Statt Rx-Versandverbot

AOKen wollen mit Versandapotheken Boni-Verträge abschließen

Berlin - 21.12.2016, 12:00 Uhr

Gegen das Versandverbot: Martin Litsch vom AOK-Bundesverband will kein Rx-Versandverbot, sondern ein Höchstpreismodell und dann mit Versandapotheken Bonus-Verträge abschließen. (Foto: dpa)

Gegen das Versandverbot: Martin Litsch vom AOK-Bundesverband will kein Rx-Versandverbot, sondern ein Höchstpreismodell und dann mit Versandapotheken Bonus-Verträge abschließen. (Foto: dpa)


Der AOK-Bundesverband spricht sich gegen ein Verbot des Rx-Versandhandels aus. In einem Informationsblatt des Verbandes heißt es, dass die Ortskrankenkassen gegen einen solchen „Schutzzaun“ für Apotheker seien. Vielmehr unterstützt die AOK ein Modell, das sich die deutschen Versandapotheken und DocMorris wünschen – das Höchstpreismodell.

Einmal im Monat veröffentlicht der AOK-Bundesverband das gesundheitspolitische Informationsblatt „ams-Politik“. Mit diesem Informationsdienst richtet sich der Kassenverband in erster Linie an Journalisten – „ams“ steht für „AOK Medienservice“. Der „ams-Politik“ enthält Hintergründe zum aktuellen gesundheitspolitischen Geschehen, Analysen neuer Gesetzesvorhaben sowie Kommentare der Verbandsspitze des AOK-Bundesverbandes zur Gesundheitspolitik.

Die Aufmacher-Geschichte der Dezember-Ausgabe des AOK-Informationsblatts beschäftigt sich mit dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung und trägt den Namen „Rabatte gehören in den Solidartopf“. Gleich im ersten Satz des Textes suggeriert der Kassenverband, dass das Rx-Versandverbot schon seit längerer Zeit ein Wunsch der Politik gewesen sei. „Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe nutzt die Gunst der Stunde und hat als Reaktion auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ein Gesetz für das Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Medikamenten vorgelegt.“

Obwohl es im EuGH-Verfahren gar nicht um den Versandhandel gegangen sei, sondern um die Rx-Preisbindung, folge Gröhe im Referentenentwurf der Argumentationslinie der ABDA. Fest steht für den AOK-Bundesverband: „Der AOK-Bundesverband sieht das Verbot kritisch. Wichtiger als ein Schutzzaun um Apotheken sind neue Vertragsmodelle, die überall eine sichere Versorgung mit Arzneimitteln garantieren und Preisvorteile für die Vertragsgemeinschaft ermöglichen.“

Höchstpreismodell und Versandapotheken-Verträge

Die politische Vertretung der Ortskrankenkassen hatte schon vor einigen Wochen erklärt, dass alle gewährten Rx-Boni aus AOK-Sicht nicht dem einzelnen Patienten zustehen, sondern an die Kassen weitergeleitet werden sollen. Konkret heißt das: Die Kassen wollen mit DocMorris und Co. Verträge abschließen, in denen Bonus-Systeme für die Versicherten sowie die Weiterleitung der Boni an die Kassen geregelt werden. Im „ams-Politik“ erklärt der AOK-Bundesverband seine Position erneut: „Die Krankenkassen könnten Verträge mit den Versandapotheken machen – ähnlich, wie das mit Krankenhausapotheken schon jetzt möglich ist.“

Was die Höhe der Boni und die Preisgestaltung im Allgemeinen betrifft, begrüßt der AOK-Bundesverband das vom Bundesverband Deutscher Versandapotheken (BVDVA) und DocMorris geforderte Höchstpreismodell. „Der Bundesverband der Versandapotheken hatte selbst eine Umstellung der Arzneimittelpreisverordnung für den Versandhandel auf einen Höchstpreis ins Spiel gebracht. Ausgehandelte Rabatte flössen so direkt an die Kassen.“ Der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes erklärt dazu: „Boni und Rabatte sollten gemäß dem solidarischen Sachleistungsprinzip nicht an Einzelne gegeben werden.“

