Offener Brief

Protest gegen Homöopathie-Vorträge an Uni München

München - 16.11.2016, 10:00 Uhr

Umstritten: Anscheinend stellt das Uniklinikum München Homöopathie in einer unkritischen Ringvorlesung vor. (Foto: Kingofears / Wikimedia, CC BY-SA 3.0)

Umstritten: Anscheinend stellt das Uniklinikum München Homöopathie in einer unkritischen Ringvorlesung vor. (Foto: Kingofears / Wikimedia, CC BY-SA 3.0)


Homöopathie an einer Exzellenzuni? Für Kritiker ist dies ein Unding – sie protestieren gegen öffentliche Vorträge von Homöopathen am Klinikum der Uni München. Für die Süddeutsche Zeitung hat die Uni „versagt“, auch der Bayerische Rundfunk greift das Thema auf.

Eine neu aufgelegte Ringvorlesung „Homöopathie – Von der Theorie zur Praxis“ an der Uniklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) stößt auf erhebliche Kritik. In 14 Vorträgen geht es um homöopathische Behandlungen von Schnupfen oder Husten, aber auch um die Behandlung von Prostata-Karzinomen, Bipolaren Affektiven Störungen oder allgemein Krebspatienten – „mit Q-Potenzen“. Die Vortragsreihe wird in Kooperation mit dem Landesverband Bayern des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte angeboten.

„Diese unkritische Behandlung der Homöopathie hat an einer wissenschaftlichen Fakultät nichts zu suchen“, erklärten Kritiker wie der Alternativmedizin-Forscher Edzard Ernst oder die Homöopathie-Aussteigerin Natalie Grams in einem offenen Brief des „Informationsnetzwerks Homöopathie“ und der Skeptiker-Bewegung an die LMU. Es sei mit „dem Auftrag zu Forschung und Lehre unvereinbar“, einer von der überwältigenden Mehrheit der weltweiten Forschungsgemeinde als spezifisch arzneilich unwirksam eingestuften Methode eine oberflächlich-werbende Darstellung zu geben.

Homöopathie muss im Kontext vermittelt werden

„Wir halten es für verfehlt, durch eine solche Veranstaltung der homöopathischen Methode zu akademischem Ansehen zu verhelfen, nachdem dies eigentlich längst als obsolet angesehen werden müsste“, erklären die Unterzeichner des Briefes. „Denn wir sind durchaus der Ansicht, dass richtig verstandene Lehre auch in Bezug auf die Homöopathie an einer Universität Platz finden könnte, ja sogar müsste.“

Doch die Lehre Samuel Hahnemanns müsse im medizinhistorischen Kontext vermittelt werden, fordern sie. Ihre „Widersprüchlichkeiten und Unverträglichkeiten mit naturgesetzlichen Gegebenheiten“ sollten erörtert und der fehlende Wirkungsnachweis diskutiert werden. „Das wäre im Hinblick darauf zu begrüßen, dass angehende Mediziner dann auch auf diesem Gebiet mit solidem Wissen und nicht mit einem Bündel von nicht hinterfragten Vorurteilen ins Berufsleben starten“, schreiben die Kritiker. 

Keine Wirksamkeit belegt, doch große Hoffnungen

Was sagt die Uni? „Die Homöopathie ist eine komplementärmedizinische Behandlungsmethode, die auf dem Prinzip ‚similia similibus curentur‘ beruht“, schreibt die Pressestelle auf Nachfrage in einer Stellungnahme. „Sie wird kritisch diskutiert, da bis heute keine naturwissenschaftliche Begründung einer über einen Placebo-Effekt hinausgehende Wirksamkeit belegbar ist.“ Eine Veranstaltung zur Homöopathie anzubieten, bedeute entsprechend nicht, dass die Homöopathie in den gleichen Rang wie die evidenzbasierte Medizin erhoben wird. „Viele Patienten verbinden mit komplementärmedizinischen Therapien große Hoffnungen, erklärt die Pressestelle. „Die klinische Medizin kann sich daher auch nicht auf eine rein naturwissenschaftliche Perspektive begrenzen.“

LMU-Klinik setzt Homöopathie nur als Ergänzung ein

Komplementärmedizinische Themen seien im Medizinstudium verankert – „und damit prüfungsrelevant für das Staatsexamen“ – zudem müssen die Absolventen im klinischen Alltag diskussionsfähig sein auch hinsichtlich umstrittener Heilverfahren. „Wenn am Klinikum der LMU komplementärmedizinische Behandlungsmethoden zum Einsatz kommen, werden sie immer nur in Ergänzung evidenzbasierter Methoden angewendet – niemals an deren Stelle“, betont die Pressestelle.

