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Alles dreht sich, alles bewegt sich um – ein Rx-Versandverbot. Da müsste doch was zu machen sein. Meint ein CDU-Politiker. Und ein anderer meint, es wird nicht leicht. Und der niederländische Versender schaut sich die Welt durch seine hellgrüne Brille schön – und dreht sich dabei im Kreis. Wie der Tanz endet, ist offen. Gut, dass unsere Studis schon wissen, wo unser pharmazeutisches Herz schlägt.
9. Januar 2017
Neujahrsempfang der Apothekerkammer Nordrhein. Der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach war zu Gast. Er mag die Apotheke vor Ort und hält nichts vom Versandhandel. Wie sehr er die Apotheke schätzt, lässt er den Zuschauer sogar in einem Videoclip wissen, den die Kammer Nordrhein produziert hat. In diesem Filmchen zeigt er, wie zufrieden er mit der kompetenten Beratung in der Offizin ist. Mein liebes Tagebuch, schön, dass es noch solche Politiker gibt, die den Wert der Apotheke schätzen und die persönliche und kompetente Beratung nicht missen möchten. Die Erfahrungen, die Bosbach mit der Apotheke vor Ort macht, müssten noch viel mehr Politiker erleben. Was das EuGH-Urteil und ein Rx-Versandverbot betrifft, so hat er vollstes Verständnis für die Apotheken. Aber da bleibt er Realist: „Glauben Sie bitte nicht, dass es so leicht möglich ist, für den Gesetzentwurf von Hermann Gröhe im Bundestag eine Mehrheit zu bekommen.“ Entscheidungen würden eher von Emotionen als von Fakten bestimmt, weiß er. Tja, das ist auch bei Politikern so.
Lieferengpässe, kontingentierte Arzneimittel werden uns auch in diesem Jahr begleiten. Der Großhandel schiebt das Problem auf die Hersteller und meint, dass diese willkürlich kontingentieren und die Großhandelsmarge einstecken wollen. Und die Hersteller zeigen auf den Großhandel und werfen ihm vor, die Arzneimittel zu exportieren, um einen zusätzlichen Reibach zu machen. Zwischen den Fronten sitzt der Apotheker. Er ist der Gelackmeierte, und der Großhandel kürzt ihm sogar noch die Konditionen. Kommentar des Apothekerverbands dazu: Apotheker, hilf dir selbst! Du kannst doch mit deinem Großhändler verhandeln! Mein liebes Tagebuch, sehr witzig, oder?
10. Januar 2017
Unser Pharmaziestudium! Seine Inhalte oder, besser gesagt, die Gewichtung der Inhalte, seine Schwerpunkte sind in die Jahre gekommen. Und bevor jetzt einige Hochschullehrer mein kleines Tagebuch zerreißen: Ja, ja, es hat sich schon etwas getan unter der Oberfläche, so ein bisschen jedenfalls, es sind natürlich schon ein paar neue Inhalte hinzugekommen, und hie und da wurde schon begonnen, das Studium zu entrümpeln. Aber irgendwie scheint das noch nicht zu reichen. Oder es geht zu langsam. Unser ABDA-Präsident hat, wie er in seinem letzten DAZ-Interview sagt, da auch schon dazugelernt. Er ist schon auf die Hochschullehrer-Linie eingeschwenkt, er will gar keine neue Approbationsordnung. Man sollte eher versuchen, eine Änderung der Ausbildungsinhalte innerhalb der bestehenden Approbationsordnung hinzubekommen. Der Bundesverband der Pharmaziestudierenden hat die Studierenden befragt und aus deren Meinungen ein Thesenpapier gezimmert, das Vorschläge für eine Überarbeitung der Approbationsordnung und Verbesserung des Pharmaziestudiums macht. Da sind einige gute Ansätze drin: Als „Herzstücke“ des Studiums werden die Pharmakologie und die Pharmakotherapie bezeichnet, mehr Klinische Pharmazie sollte es auch geben. Und es finden sich auch so nette studentische Wünsche wie die Abschaffung „unnötiger Anwesenheitspflichten“ oder eine Verkürzung der Famulatur, wobei an anderer Stelle wieder auf mehr Praxisbezug Wert gelegt wird. Nun gut, auch wenn nicht alles ausgegoren ist: Die prinzipielle Richtung geht hin zum Apotheker als Heilberufler, der näher am Patienten sein soll. Das will auch das Perspektivpapier. Und da der ABDA-Präsident eine Reform der Apothekerausbildung als einen Schwerpunkt seiner zweiten Amtszeit sieht, könnte sich vielleicht etwas bewegen – man müsste nur unseren Hochschullehrern eine kleine Motivationsspritze „forte retard“ verabreichen, damit sie ein bisschen mehr das Wollen ins Tun umsetzen.