Der Verband gesteht allerdings ein, dass die Kassen bislang keine vertraglichen oder gesetzlichen Grundlagen dafür haben, Boni geltend zu machen und diese eventuell sogar auf dem Klageweg durchzusetzen. Deswegen plädiere man für neue Rechtsnormen im Sozialgesetzbuch V und der Arzneimittelpreisverordnung.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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14 Kommentare

AOK Versandverbot

von Peter Kaiser am 22.12.2016 um 12:13 Uhr

Einmal ins Parkhaus der AOK Stuttgart fahren und die Vorständeparkplätze anschauen, dann braucht es keine Worte mehr.

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Verantwortungslos

von Reinhard Rodiger am 22.12.2016 um 0:19 Uhr

Das Beispiel Holland zeigt, was Preisfreigabe bewirkt.
Einkaufsmakler übernehmen die Regie.Das ganze gerät zum Roulette.Mal gute Preise, mal nicht. nur nicht beeinflussbar.Der Service sinkt proportional zum Ertragsschwund. Ein tolles Vorbild.Kein Wunder, dass dortige Apotheken ihr Heil woanders suchen. Dies sind sozusagen Flüchtlinge aus wirtschaftlichen Gründen.Es macht keinen Sinn bei schwindendem Kuchen noch weitere Mitesser zu mobilisieren.

Es ist ein Armutszeugnis, wenn sich KK vor einen solchen Karren spannen lassen, der mit Wahrnehmung der übertragenen Verantwortung nichts mehr zu tun hat.

Die KK-geförderte Ausplünderung des Systems durch Umfunktionierung des Patienten zum tragenden Finanzkonzept zerstört jede Glaubwürdigkeit.
Das gleiche geschieht in USA, dem bekanntermassen teuersten System.Das liegt am Return on Investment -Interesse statt Wahrnahme von Verantwortung.

Es liegt an der Politik, den KK die Grenzen zu zeigen.Da macht ein vernünftiger Minister ein bisschen Hoffnung. Schliesslich hat Herr Litsch im ja das eigene Denken abgesprochen. Das wird er sich hoffentlich nicht gefallen lassen.

Hier klagten gerade 20 Staaten gegen Preisabsprachen führender Generica-Firmen.Das ist das Szenario, an dessen Gestaltung die KK mitwirken.

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Neue Kasse

von Dominik am 21.12.2016 um 21:48 Uhr

Vielleicht sollten wir jetzt mal unsere eigene Kasse gründen? Kassenrabatt kommt direkt dem Patienten zugute. Fragen mich wieso wir nur die Rente selbst machen und das noch besser. Ich glaube wir könnten das besser.

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Sprachlos

von Christian Springob am 21.12.2016 um 20:03 Uhr

Mir fällt nichts mehr ein.
Ich kann diesen Gesundheitssystempopulisten à la Lauterbach & Co., den abgehobenen Kassenfunktionären à la Litsch und sonstigen dreisten, unsachlichen und unfairen Funktionären, die nichts anderes im Sinn haben, als unser deutsches Apothekenwesen auf Teufel komm raus zu zerstören und stattdessen schmierigen Kapitalgesellschaften wie Mc Dorris das Feld zu überlassen, zu Weihnachten nur noch eine wunderschöne Diarrhö wünschen, mit heftigster Übelkeit und Würgereiz. Viel Spaß beim Bestellen der Medikamente bei Mc Dorris und beim Bestellen von Klopapier bei Amazon. Vielleicht gibts als Bonus von Mc Dorris einen Korkstopfen zur Überbrückung der Wartezeit auf die Arzneimittel beim nächsten Durchfall.
Es reicht sowas von!

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Der will nur spielen; wir würden gern vernünftig weiter arbeiten

von Wolfgang Müller am 21.12.2016 um 17:52 Uhr

Wir haben zurzeit ein System, dass den GKVen die Wirtschaftlichkeit der Verschreibungsarzneimittel-Erstattung durch sog. Rabattverträge mit der Pharma-Industrie auszuhandeln auferlegt. Ein sehr gutes, volkswirtschaftlich logisches System, wie ich finde. Durchaus schlüssig flankiert durch Rx-Fixpreise und ebenfalls weitgehend fixierte Einkaufspreise für die Apotheken.

