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Interview Dr. Georg Nüßlein (CSU)
„Die SPD muss jetzt was für die Apotheken tun“
Dr. Georg Nüßlein ist einer der ranghöchsten Gesundheitspolitiker in der Unionsfraktion. Zur Zukunft des Apothekenmarktes hielt sich der CSU-Politiker bislang bedeckt. Im Interview mit DAZ.online erklärt der Unions-Fraktionsvize nun, warum er voll hinter dem Rx-Versandverbot steht, warum er im Konflikt mit der SPD auf Karl Lauterbach setzt und wie es im Abstimmungsverfahren weitergehen soll.
Kurz nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Rx-Preisbindung hatte Dr. Georg Nüßlein, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Union und dort zuständig für das Thema Gesundheit, sich zuletzt zum Arzneimittel-Versandhandel geäußert. Damals sprach der CSU-Politiker von einem „destruktiven Verdrängungswettbewerb“, der nach dem EuGH-Urteil drohe. Das Rx-Versandverbot bezeichnete er damals als „eine Möglichkeit“, dem zu begegnen.
Erst in der vergangenen Woche trat Nüßlein dann bei diesem Thema wieder in Erscheinung: Gemeinsam mit seinem SPD-Kollegen Karl Lauterbach hatte er alle wichtigen Gesundheitspolitiker aus den Regierungsfraktionen, die ABDA, die deutschen Versandapotheker sowie die europäischen Versender zu einem Gipfeltreffen eingeladen.
DAZ.online: Sehr geehrter Herr Nüßlein, mit Blick auf das anstehende Notifizierungsverfahren und das Gesetzgebungsverfahren hierzulande wird die Zeit für das Rx-Versandverbot knapp. Ist das Verbot in dieser Legislaturperiode überhaupt noch möglich?
Nüßlein: Ja, wenn der Koalitionspartner uns endlich entgegenkommt. Der Zeitplan von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe, das Notifizierungsverfahren gleich am Anfang und zügig in Gang zu setzen, ist wegen des Vetos der SPD vorerst gescheitert. Wenn sich die SPD aber nun bald dazu bereit erklärt, was für die Apotheken im Land zu tun, bin ich fest davon überzeugt, dass das Rx-Versandverbot noch in dieser Legislaturperiode in Kraft treten kann.
DAZ.online: Dabei hatte sich Karl Lauterbach ja eigentlich schon in Ihre Richtung bewegt…
Nüßlein: Karl Lauterbach ist ein Politiker, mit dem man Kompromisse finden kann. Ich persönlich schätze ihn sehr und setze in den kommenden Wochen auch auf ihn.
„Das Rx-Versandverbot bleibt der Königsweg“
DAZ.online: Wäre die Union denn bereit, auf Lauterbachs Kompromissvorschlag einzugehen? Er hatte ja vorgeschlagen, dem Rx-Versandverbot zuzustimmen, wenn dafür die Zuzahlungen für Chroniker komplett wegfielen.
Nüßlein: Das ist ein Kuhhandel, bei dem die eine Forderung mit der anderen nichts zu tun hat. Wir werden uns daher darauf nicht einlassen und verfolgen weiterhin das Ziel, gemeinsam mit der SPD das Verbot zu verabschieden.
DAZ.online: Warum ist das Verbot des Rx-Versandhandels aus Ihrer Sicht denn die beste Lösung?
Nüßlein: Wir müssen nach dem EuGH-Urteil alles dafür tun, um unsere Versorgungsstrukturen aufrechtzuerhalten. Es ist ein Irrglaube, dass der Versandhandel die Arzneimittelversorgung auf dem Land sichern könnte, wenn dort Apotheken wegfielen. Die Apotheker leisten gute und wichtige Dienste, wir müssen deshalb die Apotheke vor Ort erhalten. An dieser Frage hängen doch auch viel wichtigere Entwicklungen: Überlegen Sie einmal, wie viele Menschen in Apotheken arbeiten. Wenn es diese Arbeitsplätze auf dem Land nicht mehr gäbe, hätten wir ein Problem. Und auch aus gesundheitspolitischer Sicht muss es darum gehen, die Apotheker zu stärken. Die Rolle der Apotheker für die Versorgung auf dem Land wird in den kommenden Jahren nämlich wichtiger werden.