11. Januar 2017
„Der Rx-Markt ist für uns eine Existenzgrundlage“, sagt Max Müller, Vorstandsmitglied beim niederländischen Versender DocMorris, im DAZ-Interview. Und ein paar Takte weiter beim Thema Hüffenhardt: „Im Übrigen sehen wir uns aber gar nicht im Wettbewerb mit den Apothekern.“ Ja, mein liebes Tagebuch, was nun? Vermutlich sehen wir das alles nur ein wenig zu eng, oder wir haben nicht die hellgrüne DoMo-Brille auf. Denn es ist ja auch so, dass DocMorris, wie Müller sagt, keine Regeln gebrochen hat, nein, also wirklich nicht. Und dann sollten wir uns vielleicht gefälligst ein bisschen mehr in die schöne grün-weiße Welt von DocMorris hineindenken, z. B. will DocMorris den Vor-Ort-Apotheken eigentlich helfen, ja, wirklich! Indem sich z.B. ein Kunde per Videoschaltung bei DocMo beraten lässt und der Kundenwunsch dann samt Beratungsdoku an den Apotheker vor Ort weitergeleitet wird, der daraufhin einen Boten losschickt und die Arzneifläschchen ausliefert „mit herzlichen Grüßen von DocMorris“. Mein liebes Tagebuch, dass die ABDA auf diese wunderbare Koexistenz zwischen Vor-Ort-Apo mit DocMorris nicht selbst gekommen ist. Mal im Ernst, mein liebes Tagebuch: Warum soll ein Patient sich von DocMorris beraten lassen? Warum nicht gleich bei der nächsten Apotheke anrufen? O.k., vielleicht sollten unsere Präsenzapotheken technisch noch mehr und rascher aufrüsten und über Tele- und Videokommunikationsdienste noch besser ansprechbar sein. Vereinzelt bieten das Apotheken bereits an. Aber vielleicht entdeckt ja auch die ABDA im Jahre 2017, dass sie sich auf diesem Neuland von IT und Kommunikationstechnologie stärker engagieren muss. Dass DocMorris eine Videoberatungsbox, wie in Hüffenhardt eingerichtet, als letzten Schrei der Moderne verkauft – soweit hätte es gar nicht kommen dürfen. In Regionen, in denen Apotheken dünn gestreut sind, kann ein Videozugang den Patienten die Kommunikation mit einer Vor-Ort-Apotheke durchaus erleichtern. Aber dafür brauchen wir nicht DocMo.
12. Januar 2017
Wenn Patienten aus dem Krankenhaus entlassen werden, erhalten sie ein Rezept, um ihre Arzneitherapie fortführen zu können – das sollte eigentlich so schwer nicht sein. Von wegen! Das Entlassmanagement mit der Möglichkeit, Entlassrezepte auszustellen, entpuppt sich als harter Knochen für die drei Ks, nämlich für Krankenkassen, Krankenhäuser und Kassenärzte. Konkrete gesetzliche Vorgaben, wie das abzulaufen hat, legte das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz 2015 zwar vor, die Details dazu sollten die 3 Ks in einem Rahmenvertrag regeln. Gescheitert. Das Bundesschiedsamt musste einen Rahmenvertrag festsetzen, den allerdings die Deutsche Krankenhausgesellschaft für einen „bürokratischen Supergau“ hielt und jetzt dagegen klagt. Einer ihrer Kritikpunkte: Dass jeder Patient Anspruch auf ein Entlassmanagement hat – d.h., jeder Patient muss darüber von der Klinik schriftlich informiert werden und einwilligen, zwei Formblätter sind auszufüllen. Zu viel Bürokratie findet die Deutsche Krankenhausgesellschaft, denn das sollten nur die Patienten machen müssen, die es dann auch brauchen. Außerdem kritisiert die Krankenhausgesellschaft, dass sich jeder Klinikarzt von den Kassenärztlichen Vereinigungen eine lebenslange Arztnummer (LANR) zuweisen lassen muss, die auf den Entlassrezepten anzugeben ist. Mein liebes Tagebuch, was ist daran so kompliziert? Erstaunlich, was so manche schon als unerträgliche Bürokratie empfinden. Und so warten wir weiter auf ein sauber geregeltes Entlassmanagement.
