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Kommentar zum Rx-Versandhandelsverbot
Plan C dringend benötigt
Die ABDA und das Bundesgesundheitsministerium setzen derzeit alles auf eine Karte: das Rx-Versandhandelsverbot. Zunehmend zeigt sich aber, dass dieses politisch nicht besonders beliebt ist. Und: Die Zeit wird knapp. DAZ.online-Redakteur Benjamin Rohrer meint: Bislang kann sich die ABDA-Kampagne sehen lassen, braucht nun aber frischen Wind.
In diesen Tagen ist es schwer, einen Kammer- oder Verbandschef der Apotheker zu erreichen. Wenn mal einer der Landeschefs ans Telefon geht, steht er oder sie entweder kurz vor oder nach einem Gespräch mit einem wichtigen Politiker. Das beherrschende Thema in diesen Gesprächen ist ganz klar: Die ABDA fordert beharrlich ein striktes Verbot des Rx-Versandhandels.
Und bislang macht sie das auch nicht schlecht. Noch vor dem Urteil hatte ABDA-Chefjurist Lutz Tisch lauthals verkündet, die Apotheker bräuchten keinen Plan B, weil der EuGH schon irgendwie im Sinne der Apotheker entscheiden werde (Plan A). Wie organisiert, strukturiert und orchestriert die ABDA seit dem EuGH-Urteil zur Preisbindung ihre Lobby-Arbeit vorträgt, zeigt aber: An der Berliner Apothekerspitze hatte man sich vorher sehr wohl einen detaillierten Schlachtplan für den Fall der Fälle zurechtgelegt.
Um den Plan B, das Verbot des Rx-Versandhandels, zu erreichen, greifen seit zwei Wochen nach und nach verschiedene politische Aktionen und Maßnahmen. Zunächst protestierte die ABDA-Spitze via Pressemitteilung und in Fernseh- und Zeitungsinterviews, wies auf die Gefahr des Urteils für die flächendeckende Versorgung hin und machte schon früh klar: Zur Lösung dieses Problems muss der Gesetzgeber eingreifen, mit nur einer möglichen Regelung. Es folgte eine Anzeigenkampagne in großen Zeitschriften, über die man sich aus ästhetischer Sicht streiten kann, die aber auch nur eine Schlussfolgerung zuließ: Es gibt keine Alternativen zur Apotheke vor Ort – auch nicht den Versandhandel.
Schließlich organisierte die ABDA gemeinsam mit all ihren Mitgliedsorganisationen zahlreiche Gespräche mit Politikern. Eines – und vielleicht das wichtigste – dieser Gespräche fruchtete sofort: Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) kündigte an, den Rx-Versandhandel verbieten lassen zu wollen. An diesem Tag müssen im neuen (temporären) ABDA-Haus die Korken geknallt haben. Die Apotheker haben ihre Sektflaschen aber vielleicht zu früh geöffnet. Denn selbst in der eigenen Fraktion wird Gröhe nicht alle Stimmen für ein Rx-Versandverbot zusammenbekommen. SPD und Grüne dürften dagegen stimmen, und ob die Linke für ein CDU-Gesetz stimmt – obwohl sie den Versandhandel seit Jahren bekämpft – ist mehr als fraglich.
Oesterle hatte Recht!
Die Argumente der Versandhandelsbefürworter sind bekannt: „Wir können doch im Jahr 2016 nicht das Internet verbieten! Wir haben mehrfach versprochen, die Digitalisierung voranzutreiben. Wie würde ich sowas meinen Wählern erklären?“, argumentieren Politiker hinter vorgehaltener Hand. Einige andere sehen den Rx-Versandhandel als wichtigen Bestandteil der Versorgung, was sich bei näherem Hinsehen allerdings als nicht stichhaft entpuppt. Denn ein Marktsegment mit ein bis zwei Prozent Rx-Marktanteil ist eher eine Nische als ein wichtiger Versorgungsbestandteil.
Doch all diese Meinungen sind nicht neu. Schon seit Jahren heißt es aus der Politik: „Mit dem Versandhandel müssen die Apotheker leben lernen, den packen wir nicht an.“ Die ABDA hatte also eigentlich lange genug Zeit, an einem Plan C zu arbeiten. Offiziell kommentieren will bei der ABDA niemand, ob man schon an Alternativen denkt. Auch das ist nicht verwunderlich, denn in dem Moment, in dem man eine Alternative ins Spiel bringt, gibt man seinen eigentlichen Plan auf.
Klar ist: Plan C wird und muss komplexer ausfallen als das Rx-Versandhandelsverbot. Denn außer der Aufhebung der Preisbindung und dem Versandverbot gibt es keine „leichten“ Lösungen. Mit Blick auf die Komplexität spielt auch der Faktor Zeit eine wichtige Rolle: Es ist nur schwer vorstellbar, dass die Große Koalition den Apothekern im letzten halben Jahr vor der Bundestagswahl noch so ein großes Geschenk wie das Rx-Versandhandelsverbot macht. Kein Politiker will sich im Wahljahr von der FAZ, der SZ oder Bild erneut vorwerfen lassen, die Apotheker beschenkt zu haben. Für die Apotheker heißt das: Je länger die Debatte um den Rx-Versand andauert, desto schlechter ist es für sie und desto dringender wird ein Plan C benötigt.
Ex-Celesio-Chef Fritz Oesterle sagte mit Blick auf das EuGH-Urteil vor ein paar Wochen im Interview mit DAZ.online: „Weil keiner wirklich mit einem Urteil Pro-Rx-Boni rechnet, erwarte ich leicht chaotische Zustände, wenn das Urteil des EuGH dann doch so ausfällt.“ Auch wenn auf Oesterles Konto sicherlich einige fragwürdige bis falsche Entscheidungen für den Apothekenmarkt gehen – mit dieser Aussage sollte der Ex-Celesio-Chef Recht behalten. Scheitert das Rx-Versandhandelsverbot, geht die Diskussion von vorne los. Im Moment stehen zahlreiche Vorschläge im Raum (Beratungshonorar, Rahmenvertrag, Gebührenordnung, Selektivverträge, etc.). Keiner davon ist aber wirklich ausgereift, geschweige denn mit politischen Mehrheiten versehen. Einen dieser Vorschläge sollten die Apotheker allerdings weiterentwickeln, um in ihren Gesprächen mit den Politikern nicht ganz nackig da zu stehen, wenn es heißt: Das Rx-Versandhandelsverbot kommt nicht.
7 Kommentare
Notfallvorsorge
von Frank Zacharias am 04.11.2016 um 10:22 Uhr
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Recht verwirkt
von Karl Friedrich Müller am 04.11.2016 um 9:24 Uhr
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Nur zur Erinnerung
von Christiane Patzelt am 04.11.2016 um 9:06 Uhr
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Plan C
von Hermann Eiken am 04.11.2016 um 9:00 Uhr
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Gedanken
von Karl Friedrich Müller am 04.11.2016 um 8:36 Uhr
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RX-Versandverbot
von Dr. Radman am 04.11.2016 um 8:18 Uhr
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Plan C
von Karl Friedrich Müller am 04.11.2016 um 8:13 Uhr
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