Kommentar zum Rx-Versandhandelsverbot

Plan C dringend benötigt

Berlin - 04.11.2016, 07:00 Uhr

Wie geht's weiter? Plan A (positives EuGH-Urteil) ist gescheitert, Plan B (Rx-Versandverbot) wackelt. Wo ist plan C? (Foto: dpa)

Wie geht's weiter? Plan A (positives EuGH-Urteil) ist gescheitert, Plan B (Rx-Versandverbot) wackelt. Wo ist plan C? (Foto: dpa)


Die ABDA und das Bundesgesundheitsministerium setzen derzeit alles auf eine Karte: das Rx-Versandhandelsverbot. Zunehmend zeigt sich aber, dass dieses politisch nicht besonders beliebt ist. Und: Die Zeit wird knapp. DAZ.online-Redakteur Benjamin Rohrer meint: Bislang kann sich die ABDA-Kampagne sehen lassen, braucht nun aber frischen Wind.

In diesen Tagen ist es schwer, einen Kammer- oder Verbandschef der Apotheker zu erreichen. Wenn mal einer der Landeschefs ans Telefon geht, steht er oder sie entweder kurz vor oder nach einem Gespräch mit einem wichtigen Politiker. Das beherrschende Thema in diesen Gesprächen ist ganz klar: Die ABDA fordert beharrlich ein striktes Verbot des Rx-Versandhandels.

Und bislang macht sie das auch nicht schlecht. Noch vor dem Urteil hatte ABDA-Chefjurist Lutz Tisch lauthals verkündet, die Apotheker bräuchten keinen Plan B, weil der EuGH schon irgendwie im Sinne der Apotheker entscheiden werde (Plan A). Wie organisiert, strukturiert und orchestriert die ABDA seit dem EuGH-Urteil zur Preisbindung ihre Lobby-Arbeit vorträgt, zeigt aber: An der Berliner Apothekerspitze hatte man sich vorher sehr wohl einen detaillierten Schlachtplan für den Fall der Fälle zurechtgelegt.

Um den Plan B, das Verbot des Rx-Versandhandels, zu erreichen, greifen seit zwei Wochen nach und nach verschiedene politische Aktionen und Maßnahmen. Zunächst protestierte die ABDA-Spitze via Pressemitteilung und in Fernseh- und Zeitungsinterviews, wies auf die Gefahr des Urteils für die flächendeckende Versorgung hin und machte schon früh klar: Zur Lösung dieses Problems muss der Gesetzgeber eingreifen, mit nur einer möglichen Regelung. Es folgte eine Anzeigenkampagne in großen Zeitschriften, über die man sich aus ästhetischer Sicht streiten kann, die aber auch nur eine Schlussfolgerung zuließ: Es gibt keine Alternativen zur Apotheke vor Ort – auch nicht den Versandhandel.

Schließlich organisierte die ABDA gemeinsam mit all ihren Mitgliedsorganisationen zahlreiche Gespräche mit Politikern. Eines – und vielleicht das wichtigste – dieser Gespräche fruchtete sofort: Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) kündigte an, den Rx-Versandhandel verbieten lassen zu wollen. An diesem Tag müssen im neuen (temporären) ABDA-Haus die Korken geknallt haben. Die Apotheker haben ihre Sektflaschen aber vielleicht zu früh geöffnet. Denn selbst in der eigenen Fraktion wird Gröhe nicht alle Stimmen für ein Rx-Versandverbot zusammenbekommen. SPD und Grüne dürften dagegen stimmen, und ob die Linke für ein CDU-Gesetz stimmt – obwohl sie den Versandhandel seit Jahren bekämpft – ist mehr als fraglich.

Oesterle hatte Recht!

Die Argumente der Versandhandelsbefürworter sind bekannt: „Wir können doch im Jahr 2016 nicht das Internet verbieten! Wir haben mehrfach versprochen, die Digitalisierung voranzutreiben. Wie würde ich sowas meinen Wählern erklären?“, argumentieren Politiker hinter vorgehaltener Hand. Einige andere sehen den Rx-Versandhandel als wichtigen Bestandteil der Versorgung, was sich bei näherem Hinsehen allerdings als nicht stichhaft entpuppt. Denn ein Marktsegment mit ein bis zwei Prozent Rx-Marktanteil ist eher eine Nische als ein wichtiger Versorgungsbestandteil.