13. Januar 2017
Neujahrsempfang des Apothekerverbands Nordrhein. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Georg Kippels, Mitglied im Gesundheitsausschuss, war dort zu Gast. Er brachte zwei wohlschmeckende Aussagen zum Neujahresempfang mit: Er unterstützt die Gröhe-Initiative, den Rx-Versandhandel zu verbieten. Bravo! Im Gegensatz zu Bosbach zeigt er sich sogar zuversichtlich, dass das Gesetz die nächste Hürde im Bundeskabinett nimmt. Und er kritisierte die Krankenkassen, sie gingen mit dem System Apotheke falsch um. Nochmal Bravo! Denn eigentlich sollten die Kassen auch ein Interesse daran haben, dass die Steuerungsfunktion der Zuzahlung nicht durch Boni-Aktionen ausländischer Versandapotheken unterlaufen werde. Mein liebes Tagebuch, es tut gut, wenn das mal von einem Politiker so rüberkommt. Deutlich machte er allerdings auch, dass ein Rx-Versandverbot, sollte es von deutscher Seite beschlossen werden, der EU-Kommission zur Stellungnahme vorgelegt werden müsse („Notifizierungsverfahren“), was den Gesetzeseintritt nochmals sechs Monate verzögern könnte. Die Versender könnten sich in dieser Zeit weiter mit Boni und Rabatten austoben. Mein liebes Tagebuch, ist zwar unschön, aber die sechs Monate, die halten wir dann auch noch aus. Wenn wir nur schon mal so weit wären!
14. Januar 2017
Nicht nur Trump twittert, auch Karl Lauterbach. Der SPD-Gesundheitspolitiker stellt in einer Kurzmitteilung seinem Koalitionspartner einen Kompromiss beim Rx-Versandverbot in Aussicht: Lauterbach teilte am Samstagabend mit,
dass das Rx-Versandverbot „nur möglich“ sei, wenn Patientenzuzahlungen in der
Apotheke für Chroniker grundsätzlich entfielen. Wörtlich schrieb der SPD-Politiker:
„CDU will Versandhandelsverbot für Apothekerlobby. Patienten verlören Boni für
Zuzahlung. Für SPD nur möglich, wenn Zuzahlung für Chroniker ganz wegfiele.“ Mein liebes Tagebuch, lenkt Lauterbach ein? Hat er mal darüber nachgedacht, dass ein Rx-Versandverbot vielleicht doch nicht das Schlechteste ist? Egal wie, erstmal ist das nur ein kleiner Tweet, eine Privatmeinung, aber vielleicht wird aus dem Gezwitschere noch eine vernünftige Lösung...
8 Kommentare
Lauterbach überrascht doppelt
von Wolfgang Müller am 15.01.2017 um 20:24 Uhr
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Alles hat seinen Preis ...
von Reinhard Herzog am 15.01.2017 um 13:34 Uhr
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AW: Alles hat seinen Preis
von Christian Becker am 15.01.2017 um 17:55 Uhr
kein Neoliberalismus im Gesundheitswesen!
von Karl Friedrich Müller am 15.01.2017 um 13:00 Uhr
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Bonus
von Frank ebert am 15.01.2017 um 12:49 Uhr
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Existenzgrundlage
von Karl Friedrich Müller am 15.01.2017 um 12:04 Uhr
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Vom Duschen und Emotionen.
von Christian Timme am 15.01.2017 um 9:28 Uhr
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RxVV nicht für Apothekerlobby
von Erik Modrack am 15.01.2017 um 8:52 Uhr
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