Ziel eines Pilotprojektes „Integrative Pädiatrie“ am Dr. von Haunerschen Kinderspital sei es, die wissenschaftstheoretischen Grundlagen zu erörtern und klinische Studien zu initiieren. „Dies entspricht unserem akademischen Auftrag, die Phänomene der Natur und der Medizin einer kritischen Betrachtung zu unterziehen“, erklärt die Uniklinik – obwohl kritische Themen im Programm der Ringvorlesung nicht auftauchen.

SZ: Uni hat „versagt“

Das Protestschreiben wurde von öffentlichkeitswirksamen Medien breit aufgenommen. „Homöopathie: Wissenschaftliche Seriosität maximal verdünnt“, titelte ein Kommentar der „Süddeutschen Zeitung“. „Was die Universität nicht sein darf, ist eine Werbeplattform für die Anbieter eines ebenso skurrilen wie lukrativen Verfahrens, das mit Wissenschaft nichts zu tun hat“, schreibt ein Medizinredakteur der Zeitung. „Durch die Aufnahme in den akademischen Zyklus einer Ringvorlesung nobilitiert die Universität eine Behandlungsrichtung, die bisher jeden seriösen Nutzennachweis schuldig geblieben ist, aber von der Politik aus populistischen Gründen als ‚besondere Therapierichtung‘ geschützt wird.“

So dürften Homöopathen kranke Menschen behandeln, „ohne dass mit wissenschaftlicher Sorgfalt bewiesen sein muss, dass die Behandlung eine spezifische Wirkung hat“, erklärt er. Spätestens wenn tatsächlich hilfreiche Verfahren unterbleiben oder zu spät eingeleitet werden, würde die Homöopathie gefährlich.

Für den Laien dränge sich der Eindruck auf, es müsse „etwas dran sein“, wenn eine Uni derartige Vorträge anbietet. „Jede bessere Volkshochschule versucht inzwischen, ihre Programme mit empirisch fundierten Inhalten zu füllen“, schreibt die Zeitung. „Die Universität hat da versagt.“

Das Bayerische Fernsehen nimmt sich am heutigen Mittwochabend um 21:00 Uhr im Politikmagazin „Kontrovers“ des Themas an. „Wird damit eine Pseudomedizin durch eine Spitzenuni wissenschaftlich geadelt?“, heißt es in der Programmankündigung.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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6 Kommentare

Süße Sachzwänge

von Dr. Hans-Werner Bertelsen am 22.11.2016 um 16:51 Uhr

Tja. Was soll man machen als Klinikchef, wenn der Laden nicht vollbelegt ist? Man sucht sich eine Möglichkeit, damit mehr Zuweisungen kommen. In und um München herrscht die größte Heilpraktiker- und Homöopathen-Dichte Deutschlands. Wegen der hohen Lebenshaltungskosten wird jeder Mediziner bei der Niederlassung gewarnt, ja nicht ohne "ganzheitliches Jodeldiplom-Konzept" anzutreten. Die puren Kasseneinnahmen reichen nur für einen gebrauchten Polo und eine Souterrain-Mietwohnung. Also flugs Jodeldiplom erwerben, damit man auch wirklich "sanft rüberkommt". Nur was ist in dem Fall, wenn man eine stationäre Einweisung ausfüllen muss? Werde ich dann als Niedergelassener von den Klinikärzten für gaga erklärt? Tief durchatmen, gelassen bleiben und ab mit dem Kind zur Zuckerkugel-Klinik. Dort versteht man sich bestens untereinander. Das nennt man wohl süße Sachzwänge.

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Ich kann ...

von Stefan Haydn am 18.11.2016 um 12:17 Uhr

...ja jeden verstehen, der auf evidenzbasierter Medizin besteht.

Leider reagieren Menschen aber nicht immer evidenzbasiert.
Deshalb soll ja auch in der Medizin wieder mehr Wert auf die soft skills gelegt werden.

Solange eine schulmedizinische Behandlung nicht unterbleibt, soll der Patient gerne auf die Homöopathie zurückgreifen, wenn es ihm hilft.
Alternativ kann ja auch der Arzt mehr Empathie in die Behandlung legen.
Kügelchen sind aber wahrscheinlich weniger zeitaufwändig und kostensparender.