Will Martin Litsch nun die Arzneimittelkosten in Zukunft sowohl über die Rabattverträge regulieren, als auch über Selektivverträge mit Apotheken-Konzernen bzw. Gruppen? Bzw. Preismaklern oder Sonstwem, der dabei noch seinen schlaumeierischen Schnitt machen will? Gern auch unter Preisgabe der freien Apothekenwahl, bzw. Benachteiligungen der Patienten, die nicht von "Vertrags-Apotheken" beziehen?

Rabattverträge + "Rx-Höchstpreise" + Patientensteuernde Selektivverträge + fixierte Einkaufspreise für Apotheken: Alles das zusammen ergäbe zusammen überhaupt keinen Sinn mehr. You can´t have the cake and eat it.

Alles ordnungspolitisch unausgegoren. Es bleibt zu hoffen, dass Minister Gröhe in diesem schweren Wetter Kurs halten kann. Und dass die bisher schweigende SPD-Mehrheit in der Bundestagsfraktion sich weiter in dieses Thema einarbeitet. Und den von Litsch, DocMorris, Lauterbach, Dittmar (muss man nun leider wohl endgültig auch dort einreihen) Glaeske und Co. veranstalteten "Strategie für Arme"-Spielchen ein Ende bereitet.

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Fassungslos

von Karl Friedrich Müller am 21.12.2016 um 17:34 Uhr

Ich bin mehr als fassungslos und entsetzt, was für Leute sich in Politik, Krankenkasse usw an vorderer Position tummeln.
Muss man dafür so gar keine Qualifikation mitbringen? Auch menschlich, ethisch, moralisch?

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Geld vernebelt Hirn, wer bezahlt für solche Äußerungen?

von Karl Friedrich Müller am 21.12.2016 um 16:11 Uhr

BONI _ BONI_ BONI _BONI_BONI_BONI_BONI

RABATT_RABATT_RABATT_RABATT_RABATT

sind die Hirne jetzt vollkommen vernebelt?
Wie kann ein Mensch der Kassen so einen Blödsinn von sich geben? Noch einer, der überhaupt nicht wahr haben will, was wir tagtäglich für die Versicherten der Kassen leisten?
Und wenn Ihr das Geld habt, was dann?
Alles zerschlagen, alles ruiniert. Hauptsache EURE Boni stimmen? Jedes Jahr 50% mehr Gehalt und BONI für die Kassenfürsten?
Wenn alles kaputt ist, dann auch Euer JOB!
Liebe ABDA, EURER AUCH!
Schon wieder Sprachlosigkeit! Der Presseschweiger glänzt!
UNS und unseren Mitarbeitern STEHT für unsere Arbeit ein
angemessenes Einkommen zu! Das ist sowieso schon lange nicht mehr der Fall! Das ist nicht verhandelbar. Keine Boni an KK oder Versicherte sind möglich! Ihr bekommt Rabatte aus den Rabattverträgen. Das reicht! Das war zum Teil auch mal unser Einkommen. Wir mussten schon genug abtreten. ES REICHT!
Hier hilft nur noch ein Streik, alle, komplett, nicht nur Notdienst, oder Rezepturen oder so ein Quark.
Vielleicht machen die Ärzte in den Kliniken und Notaufnahmen auch noch mit, die heillos überfordert sind.
Sollen doch alle mal merken, wie es sich anfühlt, wenn das Gesundheitswesen nicht mehr funktioniert. Nur noch Kapitalgesellschaften wichtig sind.
SPD und Spargelfahrt. Ich denke, dass das Problem nicht nur die SPD betrifft.
Bis jetzt kann ich in dem Wirrwarr nur Herrn Gröhe als Person auf unserer Seite identifizieren. Wie lange noch?

Hallo ABDA ! Auf Sendung?????

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AW: Geld vernebelt Hirn, wer bezahlt für

von Friedrich Prinz am 21.12.2016 um 17:43 Uhr

Sofort fordern: Senken der Gehälter der Kassenmitarbeiter auf Hartz4 Niveau , alle Boni der Vorstände in den Solidartopf der Versicherten !

