Jahreshauptversammlung der TGL Nordrhein

Warum 2017 für Deutschlands Apotheken ein Schicksalsjahr ist

Düsseldorf - 26.01.2017, 17:45 Uhr

DAZ-Herausgeber
Peter Ditzel mit der TGL-Vorsitzenden Dr. Heidrun Hoch. (Foto: hb / DAZ)

DAZ-Herausgeber Peter Ditzel mit der TGL-Vorsitzenden Dr. Heidrun Hoch. (Foto: hb / DAZ)


Kein anderes Thema beherrscht die deutsche Apothekenlandschaft in den letzten Monaten so sehr wie die Auswirkungen des EuGH-Urteils zu den Rx-Boni. Dem trug auch die Tarifgemeinschaft der Apothekenleiter Nordrhein bei ihrer diesjährigen Jahreshauptversammlung in Düsseldorf Rechnung.  

Bei der Jahreshauptversammlung der Tarifgemeinschaft der Apothekenleiter Nordrhein (TGL Nordrhein) beschrieb DAZ-Herausgeber Peter Ditzel in einer spannenden Tour d´horizon, wie es zu dem EuGH-Urteil zu den Rx-Boni kam, was es bedeutet und was daraus werden könnte. Die ersten dunklen Wolken seien bereits Anfang Juni 2016 mit den Schlussanträgen von Generalanwalt Maciej Szpunar aus Luxemburg herüber gezogen, rekapitulierte er. Sie hätten zwar für eine gewisse Unruhe im deutschen Apothekenmarkt gesorgt, aber ABDA-Präsident Friedemann Schmidt habe es nicht für sinnvoll gehalten, sich schon zu diesem Zeitpunkt in Szenarien zu ergehen, was wäre, wenn der EuGH DocMorris & Co. tatsächlich die Rx-Boni erlaubt. 

Thema bewußt ausgeklammert

Auch auf dem Apothekertag Mitte Oktober sei das Thema bewusst ausgeklammert worden. Von möglichen Plänen B und C nach einem ungünstigen Urteil habe die ABDA unmittelbar vor dem Tag der Entscheidung weiterhin nichts wissen wollen. Das EuGH-Urteil am 19. Oktober 2016 bezeichnete Ditzel demzufolge als „Donnerschlag“, für den ABDA-Präsidenten eine maximale Provokation für die Apothekerschaft und eine Geringschätzung der pharmazeutischen Arbeit. Rechtsexperten seien sich einig gewesen: „Das Urteil ist hanebüchen, krude in seiner Begründung, selektiv in der Wahrnehmung und verworren in seinen Schlussfolgerungen“, zitierte er den Juristen Christian Rotta, Stuttgart.

Der Minister hielt Wort

Die ABDA habe sich danach einiges an Kritik gefallen lassen müssen. Was die Standesführung vorgetragen habe, sei sichtlich wenig überzeugend für das Gericht gewesen, wurde ihr vorgehalten, manche hielten es für „saft- und kraftlos“. Schon kurz nach dem Urteil seien dann verschiedene Modelle diskutiert worden mit dem raschen Fazit, dass ein Rx-Versandhandelsverbot für die ABDA ganz oben auf die Agenda rückte. Vom Bundesgesundheitsminister habe es rasch Unterstützung für die Apotheken gegeben. Mit seinem ersten Referentenentwurf zum Rx-Versandverbot von Mitte Dezember habe Hermann Gröhe dann auch Wort gehalten. Während das BMG sich seither weiter für sein Vorhaben stark mache, sei die Politik sich ansonsten uneins. SPD und Union verhielten sich zurückhaltend, die Linke lobten, die Grünen schimpften.

Notifizierungsverfahren als weitere Hürde

Und selbst wenn die Fraktionen für ein Verbot stimmten, gebe es weitere Hürden, gab Ditzel zu bedenken. Ein deutsches Rx-Versandverbot greife in den Binnenmarkt ein. Deshalb sei ein Notifizierungsverfahren bei der EU nötig, das drei bis acht Monate dauern kann. In dieses Verfahren gehe das Gesetz laut BMG-Sprecher im Stadium des Kabinettsentwurfs, was theoretisch im ersten Quartal 2017 wäre.

Drei Monate passiere dann erstmal nichts, weil das Vorhaben von den Mitgliedstaaten geprüft werde. Komme kein Widerspruch, so sei das Verfahren nach drei Monaten durch. „Wenn alles optimal läuft“, stellte Ditzel fest, „kann es bis zum Sommer 2017 abgeschlossen sein. Frühestens im Herbst 2017 könnte das Gesetz nach Expertenmeinung dann in Kraft treten. Manche hielten dies allerdings für zu optimistisch. Sperren sich die Mitgliedstaaten oder die Kommission, dann müsse weiter diskutiert werden, und dann sei man schon am Ende der Legislaturperiode dieser Regierung angelangt. „Und dann?“ fragte Ditzel.

Nächste Runde vor dem OLG Düsseldorf

Anfang 2017 ist für ihn noch alles unklar. Die Gegner seien zahlreich und selbst in der eigenen Fraktion habe der Bundesgesundheitsminister nur bedingt Rückendeckung.

Im Übrigen erinnerte der DAZ-Herausgeber an die weitere Runde vor Gericht, die im April beim Oberlandesgericht Düsseldorf ansteht. Dann werde der Fall der Wettbewerbszentrale gegen die Deutsche Parkinson Vereinigung vor dem OLG neu verhandelt, und das Gericht werde nun vor dem Hintergrund des EuGH-Urteils, das es selbst vom EuGH erbeten hatte, entscheiden müssen.

Wie auch immer das Ganze ausgehen wird, das Jahr 2017 ist für Ditzel ein „Schicksalsjahr“. „Es könnte, überspitzt formuliert, sogar DIE Weichenstellung für die Zukunft des Apothekerberufs per se sein,“ meint er, „entweder weiter auf dem Weg des Apothekerberufs als Heilberuf oder hin zum Kaufmannsberuf als Logistikberuf.“

„Sprechen Sie mit Politikern und Entscheidungsträgern“

Die TGL-Vorsitzende Dr. Heidrun Hoch, Schermbeck, hält es jedenfalls für den falschen Weg, sich zu schnell geschlagen zu geben. Es lohne sich zu kämpfen. „Bleiben Sie  selbstbewusst!“, appellierte Hoch an das Auditorium. Zudem müsse die Apothekerschaft jetzt mehr denn je über Zusammenhänge und Fakten informieren. Alle sollten sich daran beteiligen, die emotionalisierte und auf viel Unkenntnis basierende Debatte wieder auf die Sachebene zurückzuführen. „Sprechen Sie mit Politikern und Entscheidungsträgern, mit Menschen, die Multiplikatoren sind!“ forderte Hoch. Populistische Aussagen wie "Wir brauchen keinen Naturschutz für Apotheker", wie es der FDP-Vorsitzende Lindner äußerte, bezeichnete sie als „glattweg unverschämt“. So etwas dürfe man nicht stehen lassen.


Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Roadmap vom Vordenker.

von Christian Timme am 27.01.2017 um 9:42 Uhr

Danke für diesen Blick in die Zukunft und die Einschätzung. Könnte das Tagebuch ev. ab und an um eine kleine "Kristallkugel" ergänzt werden?. Vielleicht ist das ja eine kleine "Gehhilfe" für interessierte Leser.

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