Vielleicht wäre es auch an der Zeit sich als Mediziner zu fragen, warum so viele Patienten nach Ergänzungen ihrer Therapie suchen. Das hat auch etwas mit Vertrauensverlust zu tun.

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AW: Ramen, ich sage Euch

von Mr. MIR am 18.11.2016 um 15:52 Uhr

Leider sind es grad die kommerziell aktiven Homöopathen, welche oft gegen die (um nicht das Nazi Wort Schulmedizin zu verwenden) evidenzbasierte Medizin agieren. Auch gegen das Impfen. ..

Natürlich soll jeder sich soviel Zucker reinpfeifen können wie er will. Homöopathisch geschüttelte oder FSMoPathisch besprochene oder vom Pumuckl betanzte Globuli. Aber esoterikblödsinn muss aus den Apotheken raus.

Ramen.

Quackery like it's 1799

von Student am 17.11.2016 um 19:30 Uhr

Der Kampf gegen die Quacksalberei hat Jahrhunderte gedauert.
Der Sieg hielt nur einige Jahrzehnte, denn die Quacksalberei ist zurück - und etabliert wie nie zuvor.

Schuld seid auch ihr, liebe Apotheker. Ihr genießt ein hohes Vertrauen innerhalb der Bevölkerung, und ihr habt dieses komplett wirkungslose Zeug fleißig für teuer Geld an eure Kunden verkauft.
Ihr habt maßgeblich dazu beigetragen, diesen erbärmlichen Schwachsinn - die Homöopathie - zu etablieren.

Ihr habt nicht nur eure Kunden betrogen (oder zumindest einen Teil der Wahrheit verschwiegen), ihr habt auch die Wissenschaft hintergangen. Nur des Umsatzes wegen.

Erlebt vor ca. einem halben Jahr in einer größeren Apotheke in Südwestdeutschland:
Eine Kundin vor mir fragte die PTA nach einem Schmerzmittel für ihr zahnendes Kind. Empfohlen wurde Paracetamol.
So weit, so gut.
Die Kundin war schon am Bezahlen, als die PTA beifügte, sie hätte auch ein homöopathisches Präparat anzubieten.

Die Kundin war interessiert und fragte nach Wirkung und Nebenwirkungen.
O-Ton PTA: "Ja, sicher! Das wirkt genauso gut und hat noch den Vorteil, dass es nix schadet!"
Natürlich entschied sich die Kundin daraufhin für das homöopathische Präparat ...

"Das arme Kind ... " hab ich mir nur gedacht. Schockierende, an Betrug grenzende Fehlberatung in meinen Augen.

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Ramen

von Mr. MIR am 16.11.2016 um 18:23 Uhr

Ramen! Wenn man an Universitäten die Homöopathie unterrichtet, so muss man auch die FSMoPathie unterrrrichten!

https://fsmosophica.org/fsmopathie

FSMoPathie! Wirkt fast besser als die Homöopathie. Ramen.

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"Stellungnahme" der LMU-Pressestelle

von Udo Endruscheit am 16.11.2016 um 11:04 Uhr

Was für ein unschlüssiges, inhaltsleeres Statement. Ich kann dort nur herauslesen, dass tatsächlich keine Bereitschaft besteht, wissenschaftlich mehr als umstrittene Methoden als das zu sehen und zu lehren, was sie sind: Keine Alternative, sondern unethisch gegenüber den Patienten. Es gibt keine "alternative" oder "komplementäre" Medizin. Diese Begriffe sind Euphemismen. Es gibt nachweislich wirksame medizinische Methoden -die gehören sämtlich zur evidenzbasierten Wissenschaftsmedizin, seit Hahnemann auch abfällig "Schulmedizin" genannt. Alles andere ist weder komplementär (will ich unwirksame Methoden komplementär zu wirksamen einsetzen) oder gar alternativ (was bedeutet, Unwirksames gar an die Stelle evidenzbasierter Methoden zu setzen).
Diese Euphemismen verschleiern lediglich, wo die Grenze wirklich verläuft: Nämlich diesseits und jenseits nachgewiesener Wirksamkeit.
Ich staune zudem über die Anmerkung der LMU-Pressestelle, Ziel der homöopathischen Aktivitäten sei u.a. die "Initiierung von Studien". Bereits 2015 hat das Laborjournal bereits darauf hingewiesen, dass nach zwanzigjähriger homöopathischer Tätigkeit an diesem Ort keine einzige klinische Studie veröffentlicht worden sei.

Die arme Pressestelle tut mir leid.

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