Kommentar

Wie soll das gehen, Herr Lauterbach?

Stuttgart - 14.12.2016, 18:15 Uhr

Distribution im Versand und Beratung in der Apotheke: Wie stellt sich Karl Lauterbach das vor? (Foto: stockpics / Fotolia)

Distribution im Versand und Beratung in der Apotheke: Wie stellt sich Karl Lauterbach das vor? (Foto: stockpics / Fotolia)


Karl Lauterbach möchte die Qualifikation der Apotheker besser nutzen. Er hält es für Ressourcenverschwendung, es nicht zu tun. Aber was genau will er denn tun, fragt sich DAZ.online-Redakteurin Julia Borsch. Gerade für Chroniker, die maßgeblich von dieser Qualifikation profitieren würden, hält Lauterbach den Versand ja für eine gute Alternative. 

„Die Beratung der Apotheker ist nicht ausreichend honoriert. Dass wir die gute Qualifikation der Apotheker nicht nutzen, ist eine der am meisten verschwendeten Ressourcen im Gesundheitswesen.“ Diese Aussage stammt von Karl Lauterbach, dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion und einem der größten Gegner des Rx-Versandverbots. Lautstark macht er gegen die Gesetzesinitiative von Hermann Gröhe (CDU) Stimmung. 

Auf einer Pressekonferenz, die am heutigen Mittwoch in Berlin stattfand, präsentiert er denn auch ein konkretes Beispiel dafür, auf welche Weise Apotheker sich einbringen könnten: bei der Therapie mit Protonenpumpenhemmern. Viele Patienten nähmen diese über Jahre hinweg ein – ohne Notwendigkeit. Lauterbach findet es sehr wichtig, dass Apotheker auf Risiken hinweisen, die eine Langzeiteinnahme dieser Arzneimitteln berge.

DAZ.online-Redakteurin Julia Borsch

Doch wie genau soll der Apotheker das tun, wenn ein Patient, der über Jahre hinweg ein Arzneimittel einnimmt – nach allgemein anerkannter Definition also ein Chroniker – gar nicht mehr in die Apotheke kommt? Denn gerade für Chroniker hält Lauterbach den Versandhandel für eine sehr angenehme und bequeme Alternative. Deswegen lehnt er ein Verbot des Rx-Versandes ab – rigoros. Einen Plan, wie diese Patienten im Versand bestellen und trotzdem in den Genuss der pharmazeutischen Kompetenz der Vor-Ort-Apotheken kommen sollen, bleibt er dabei allerdings schuldig.

Karl Lauterbach plant scheinbar grundlegende Änderungen an einem funktionierenden System – die Trennung von Arzneimittelabgabe und Beratung. Wie das genau das in der Praxis klappen soll, dazu hat er sich bislang nicht geäußert. Lediglich ein paar wohlfeile Worte, wie „Beratungshonorar“ oder „die Apothekenversorgung insgesamt stärken“, hat Lauterbach bislang präsentiert. Angesichts der Tragweite seiner „Reformen“ ist das ziemlich wenig. Und so stehen im Moment seine Aussagen „Versand eine Alternative für Chroniker“ und „Patienten, die über Jahre hinweg PPI einnehmen, in der Apotheke zum Risiko beraten“ in ziemlichem Widerspruch zueinander. Wie wäre es denn mit einem konkreten Plan, wie diese beiden Dinge seiner Meinung nach realistisch unter einen Hut zu bringen sind? Sich einem Vorschlag, wie dem Rx-Versandverbot, vehement entgegenzustellen, ist das eine. Aber dann sollte man nicht nur bekräftigen, dass man ein Apothekensterben auf andere Weise vermeiden will, sondern auch erklären, wie genau man das zu tun gedenkt.


Diesen Artikel teilen:


7 Kommentare

Doppelt zahlen hilft sparen?

von Alexander Murr am 15.12.2016 um 11:06 Uhr

Ist Herrn Lauterbach eigentlich klar, dass die Beratungsleistung und weitere Leistungen der Apotheken über die Abgabe des Arzneimittels finanziert werden?
Nach seinem Modell bezahlt er dem Versand diese Leistungen, die dieser nicht erbringt.
Zusätzlich zahlt er dann den Apotheken vorort ein Beratungshonorar, damit die dann die Beratung/Problemlösung ec. für den Versender übernehmen. Das kann doch nicht sein Ernst sein!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

RX-Versandverbot

von Dr. Radman am 15.12.2016 um 8:30 Uhr

Experten empfehlen Herrn Lauterbach zu ignorieren und mit vernünftigen Kräften der SPD zu sprechen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Lauterbach

von Michael Zeimke am 15.12.2016 um 7:40 Uhr

Da Herr Lauterbach vor langer Zeit Medizin studiert hat,
hat er die Vorlesung über Grenzdebilität wohl geschwenzt.
Bitte nachholen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Aegroti salus suprema lex.

von Christian Timme am 15.12.2016 um 8:28 Uhr

Das müssen noch mehr Vorlesungen gewesen sein. Disruption & Digitalisierung sind die neue Heilslehre. Nur diese Vorlesungen hat der Herr in Linz am Automaten gezogen.

Plauderbach: Si tacuisses ...

von Andeas P. Schenkel am 14.12.2016 um 21:02 Uhr

... stille Wässer sind tief, laute Bäche jedoch...

Der Abgeordnete Lauterbach hat kurz nach dem EuGH-Urteil zu Rx-Boni begonnen, die Tatsachen komplett zu verdrehen, indem er behauptete, nur der Arznei-Versand sei in der Lage, Versorgungslücken auf dem Lande zu schließen. Obwohl er weiß oder wissen müsste, dass es diese pharmazeutischen Versorgungslücken noch nicht gibt, der derzeit erlaubte Arznei-Versandhandel sie jedoch hervorrufen wird, hat er diese Falschaussage bisher nicht zurückgenommen.