DAZ.online: Die Apothekenexpertin bei der SPD, Sabine Dittmar, warnt ja vor dem Rx-Versandverbot, weil dann die Versorgung einiger Spezial-Versandapotheken wegfallen würde, die Patienten mit besonderen Krankheiten deutschlandweit beliefern.
Nüßlein: Bei dem Gesetz zum Verbot des Rx-Versandhandels wird es sehr wichtig sein, nicht alles mit einer großen Klatsche kaputtzuschlagen. Für solche speziellen Fragen müssen wir Lösungen finden. Und das machen wir ja auch: Wir haben im Referentenentwurf beispielsweise Ausnahmen für den wichtigen Botendienst der Apotheken festgehalten, damit dieser weiterhin rechtssicher praktiziert werden kann.
„Das Notifizierungsverfahren wird nicht einfach“
DAZ.online: Apropos rechtssicher. Das Rx-Versandverbot muss ja von allen EU-Mitgliedstaaten und der EU-Kommission notifiziert werden. Gehen wir einmal davon aus, dass Sie hierzulande für Mehrheiten sorgen. Glauben Sie denn, dass das Verbot in Europa grünes Licht bekäme?
Nüßlein: Das Notifizierungsverfahren wird nicht einfach. Klar ist, dass das Gesetz während der dreimonatigen Stillhaltefrist nicht umgesetzt werden darf. Gibt es einen Widerspruch seitens der EU oder eines Mitgliedlandes, was nicht unwahrscheinlich ist, verlängert sich die Bearbeitungszeit. Die europäischen Versandapotheken haben uns dazu wettbewerbsrechtliche, juristische und ordnungspolitische Argumente präsentiert, die sich ja auch nicht so einfach vom Tisch wischen lassen. Umso wichtiger ist es, dass wir während dieser Zeit nicht untätig sind, sondern jenseits des Rx-Versandverbotes nach Möglichkeiten suchen, die Versorgungsstrukturen auf dem Land stärken.
Nüßlein sucht nach Alternativen
DAZ.online: Welche Vorschläge haben Sie da?
Nüßlein: Ganz unabhängig vom Rx-Versandverbot setze ich mich dafür ein, dass wir die flächendeckende Arzneimittelversorgung sichern und vorhandene Strukturen für die Zukunft stärken. Ob das nun über den Nacht- und Notdienstzuschlag oder über etwaige Beratungshonorare geht, will ich derzeit noch nicht sagen. Denn der Königsweg bleibt das Verbot des Rx-Versandhandels.
DAZ.online: In der vergangenen Woche hatten sie und ihr SPD-Kollege Karl Lauterbach ja alle Beteiligten zu einem Fachgespräch eingeladen. Gibt es denn wenigstens die Aussicht auf eine Einigung?
Nüßlein: Die Veranstaltung hat allen Beteiligten gezeigt, dass es noch ein langer Weg ist, bis wir das Verbot gemeinsam beschließen können. Immerhin haben sich die deutschen Versandapotheken zu einem Kompromiss bereit erklärt. Sie würden es wohl hinnehmen, dass Rx-Boni im Sozialrecht entweder gedeckelt oder ganz verboten würden, wenn dafür der Rx-Versandhandel erhalten bliebe. Die ABDA hingegen hat alle Kompromisse abgelehnt.
DAZ.online: Hätten Sie sich von der ABDA an dieser Stelle mehr Bewegung gewünscht?
Nüßlein: Wir sind uns ja mit der ABDA einig, dass das Rx-Versandverbot die Versorgungsstrukturen am besten schützen kann. Trotzdem muss auch die ABDA im Blick behalten, was politisch machbar ist. Grundsätzlich ist es aber normal, dass man am Anfang einer solchen Gesprächsreihe erst einmal seine Position markiert und schaut, wer sich als erstes bewegt.
DAZ.online: Sehr geehrter Herr Nüßlein, wir bedanken uns für das Interview.
1 Kommentar
Gesundheit auf dem EU-Abstellgleis.
von Christian Timme am 01.02.2017 um 8:34 Uhr
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