Doch all diese Meinungen sind nicht neu. Schon seit Jahren heißt es aus der Politik: „Mit dem Versandhandel müssen die Apotheker leben lernen, den packen wir nicht an.“ Die ABDA hatte also eigentlich lange genug Zeit, an einem Plan C zu arbeiten. Offiziell kommentieren will bei der ABDA niemand, ob man schon an Alternativen denkt. Auch das ist nicht verwunderlich, denn in dem Moment, in dem man eine Alternative ins Spiel bringt, gibt man seinen eigentlichen Plan auf.

Klar ist: Plan C wird und muss komplexer ausfallen als das Rx-Versandhandelsverbot. Denn außer der Aufhebung der Preisbindung und dem Versandverbot gibt es keine „leichten“ Lösungen. Mit Blick auf die Komplexität spielt auch der Faktor Zeit eine wichtige Rolle: Es ist nur schwer vorstellbar, dass die Große Koalition den Apothekern im letzten halben Jahr vor der Bundestagswahl noch so ein großes Geschenk wie das Rx-Versandhandelsverbot macht. Kein Politiker will sich im Wahljahr von der FAZ, der SZ oder Bild erneut vorwerfen lassen, die Apotheker beschenkt zu haben. Für die Apotheker heißt das: Je länger die Debatte um den Rx-Versand andauert, desto schlechter ist es für sie und desto dringender wird ein Plan C benötigt.

Ex-Celesio-Chef Fritz Oesterle sagte mit Blick auf das EuGH-Urteil vor ein paar Wochen im Interview mit DAZ.online: „Weil keiner wirklich mit einem Urteil Pro-Rx-Boni rechnet, erwarte ich leicht chaotische Zustände, wenn das Urteil des EuGH dann doch so ausfällt.“ Auch wenn auf Oesterles Konto sicherlich einige fragwürdige bis falsche Entscheidungen für den Apothekenmarkt gehen – mit dieser Aussage sollte der Ex-Celesio-Chef Recht behalten. Scheitert das Rx-Versandhandelsverbot, geht die Diskussion von vorne los. Im Moment stehen zahlreiche Vorschläge im Raum (Beratungshonorar, Rahmenvertrag, Gebührenordnung, Selektivverträge, etc.). Keiner davon ist aber wirklich ausgereift, geschweige denn mit politischen Mehrheiten versehen. Einen dieser Vorschläge sollten die Apotheker allerdings weiterentwickeln, um in ihren Gesprächen mit den Politikern nicht ganz nackig da zu stehen, wenn es heißt: Das Rx-Versandhandelsverbot kommt nicht.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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7 Kommentare

Notfallvorsorge

von Frank Zacharias am 04.11.2016 um 10:22 Uhr

Ich möchte hier einmal eine Bundesdrucksache erwähnen, die in der Diskussion mit den Politikern und den Kunden genutzt werden sollte. Besonders interessant für uns wird es auf Seite157f

https://www.tab-beim-bundestag.de/de/pdf/publikationen/berichte/TAB-Arbeitsbericht-ab141.pdf

Die Versorgung in einem Katastrophenfall können nur flächendeckend die heute noch vorhandenen Apotheken. Sollte der Versand diese Strukturen zerstören, dann kann der Staat seine Daseinsvorsorge für die Bevölkerung NICHT sicherstellen. Die Gefahr eines flächendeckenden, länger anhaltenden Stromausfalls wird nicht weniger sondern mehr.

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Recht verwirkt

von Karl Friedrich Müller am 04.11.2016 um 9:24 Uhr

wenn ich meine Gedanken weiterspinne, hat DocMorris ein Eigentor geschossen.
Entweder es gilt der Rahmenvertrag, dann verstößt DocMorris dagegen.
Oder er gilt auf Grund des Urteils nicht.
In beiden Fällen darf DocMorris nicht nach Deutschland liefern.
Sie haben sich das Recht erstritten, vom deutschen Markt zu verschwinden.
oder liege ich falsch?

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Nur zur Erinnerung

von Christiane Patzelt am 04.11.2016 um 9:06 Uhr

Die Bundesregierung hat die Pflicht, die Versorgung mit Arzneien sicherzustellen, wir haben die Pflicht, die Versorgung vollumfänglich zu gestalten ( Kontrahierungszwang/Pandemieplan/Notdienste). Diese Gemeinwohlpflichten sind keine Option, die Versender machen sie aber zu einer Option!
Die ausländischen Versender sind ergo entweder zur Gemeinwohlpflicht zu verpflichten oder
Wir verklagen die Bundesregierung wegen Behinderung der Ausübung der Gemeinwohlpflicht.
Es kann nicht angehen, dass wir für die Verpflichtung der Versorgung herangezogen werden, ohne dafür die passenden Rahmenbedingungen vorzufinden!

