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Der britische Pharmakonzern GlaxoSmithKline hat mit traditionellen und teils stark kritisierten Strukturen der Pharmabranche gebrochen und sich einem ethischeren Kurs verschrieben. Doch zahlt sich die neue Strategie aus? Und was können andere Unternehmen davon lernen? Analysten von „Eye for Pharma“ haben genauer hingesehen.
Noch vor wenigen Jahren war der Ruf von GlaxoSmithKline (GSK) reichlich ramponiert. Der Konzern geriet wegen Schmiergeldzahlungen, einem Bestechungsskandal, gefälschten Daten über Medikamentensicherheit und Intransparenz in die Schlagzeilen. Mitte 2012 musste der Konzern im größten Betrugsskandal des US-Gesundheitssektors ein Bußgeld von drei Milliarden Dollar zahlen.
Daraufhin zog Konzernchef Andrew Witty die Reißleine und verordnete dem Unternehmen einen radikalen Wandel. Der Konzern sollte fortan offen und transparent im Verhältnis mit Ärzten sein und Mediziner nicht mehr bezahlen, wenn diese im Namen von GSK als Redner auftreten. Außerdem wurde die Losung ausgegeben, den Patienten in den Mittelpunkt aller Aktivitäten zu stellen und die Ergebnisse klinischer Studien transparenter zu machen.
Experten von „Eye for Pharma“, eine auf die Pharmabranche spezialisierte britische Analysefirma, haben dies zum Anlass genommen, sich den Wandel bei GSK und anderen Unternehmen genauer anzuschauen. Zwar haben die Pharmakonzerne in der vergangenen Dekade einiges getan, um ihre Profitabilität zu erhöhen – so durch Übernahmen und Zusammenschlüsse, stringentes Kostenmanagement und Restrukturierungsprogramme. Dennoch existieren nach wie vor große Herausforderungen wie wachsende Kosten für Forschung und Entwicklung und steigende Arzneimittelpreise.
Schlechtes Image der Pharmaindustrie
Vor allem aber hält sich hartnäckig ein vielfach schlechtes Ansehen der Pharmaindustrie, obwohl die Branche lebensrettende und lebensverlängernde Produkte entwickelt. Mit jedem neuen Skandal – extreme Preissteigerungen, Bestechungsfälle oder unethische Verkaufspraktiken – verstärkt sich bei Patienten, Ärzten und Kostenträgern der negative Eindruck von Big Pharma.
„Die aktuelle Situation ist alles andere als ideal“, zitiert Eye for Pharma Martin Makary, Professor an der Johns Hopkins University sowie Professor für Gesundheitspolitik und Management an der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health. „Die Beziehungen zwischen Pharma und Ärzten sind geprägt von Interessenkonflikten. Monatliche Verkaufsziele mögen im Einzel- oder Autohandel Sinn machen, nicht aber im Gesundheitswesen.“
Laut „Eye for Pharma“ haben vor diesem Hintergrund mehrere Unternehmen begonnen, überholte industrietypische und traditionelle Strukturen über Bord zu werfen, belastbarere Verbindungen zu ihren Kunden aufzubauen und ihr öffentliches Ansehen zu verbessern. Doch kaum ein Unternehmen ist dabei so radikal vorgegangen wie GSK. Was die Autoren zu der Frage bringt, ob sich die Veränderungen des britischen Pharmariesen auch auszahlen – nicht nur im Renommee und in den Kundenbeziehungen, sondern auch auf der wirtschaftlichen Ebene?
Neue Parameter für Außendienstler
Ein Kernelement der GSK-Reformen zielt auf die Bezahlung seiner Außendienstmitarbeiter. Während sich deren Entlohnung in der Vergangenheit am Volumen der verkauften Arzneimittel orientierte, sind laut „Eye for Pharma“ heute drei Faktoren maßgeblich: Inhaltliche und kommunikative Kompetenz, das Feedback der Kunden und die Gesamtperformance des Unternehmens.
Darüber hinaus stellte GSK seinen Umgang mit Ärzten auf neue Beine. So werden Mediziner, die im Namen des Unternehmens auf Veranstaltungen auftreten, nicht mehr bezahlt.
Zudem hat der Konzern die Kommunikation mit den Ärzten verändert und nutzt dafür heute Webinars, Expertendiskussionen und Social-Media-Plattformen. Mittels dieser Instrumente will GSK auch besser verstehen, welche Bedürfnisse Ärzte haben. Für deren Arbeit am Patienten sind nämlich weniger Zuwendungen der Pharmaindustrie von Bedeutung als Informationen über Arzneimittelprofile, deren Sicherheit und Effizienzparameter.
