Schmidt bei Lobby-Veranstaltung

Medikationmanagement statt Preisbindung und Versandhandel

Berlin - 24.11.2016, 12:00 Uhr

Apotheker einbinden: Anstatt über das EuGH-Urteil und die Preisbindung zu sprechen, wählte Friedemann Schmidt bei einer Lobby-Veranstaltung den Medikationsplan als seine Kernforderung an die Politik aus. (Foto: AKNR)

Apotheker einbinden: Anstatt über das EuGH-Urteil und die Preisbindung zu sprechen, wählte Friedemann Schmidt bei einer Lobby-Veranstaltung den Medikationsplan als seine Kernforderung an die Politik aus. (Foto: AKNR)


Fünf Minuten lang hatte ABDA-Präsident Friedemann Schmidt am gestrigen Mittwoch bei einer Veranstaltung des Berliner Tagesspiegels, um die drei wichtigsten Forderungen der Apotheker vorzustellen. Nicht dabei: das Rx-Versandhandelsverbot. Dafür unterstrich Schmidt, wie wichtig es sei, dass die Apotheker an einem umfassenden Medikationsmanagement beteiligt werden.

ABDA-Präsident Friedemann Schmidt nahm am gestrigen Mittwochabend an einer sehr speziellen Veranstaltung der Berliner Tageszeitung „Der Tagesspiegel“ teil. Den ganzen Tag über hatten Vertreter verschiedenster Lobby-Vereinigungen die Gelegenheit, einem ausgewählten Publikum aus hochrangigen Politikern, Journalisten und anderen Lobbyisten ihre wichtigsten Forderungen in einem fünfminütigen Briefing vorzustellen.

Das Besondere an dem Format: Die Kurzvorträge waren thematisch sortiert und konkurrierten miteinander. Schmidts Rede war beispielsweise Teil der Gruppe „Gesundheit“, zu der unter anderem auch Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer, gehörte. Jeder Redner hatte fünf Minuten lang Zeit, drei Kernforderungen seiner Interessengruppe vorzustellen. Anschließend war das Publikum aufgefordert, die Realisierungschancen der Forderungen auf einer Skala von 1 bis 5 per Televoting zu bewerten. In der Gruppe „Gesundheit“ gab es insgesamt fünf Interessenvertreter, die mit ihren Vorträgen gegeneinander antraten.

Schmidt sprach über Freiberuflichkeit und Medikationsmanagement

In seiner ersten These unterstrich Schmidt die Bedeutung der Freiberuflichkeit für das Gesundheitswesen. Die Freiberuflichkeit sei ein Garant dafür, dass die Arzneimittelversorgung in Deutschland so „gut, innovativ, niedrigschwellig und vergleichsweise wirtschaftlich“ sei. Es folgte die einzige Andeutung des ABDA-Präsidenten auf die derzeitige politische Lage nach dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung: Schmidt erklärte, man müsse die Freiberuflichkeit insbesondere gegenüber Angriffen aus der EU verteidigen. Explizit erwähnte Schmidt die Themen Versandhandel und Preisbindung allerdings nicht.

Vielmehr ging er zu seiner Kernforderung über, die sich um das Medikationsmanagement drehte. Die These lautete: „Arzneimitteltherapiesicherheit verbessern: Gemeinsames Medikationsmanagement durch Arzt und Apotheker.“ Schmidt beteuerte, dass es unerlässlich sei, ein umfassendes Medikationsmanagement einzurichten und die Apotheker stärker und aktiver am Medikationsplan zu beteiligen. Zur Erinnerung: Seit dem 1. Oktober 2016 haben Patienten Anspruch auf einen papiernen Medikationsplan, wenn sie drei oder mehr Arzneimittel über einen längeren Zeitraum gleichzeitig einnehmen. Entlohnt werden dafür nur die Ärzte, die Apotheker dürfen auch nur auf Wunsch des Patienten OTC-Arzneimittel ergänzen. Ein Medikationsmanagement mit pharmazeutischer Beratung ist derzeit noch nicht auf Kassenleistung möglich.

SPD-Politiker für engere Einbindung der Apotheker beim Medikationsplan

Eng verknüpft mit dieser Forderung stellte Schmidt seine letzte These vor. Denn eine solche Mehrleistung der Apotheker im Rahmen eines eventuellen Medikationsmanagements müsse honoriert werden, forderte der ABDA-Präsident. Die Apotheker bräuchten Planungssicherheit und eine „systematische Vergütungsreform mit verlässlichen und leistungsgerechten Regeln für Apotheken“.