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Plan C

von Hermann Eiken am 04.11.2016 um 9:00 Uhr

Wenn es denn nicht möglich sein sollte, den RX-Versand ganz zu verbieten, könnte man dann nicht den RX-Versand aus dem AUSLAND verbieten und das in Verbindung mit der Einhaltung des Rahmenvertrags bringen. Die Begründung wäre dann, gleichlange Spieße im Einkaufsbereich und im Steuerbereich zu haben.. Die Ausgestaltung des Gesetzes müsste dann eindeutig so sein, dass auch Selektivverträge der Krankenkassen mit ausländischen Versendern nicht erlaubt werden. Mit der Zeit wäre dann zu überlegen, wie man Beratungshonorare im Apothekensystem sinnvoll implantieren kann, was ja auch schon angedacht ist, und man als Chance begreifen kann, z. B. im Präventions- und Beratungsbereich. --- Die deutschen Versandapotheken hätten dann keinen Nachteil der Inländerdiskriminierung mehr. DOMO und Co. könnten aber RX nicht mehr nach Deutschland liefern, da nicht überprüfbar ist, mit welchen Einkaufs- und Steuerkonditionen sie arbeiten. Den Krankenkassen wäre auch gedient, da sie weiterhin mit Rabattverträgen arbeiten können. Diese Lösung könnte man als Plan C andenken, wenn Plan B nicht durchsetzbar ist. Einfach nur mal zum Nachdenken!

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Gedanken

von Karl Friedrich Müller am 04.11.2016 um 8:36 Uhr

Die KK müssen gezwungen werden, den Rahmenvertrag durchzusetzen. Das heißt kein Geld für ausländische Versender, wenn Rabatte angeboten werden. Schon das Angebot reicht, finde ich.
Allerdings ist es ja oft so, dass ein ganzer Vertrag nicht gilt, wenn Teile ungültig sind. Hat das Urteil dann Auswirkungen auf die Gültigkeit des Rahmenvertrags für ausländische Versender? Wenn er dann ungültig sein sollte, dürften die doch überhaupt nicht mehr liefern, mangels Vertrag?
Sollen die inländischen Versender doch klagen. Dann müsste aber ein entsprechendes Urteil (Inländerdiskriminierung) als Hebel benutzt werden, des EuGH Urteil zu kassieren und nicht, um die Preise im Inland frei zu geben.

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RX-Versandverbot

von Dr. Radman am 04.11.2016 um 8:18 Uhr

Ich habe schon ganz am Anfang gesagt:

Es gibt keinen plan C. Wir haben nur die beiden Möglichkeiten.

Entweder RX-Vesandverbot oder alles freigeben.

Der Ball liegt beim Gesetzgeber. Und wir müssen mit dem Risiko der Freigabe leben.

ABDA soll darauf beharren RX- Versandverbot zu erreichen. Ohne wenn und aber...

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Plan C

von Karl Friedrich Müller am 04.11.2016 um 8:13 Uhr

1. Die Preisbindung muss bleiben. Die Vorstellungen, die bisher veröffentlicht wurden, die ein "Alternative" darstellen sollen, treibt die Apotheken noch schneller ins Aus. Wir können auch auf Teile des Honorars nicht verzichten. Wir können dann nicht mehr um Honorarerhöhnungen streiten, wenn die als Rabatt abfließen. Wir werden in dem Punkt absolut unglaubwürdig. Wenigstens im Inland muss die Preisbindung erhalten bleiben, auch für deutsche Versandapotheken.
2. Plan C ist nicht komplex. Er heißt Streik. Die deutsche (!) Politik muss als Übeltäter genannt werden, nicht Europa.
Mal sehen, ob sich die SPD nicht unter 10% Wählerzustimmung drücken lässt. Und die Grünen aus dem Parlament.
Kommen S>ie mir nicht mit rechtlichen Bedenken. WIr streiten nicht nur für uns, sondern die Bevölkerung, die den raffgierigen Konzernen schutzlos ausgeliefert wird (und ist). Nicht nur im Bereich des Gesundheitswesens.

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