Uneinheitliche Anzeigen

Software verursacht Retax

Stuttgart - 09.02.2017, 16:15 Uhr

Nichts geht ohne Computer: Auf die Software muss man sich in der Apotheke verlassen können. (Foto: Herrndorff / Fotolia)

Nichts geht ohne Computer: Auf die Software muss man sich in der Apotheke verlassen können. (Foto: Herrndorff / Fotolia)


Eine Verordnung über Tamsulosin Basics. Der Arzt möchte offensichtlich ein bestimmtes Präparat und hat daher das Aut-idem-Kreuz gesetzt. Auf den ersten Blick scheint alles klar zu sein. Oder eben nicht. Das zeigt der folgende Retaxfall, in dem sich die Apotheken-EDV als Fallstrick erweist.

Man ist in der Apotheke darauf angewiesen, sich auf die Software verlassen zu können. Doch in Ermangelung klarer Vorgaben, wie ein Präparat angezeigt werden muss, sind nicht alle Angaben in jedem System gleich. So sind in manchen Systemen nur Kurzbezeichnungen hinterlegt, in anderen Langnamen. Diese Unterschiede bestehen nicht nur von Apotheken-EDV zu Apotheken-EDV, sondern auch zwischen Arzt- und Apotheken-Software. Was passieren kann, wenn in der Praxis-EDV Präparate anders angezeigt werden als in der Apotheke, darüber berichtet Dieter Drinhaus beim Deutschen Apothekenportal.

Eine Apotheke erhält ein Rezept über „Tamsulosin Basics 0,4 mg Hk 100 St. REK.“ Das Aut-idem-feld ist angekreuzt. Der Patient soll offensichtlich ein bestimmtes Präparat erhalten. Gibt man dann „Tamsulosin Basics“  in die Lauer-Taxe ein, finden sich zwei Artikel, die fast gleich bezeichnet sind.

  •     TAMSULOSIN BASICS 0,4 mg Hartkaps.retard., PZN 01896978
  •     TAMSULOSIN BASICS 0,4 mg Hartkaps.retard. RANBAXY, PZN 11011314


Foto: dap

Das Ranbaxy-Präparat ist zum fraglichen Zeitpunkt der Rabattartikel der Kasse. Weil das Aut-dem-Feld angekreuzt ist und von „Ranbaxy“ auf dem Rezept keine Rede ist, geht die Apotheke davon aus, dass der Patient das „normale“, nicht-rabattierte Basics-Präparat erhalten soll  – und wird auf null retaxiert. Nichteinhaltung des Rabattvertrags lautet die Begründung der AOK-Sachsen-Anhalt. 

Foto: DAP

Zwei Systeme, zwei Bezeichnungen

Was genau war passiert? Das Arzneimittel wird tatsächlich in unterschiedlichen Software-Systemen unterschiedlich dargestellt. So unterscheiden sich bei einem die beiden Präparate durch den Zusatz „Ranbaxy“ – ein indischer Generikahersteller. „HK“ wie auf der Verordnung findet sich dort bei keinem der beiden Präparate. In anderen Systemen hingegen ist „HK“ der entscheidende Hinweis, um die beiden Mittel unterscheiden zu können. So beispielsweise bei einem anderen System:

  • TAMSULOSIN BASICS 0,4 mg
  • TAMSULOSIN BASICS 0,4 mg HK
Foto: DAP

„HK“ kennzeichnet hier das Ranbaxy-Präparat Und auch in der Software des verordnenden Arztes war das Merkmal „HK“ offensichtlich zu sehen. Durch Setzen des Aut-idem-Kreuzes signalisierte er, dass er genau diese Präparat wollte – ob bewusst oder unbewusst, auf jeden Fall überflüssigerweise. Denn „HK“ war ja Rabattartikel.

Einsprüche wurden abgelehnt

Die Einsprüche der Apotheke, die den Sachverhalt ausführlich schilderte, blieben erfolglos. Dabei war sie gar nicht in der Lage anhand des Rezeptes zu erkennen, welcher Artikel gemeint war. Sie wurde somit für die „Fehler“ Dritter verantwortlich gemacht. Die Kasse hätte gemäß Rahmenvertrag die Möglichkeit gehabt, in diesem unverschuldeten Fall auf eine Retaxation zu verzichten. Davon hat sie aber keinen Gebrauch gemacht. Für die Kasse war nur wichtig, dass ihr Rabattvertrag nur für das Ranbaxy-Präparat gilt. Für Softwarefehler der Apotheke müsse sie nicht haften, erklärte sie. 

Doch es kommt noch besser: Wirft man einen genaueren Blick auf die Präparate stellt man fest, dass sie zwar unter verschiedenen Herstellernamen gemeldet sind – Ranbaxy und Basics – aber von derselben Adresse vertrieben werden. Beide Firmen sind Unternehmen der Sun Pharmaceutical Industries Limited. Auf der Informationsseite zur Firma Basics beim Branchenverband Pro Generika lautet die Kontaktemailadresse: info@ranbaxy.de. Es ist also davon auszugehen, dass die beiden Arzneimittel völlig identisch sind.

Einheitliche Angaben wären wünschenswert

Retaxexperte Drinhaus kritisiert in diesem Zusammenhang, dass in den neuen Rahmenvertrag das Verursacherprinzip keinen Eingang gefunden hat. So gehen, wie in diesem Fall, viele Kassen, noch immer den einfacheren Weg, die Apotheke als letztes und schwächstes Glied in der Daten-Lieferkette finanziell verantwortlich zu machen. Daher wäre es aus seiner Sicht wünschenswert, dass der hier betroffene Softwareanbieter die Darstellung anpasst und so der Kasse die Retaxgrundlage entzieht  Das ist aber bislang noch nicht geschehen. 



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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1 Kommentar

aut-idem-Feld

von M. Lang am 11.02.2017 um 13:19 Uhr

Das aut-idem-Feld wurde also durchgestrichen und nicht im Sinne einer Auswahl für aut idem angekreuzt. Führen diese Rezeptformulare nicht zu Missverständnissen? D.h. kann es sein, dass ein Arzt denkt, er muss dieses Feld ankreuzen, wenn er ein wirkstoffgleiches Präparat (Generikum) verschreiben möchte? Obwohl es genau umgekehrt ist.

Wikipedia "aut idem": "Auf den heutigen, zur Abrechnung mit den gesetzlichen Krankenkassen vorgeschriebenen Rezeptformularen (Muster 16)[1] sind Aut-idem-Felder vorgedruckt, die der Arzt durchstreichen muss, sollte er keine Ersetzung des Medikaments erlauben („Nec aut idem“). Ein unverändert belassenes Aut-idem-Feld hat also automatisch die Bedeutung „aut idem“.[2] Das Durchstreichen des Aut-idem-Feldes geschieht meistens durch ein Kreuz bzw. den Buchstaben „X“, was oft als „ankreuzen“ missverstanden wird."

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