Mit seiner Forderung nach der Einführung eines Medikationsmanagements landete Schmidt übrigens auf Platz drei der fünfköpfigen Gesundheitsgruppe. Schmidt erhielt für diese Forderung eine durchschnittliche Punktzahl von etwa 3,3. Am meisten Unterstützung konnte Christian Schneider, Geschäftsführer des deutschen Komitees für Unicef, verbuchen. Schneider hatte unter anderem gefordert, dass Kinderrechte ins Grundgesetz aufgenommen werden. In etwa so gut wie Schmidt schloss Montgomery ab, der dafür plädierte, das duale Krankenversicherungssystem zu erhalten und eine Bürgerversicherung zu verhindern.

Pharma-Vertreter greift Gesundheitspolitiker an

Eine etwas schlechtere Punktzahl erhielt Dr. Martin Zentraf, der für den Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) an der Diskussion teilnahm. Der BPI-Vorsitzende kritisierte, dass die Gesundheitspolitiker bei der „Pharma-Politik“ die Kostenreduktion in den Vordergrund stelle. Es sei kein Wunder, dass sich unter dem derzeitigen Kostendruck Unternehmen dazu entschieden, den deutschen Markt zu verlassen. Zentgraf stellte daher die Forderung auf, dass sich die Gesundheitspolitik stärker am Versorgungsbedarf der Menschen orientieren solle.

In der anschließenden Diskussionsrunde erhielt allerdings insbesondere Schmidt Zustimmung aus den Reihen der Politik. Edgar Franke (SPD), Vorsitzender des Gesundheitsausschusses im Bundestag, gestand ein, dass der Gesetzgeber nun prüfen müsse, ob Apotheker in den Medikationsplan stärker einbezogen und auch honoriert werden müssten. Franke wies darauf hin, dass viele Patienten gar nicht zum Arzt gingen, sondern sich von Apothekern beraten ließen und erst einmal eine Selbstmedikation erhielten. Solche Fälle könnten derzeit nicht durch einen Medikationsplan abgedeckt werden.  Auch eine Politik-externe Gesundheitsexpertin stimmte der Forderung der Apotheker zu. Dr. Gabriele Meyer, Mitglied im Sachverständigenrat für Gesundheit, sagte, dass die Apotheker am „innovativen Instrument“ Medikationsplan unbedingt beteiligt werden müssten. Wichtig sei ihr auch, dass ein umfassendes Medikationsmanagement etabliert werde, an dem die Apotheker teilnehmen.

Update: Die Arzneimittel-Expertin der Grünen-Bundestagsfraktion, Kordula Schulz-Asche, reagierte auf Twitter umgehend auf den Bericht von DAZ.online:



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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2 Kommentare

nichts mehr umsonst

von Karl Friedrich Müller am 24.11.2016 um 15:33 Uhr

meines Erachtens ist damit das Problem mit den Rabatten nicht vom Tisch.
Die KK haben Blut geleckt.
Ein MM ohne ZUSÄTZLICHE Vergütung ist nicht machbar.
Mit der derzeitigen Bezahlung nicht, abzüglich Boni schon gar nicht.
Keine Leistung mehr umsonst.

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Genial

von Wolfgang Müller am 24.11.2016 um 14:15 Uhr

Bravo. Aus der Not eine Tugend machen. Die "Perspektive 2030 - Weg von der Packung!" JETZT unumkehrbar machen! Das Gabriel-Honorar-Projekt UND das EuGH-Urteil DAZU nutzen!

Schon Trump sagte: "I´m a Deal Maker!", und ihm wurde begeistert gefolgt. Jetzt einen WASSERDICHTEN Weg finden, dass die Abgabe von Rx-Arzneimitteln nicht ohne apothekerliches Medikations-Management geht, und dass apothekerliches Medikationsmanagement auf gar keinen Fall den Versand-Apotheken erlaubt wird! Sondern dass es nur umfassend fortgebildete Vor-Ort-Apotheken mit umfassender Vor-Ort-Fach-Literatur dazu machen dürfen, auf die sich der Patient für mindestens 1 Jahr als Selektivvertrags-gestützte Hausapotheke festgelegt hat. Sowas wollen schließlich auch Lauterbach und Glaeske.

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