Richtiger Anreiz?

Wenn Firmen Gesundheit belohnen

Stuttgart - 27.12.2016, 10:25 Uhr

Das Bonus-Projekt, das Daimler beschlossen hat, ist einzigartig. Viele andere großen Unternehmen setzten auf Prävention. (Foto: drubig-photo / Fotolia)

Das Bonus-Projekt, das Daimler beschlossen hat, ist einzigartig. Viele andere großen Unternehmen setzten auf Prävention. (Foto: drubig-photo / Fotolia)


Große Konzerne bemühen sich seit Jahren um gesunde Mitarbeiter. Sie legen immer neue Präventions- und Fitnessprogramme auf, damit ihre Belegschaft leistungsfähig bleibt. Der Autobauer Daimler geht nun einen neuen Weg. Der ist nicht unumstritten

Geld für Gesundheit. Kann das gut gehen? Der Autobauer Daimler zahlt Mitarbeitern nach einer neuen Betriebsvereinigung einen Bonus, wenn sie selten krank sind.  Mitte Dezember einigten sich Daimler und der Betriebsrat auf einen Anwesenheitsbonus von maximal 200 Euro brutto pro Jahr. Den vollen Bonus erhalten Mitarbeiter, die innerhalb eines Jahres keinen Tag arbeitsunfähig waren. Er verteilt sich demnach auf maximal 50 Euro pro Quartal. In der Industrie ist das noch Neuland und bei Gesundheitsexperten zudem nicht unumstritten.

Der Bonus ist Teil einer größeren Vereinbarung zum Thema Mitarbeiter-Gesundheit. Hinzu kommt ein freiwilliger und kostenloser Gesundheitscheck für alle Mitarbeiter, der etwa der Früherkennung von gesundheitlichen Risiken dienen soll.

Daimlers Betriebsratschef Michael Brecht sagte: „In der Abwägung der Interessen, haben wir uns letztlich entschieden, für die Einführung des Gesundheitschecks den Anwesenheitsbonus befristet in Kauf zu nehmen. Wir konnten erreichen, dass er nach zwei Jahren automatisch ausläuft, der Gesundheitscheck aber bleibt.“ Er fügte hinzu: „Wir gehen auch davon aus, dass die Summen, um die es dabei geht, niemanden veranlassen, sich krank ins Geschäft zu schleppen.“

Hört man sich in der Industrie um, ist das Bonus-Projekt hingegen einzigartig. Bei BMW habe man nicht vor, die Anwesenheit mit Anreizen zu belegen, heißt es. Allerdings sei die Erfolgsbeteiligung an die Zahl der tatsächlich geleisteten Arbeitstage gekoppelt – längere Krankheiten wirken sich also aus. Bei Bosch und Volkswagen denkt man über solche Belohnungssysteme für fitte Mitarbeiter nicht nach, wie auch bei der Bahn und Siemens. Bei Audi verweist man auf ein breites Präventionsprogramm. Das enthält bereits eine regelmäßige Vorsorge.

Kürzungen bei Sonderzahlung explizit erlaubt

Rechtlich ist Daimler auf der sicheren Seite: Das Entgeltfortzahlungsgesetz stehe dem nicht im Wege, sagt Hans-Hermann Aldenhoff, Leiter der deutschen Büros der internationalen Kanzlei Simmons & Simmons. Im Gegenteil: Dort ist eine Kürzung von Sonderzahlungen wegen Krankheit explizit erlaubt. Aufpassen müssen Arbeitgeber laut Aldenhoff nur, wenn ältere oder behinderte Mitarbeiter diskriminiert werden. Sie könnten unter Umständen einen Schadenersatzanspruch geltend machen. In Daimlers Betriebsvereinbarung ist nach dpa-Informationen aber eine Härtefallregelung vorgesehen.

Gesundheits-Experten sehen das Thema gespalten: „Ein positiver Aspekt könnte sein, dass die Eigenverantwortung gestärkt wird“, sagt etwa Elke Ahlers von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. „Allerdings ist fraglich, ob finanzielle Anreize da das richtige Modell sind.“ Besser wäre die individuelle Ansprache des Mitarbeiters darüber, wie sich seine jeweilige Arbeits- und Gesundheitssituation verbessern lasse. „Sonst besteht auch die Gefahr, dass Krankheiten verschleppt werden.“ Das wiederum würde dem Präventionsgedanken des Arbeitsschutzgesetzes widersprechen.

Auch bei der Techniker Krankenkasse warnt man: „Wenn die Bonifizierung einer niedrigen Fehltagezahl aber dazu führt, dass Mitarbeiter krank zur Arbeit gehen, profitieren weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer.“ Dabei könne es durchaus sinnvoll sein, gesundheitsbewusstes Verhalten zu honorieren. „Zum Beispiel, indem man ein Fitnessangebot im Betrieb installiert, die Mitgliedschaft im Fitnessstudio bezuschusst, einen Nichtraucherkurs anbietet oder das gesunde Kantinenessen bezuschusst.“ Präsentismus hingegen koste mehr als der Produktivitätsverlust durch Fehltage und könne erst recht zu Arbeitsunfähigkeit führen.

Zahlen belegen, dass der Krankenstand in Deutschland stetig steigt. Laut DAK Gesundheit war der Krankenstand im ersten Halbjahr 2016 mit 4,4 Prozent so hoch wie seit rund 20 Jahren nicht. Mehr als jeder dritte Berufstätige (37 Prozent) wurde demnach mindestens einmal krankgeschrieben. Im Schnitt fehlten die Beschäftigten 12,3 Tage.

Plan senkt die Krankheitsquote nicht? 

Nach Erfahrung der IG Metall haben Bonus-Regelungen wie sie Daimler plant höchstens kurzzeitige Effekte, tragen auf Dauer aber nicht zu einer niedrigeren Krankheitsquote bei. Es sei sinnvoller, das Geld in Gesundheitsprävention zu stecken.

Ein weiterer Punkt ist die Höhe des geplanten Bonus bei Daimler: Ob die 200 Euro brutto pro Jahr in der gut bezahlten Metallbranche überhaupt ein Anreiz sind, sich für ein oder zwei Tage krank zur Arbeit zu schleppen, ist ohnehin fraglich: Allein die Erfolgsprämie von Daimler für die Tarifbeschäftigten im Konzern lag im vergangenen Jahr bei 5650 Euro.



dpa / DAZ.online
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


1 Kommentar

Betriebsrat

von Anonym am 26.01.2017 um 11:58 Uhr

Hallo liebe Redaktion,
Sie sind eine der wenigen Zeitungen, die über das Gesundheitskonzept von Daimler positiv berichtet. Insbesondere kritisch war soweit der Beitrag von Betriebsrat Blog hier: http://blog.betriebsrat.de/gesundheitsschutz/anwesenheitsbonus-bei-daimler-nur-fuer-gesunde-mitarbeiter-anreiz-oder-symbolik/ . Wie in vielen deutschen und schweizerischen Medien, empören sich die Autoren wegen dem eingeführten Anwesenheitsbonus und nannten ihn „Bestrafung für Kranke“. Natürlich, €200 im Jahr können keinen so richtig überzeugen, im Fall einer richtigen Krankheit doch ins Büro zu schleppen. Doch sind die Boni oft auch eine Statussache und die Mitarbeiter, die es nicht geschafft haben, könnten sich abgegrenzt und als nicht anerkannt fühlen.
VG

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.