Ein weiterer Aspekt von GSKs Kulturwandel ist eine größere Transparenz bei klinischen Studien. So schaltete der Konzern 2013 ein gesichertes Onlineportal frei, das externen Forschern erlaubt, anonymisierte Patientendaten aus klinischen Tests herauszulesen. Damit, so die Erwartung, soll die weitere wissenschaftliche Arbeit gefördert werden.
„Wir haben diese Veränderungen gemacht, weil wir glauben, dass die bisherige Vorgehensweise überholt ist und nicht effektiv für die Patienten, das medizinische Fachpersonal und die Pharmaindustrie“, teilte das Unternehmen mit.
Vorbehalte von Mitarbeitern
Doch die Verwandlung verlief nicht problemlos. So erwiesen sich die Größe des Unternehmens, aber auch die Vorbehalte von Mitarbeitern als Herausforderung. Der Konzern investierte daher stark in die Fortbildung seines medizinischen, sowie seines Marketing- und Verkaufsteams und holte darüber hinaus neue Leute in das Unternehmen, die den veränderten Kurs mittrugen. „Es bedurfte einer starken Führung und intensiven Kommunikation“, zitiert „Eye for Pharma“ George Katzourakis, Senior Vice President Europe von GSK.
Auch viele externe Beobachter zeigten sich skeptisch, insbesondere mit Blick auf die Entkoppelung von Bezahlung und Verschreibungsvolumen im Außendienst. Viele Ärzte waren zudem verwundert, dass sie plötzlich nicht mehr mit Geld oder üppig ausgestalteten Fortbildungen umgarnt wurden.
Trotz der neuen ethischen Denke verfolgt GSK unverändert seine wirtschaftlichen Ziele. „Der Erfolg jedes Pharmaunternehmens hängt davon ab, dass möglichst viele Patienten vom Nutzen der Arzneimittel profitieren. Wir wählen heute schlichtweg einen anderen Weg, um dies zu erreichen. Wir haben eine neue Art mit Ärzten zu kommunizieren und deren Fragen und Bedürfnisse aufzunehmen“, stellt Katzourakis fest.
Wirtschaftliche Erfolge und Vorbildfunktion
Tatsächlich scheint sich das neue Modell auch wirtschaftlich auszuzahlen. Seitdem GSK die Bezahlung von Ärzten, die als Redner auftreten, abgeschafft und das Bezahlsystem der Außendienstmitarbeiter umgestellt hat, steigen die wirtschaftlichen Wachstumskennziffern stärker als erwartet, wie die Quartalsergebnisse des Jahres 2016 gezeigt haben. Zudem sollen sich nach Unternehmensangaben neue Produkte gut verkaufen.
Auch das Ansehen des Konzerns scheint
sich verbessert zu haben. „Eye for Pharma“ verweist auf eine Umfrage unter 3500
US-Ärzten aus dem vergangenen Jahr. Demnach ist GSK das Unternehmen, dem die
Befragten am meisten Vertrauen und Wertschöpfung attestieren. Zudem hat GSK im
aktuellen Access to Medicine-Index kürzlich bereits zum fünften Mal den ersten Platz belegt. Der Index misst, was die Unternehmen tun, damit auch Patienten in Entwicklungsländern Zugang zu wichtigen Arzneimitteln erhalten.
Da stellt sich die Frage, ob das GSK-Modell auch für den Rest der pharmazeutischen Industrie ein Vorbild sein kann? In jedem Fall, so die „Eye for Pharma“-Autoren, sollten die Unternehmen ihre traditionellen Modelle von Verkaufsanreizen überarbeiten – nicht nur aus ethischen, sondern auch aus pragmatischen Gründen. Einige Firmen reagieren bereits. So kündigte Novartis im Juli 2016 an, das Sponsoring bei Kongressbesuchen zu reformieren und die Bezahlung von externen medizinischen Sprechern zu begrenzen. Auch Bristol Myers Squibb teilte mit, in China künftig keine Redner mehr zu bezahlen.
Zwischen Kunde und Ergebnis
Nach Einschätzung der Studie zeigt das Beispiel GSK, dass für Pharmaunternehmen ein Mittelweg zwischen Ergebnis- und Kundenorientierung Sinn ergibt. Dabei sollte das Feedback der Ärzte als Instrument genutzt werden, um die Performance der Außendienstler zu verbessern.
Inwieweit sich das GSK-Modell in der Branche durchsetzt, hängt nach Einschätzung von Murray Stewart, Chief Medical Officer des Konzerns, letztlich aber auch davon ab, wie sich die Ärzte in Zukunft verhalten. Die würden immer öfter die Wahl haben zwischen einem Meeting in einem 5-Sterne-Hotel mit vielen Annehmlichkeiten und Unterhaltung sowie der Teilnahme an einem wissenschaftlichen Austausch in einem kleinen Hotel ohne Essen und Programm.
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