Er setzt seine wohl bewusst vorgenommenen Tatsachenverdrehungen nunmehr fort, indem er in seinen Reden unterstellt oder andeutet, dass die sogenannte "Apothekerlobby" sehr effektiv sei in der Beeinflussung des Ministers Gröhe wie auch der Union, dies trotz der offenkundigen und immer wieder bestätigbaren Tatsache, dass die apothekerlichen Organisationen nur sehr selten und verhalten Gehör finden und häufig übergangen und ignoriert werden.

Weiterhin stellt er es, entgegen der tatsächlichen Abläufe es so dar, dass die Abschaffung der Zyto-Verträge alleine auf Intervention der Apothekerschaft zustande gekommen sei, wo doch auch Ärzte-Organisationen, Patientenschutzvereinigungen und Gesundheitswissenschaftler dies im Interesse einer praxistauglichen und sicheren ambulanten onkologischen Versorgung gefordert hatten. Aufmerksame Gesundheitspolitiker haben die extreme Schieflage, die durch die Zyto-Verträge entstanden war, rasch bemerkt und für Entlastung gesorgt. Vermutlich grämt es Herrn Lauterbach, dass er, der sich immer als oberster Bundes-Chef-Gesundheitspolitiker inszeniert, diese Verwerfungen seiner Aufmerksamkeit entgangen waren. Beim Fußball gibt so etwas eine Rote Karte für Nachtreten!

Und wenn er dann auch noch die Honorierung der Rezepturen als Beispiel für erfolgreichen Lobbyismus anführt, dann darf er ab sofort als komplett ahnungsloser Dampfplauderer gelten, quasi als "Plauderbach". Denn die Rezepturen sind in ihrer überragend großen Mehrzahl (von einigen sehr wenigen Ausreißern für extrem seltene Erkrankungen abgesehen, die in ihrer winzigen Fallzahl wirklich das GKV-Budget nicht in's Wanken bringen könnnen) krass unterbezahlt; selbst ehrenamtlich tätige Personen erhalten in Baden-Württemberg über den Entgeltausgleich mehr als der Inhaber der Betriebserlaubnis für so gut wie alle Rezepturen, die in einer Apotheke für gewöhnlich anfallen.

Die Möglichkeit der Schaffung andersartiger Vergütungsformen führt Herr Lauterbach nun plötzlich in die Diskussion ein; ich halte das für einen schalen Hoffnungsschimmer, der flugs wie ein Nordlicht in den politischen Orbit entfleuchen kann. Bislang wurden solche Modellversuche kaum durchgeführt, und falls doch, von Aufsichtsbehörden, deren Amtsverständnis und deren Bild des Gesundheitswesens offenkundig im Zeitalter der GKV-Gründungen (also zu Bismarcks Zeiten) wurzelt, oft hintertrieben oder einfach schnöde untersagt.

Wer jetzt nicht auf der Seite der freiberuflich organisierten Heilberufe steht, der will einen System-Umsturz! Dies ist das Ziel von Lauterbach und seinen interessierten Kreisen: Das belebte, von Menschen auf menschliche Weise gestaltete Gesundheitswesen soll einer "Entwesung" anheimfallen. Es wird zum Gesundheitssystem, und das "System" kennt dann keine persönliche, personalisierte Verantwortung der Heilberufler mehr. Ist dann die Ethik endlich beseitigt, wird das entmenschlichte Gesundheitssystem zur Gesundheits-Industrie entkernt und transformiert. Es wird dann nur noch standardisierte Leistungen von der Stange anbieten, die für keinen Patienten (falls er dann noch so genannt werden wird) richtig passen, aber irgendwie schon so sitzen, dass das Zwicken nicht völlig unerträglich ist und es äußerlich nicht allzusehr auffällt.

Übrigens: Einige Parlamentarier fordern die Strafbarkeit der Verbreitung sogenannter "Fake-News". Nur, wer entscheidet dann über wahr oder falsch? Wir werden, so hoffe ich, nicht doch noch irgendwann ein "Bundes-Ministerium für Wahrheit, Orwell-Platz 1, Berlin" erleben müssen. Also werden wir auch weiterhin die unlauteren Lauterbäche und ähnlichen Konsorten durch unsere guten und richtigen Argumente widerlegen. Und wir werden deren Verlautbarungen als falsch und klar erkennbar eigen-interessens-geleitet anprangern.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Reden um zu überleben.

von Christian Timme am 14.12.2016 um 20:59 Uhr

Mit rationalen Argumenten ist hier kein Blumentopf mehr zu gewinnen. Es geht nur noch um Politik, hinhalten, Zeit gewinnen, Heißluft-Propeller spielen, im Gespräch bleiben, ganz WICHTIG tun und z.B. Siggi decken. Das kann und wird dauern ... Um über die Zeit zu kommen muss ein immer größer werdendes Chaos zelebriert werden, muss immer noch mehr für ANDERE gedacht werden (Apotheken usw. ist wie in Champagner baden) , damit auch am Ende ja nix passt. Und dann kommt Siggi mit der (Super)-Lösung. Diese Herrschaften müssen einfach reden um zu überleben. Und unser aller Lebensuhr läuft ab und keiner hat es bemerkt!.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Lauterbach

von Frank ebert am 14.12.2016 um 20:38 Uhr

Wie sagte seine Ex-Frau Angela Spelsberg: "Hoffentlich wird er nicht Minister, er würde der großen Verantwortung nicht gerecht werden " "Ich halte es für bedenklich , was in seinem Kopf vorgeht".

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.