Offener Brief an den Vorstandsvorsitzenden des AOK-Bundesverbandes

von Gunnar Müller, Detmold am 21.12.2016 um 13:30 Uhr

Sehr geehrter Herr Litsch,
bislang habe ich den AOK-Bundesverband und seine AOKen als Sachwalter des patientenorientierten deutschen Gesundheitssystems verstanden.
Die in Ihrem Mitteilungsblatt jüngst gemachten Äußerungen gegen ein Versandhandelsverbot, für Selektivverträge und ein Höchstpreismodell lassen mich daran leider ernsthaft zweifeln und enttäuschen mich - auch als freiwilliges Mitglied einer AOK.
Beratung und sämtliche Gemeinwohlleistungen der Apotheken vor Ort mitnehmen - aber mit Selektivverträgen maximalen shareholder-value erzielen wollen: Das höhlt das bestehende System aus, untergräbt alle Prinzipien der Fairness unter Vertragspartnern und torpediert die deutschen Apotheken vor Ort.
Derartiges Denken ist für mich Trittbrettfahrerei und neoliberales Rosinenpicken.
Do ut des. Ich erwarte von Ihnen ein eindeutiges Bekenntnis zum deutschen Gesundheitssystem mit seinen inhabergeführten wohnortnahen Apotheken - ohne wenn und aber.

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Herr Litsch!

von Rolf Lachenmaier am 21.12.2016 um 12:59 Uhr

Böses Foul, Herr Litsch! Übernimmt Holland dann auch die Akutversorgung? Keine Sorge. Wir werden Ihren Versicherten gern mitteilen, welche Tulpen Ihnen in naher Zukunft blühen wird... organisieren Sie dann die Charter-Busfahrten gen Holland für Akut-Kranke?
"Wie? Sie sind noch AOK-Versichert?? Das tut mir Leid für Sie. Sie müssen leider für Ihr dringend benötigtes Medikament nach Holland fahren oder einige Tage abwarten. Vielleicht werden Sie dann versorgt. Klappt nicht immer. Aber Ihre KRANKE KASSE und Herr Litsch will es so..."

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Macht hoch....

von gabriela aures am 21.12.2016 um 12:49 Uhr

... die Tür, die Tor macht weit .....
Statt dem Stern von Bethlehem kreist der Pleitegeier über dem roten A.
JETZT bin ich mal auf die verbal verbrämte Euthanasie des deutschen Gesundheitssystems und seiner unabhängigen Apothekenbetriebe einiger Parteien gespannt !

Selektivverträge UND saudiarabische Investoren bei Zur Rose/DocMo -
SPD; Grüne, erklärt Euch mal !

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BÄÄÄHMM!!!!

von Christiane Patzelt am 21.12.2016 um 12:29 Uhr

Ich bin raus aus der Gemeinwohlpflicht!
Wenn die KVen mit den Apotheken Verträge aushandeln, kann ich mir doch an drei Fingern abzählen, bis die Patientenströme
ins Netz geleitet werden MÜSSEN!
Jetzt wo die Saudis noch mit operieren, wird es für die Krankenkassen RABATTE sprudeln, wie bei den Saudis das Öl aus den Quellen!!
Liebe KollegInnen, wäre es denn jetzt genehm, mal den Arsch hochzukriegen und so langsam die Steikposition einzunehmen? Ich biete berlinnah gerne auch freie Kost und Logie für demonstrierende ApothekerInnen!!

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AW: BÄÄÄHMM

von Anita Peter am 21.12.2016 um 12:47 Uhr

Die Demonstration muss ganz anders aussehen: Deutschlandweit kein NN mehr. Im Anschluss keine Rezepturen mehr. Usw usw....

AW: BÄÄÄHMM ... haben Sie ein großes Zuhause.

von Christian Timme am 24.12.2016 um 11:03 Uhr

In Bonn auf dem Marktplatz, ganz lange her, waren das mal 10.000 Apotheker die mit Seehofomat "richtig gut drauf" waren. Das waren Zeiten ...

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