeutischen Sachverstand und ist aufwändig, stiftet aber vielfach einen durch die Betroffenen direkt spürbaren Nutzen durch eine Verringerung der unerwünschten Arzneimittelwirkungen. Da sich dies häufig durch eine Reduktion der eingesetzten Arzneimittel äußert, profitieren wirtschaftlich davon derzeit in erster Linie die Kostenträger.
5 Kommentare
So ein..
von Stefan Haydn am 02.11.2016 um 14:28 Uhr
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Höchstpreisverordnung
von Dr. Jürgen Leikert am 01.11.2016 um 20:02 Uhr
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Höchstpreisverordnung
von Dr. Heiko Walther am 01.11.2016 um 10:22 Uhr
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PS
von Karl Friedrich Müller am 01.11.2016 um 8:42 Uhr
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Entschuldigung
von Karl Friedrich Müller am 01.11.2016 um 8:38 Uhr
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