Lieferengpässe bei Antibiotika

„Buy Local“ als Lösung des Problems

Berlin - 14.02.2017, 15:15 Uhr

Ein Engpass bei Pip/Taz bereitete Apothekern in letzter Zeit Kopfzerbrechen. Eine Studie zeigt mögliche Lösungsansätze für die Egnpässe. (foto: cel/ daz.online)

Ein Engpass bei Pip/Taz bereitete Apothekern in letzter Zeit Kopfzerbrechen. Eine Studie zeigt mögliche Lösungsansätze für die Egnpässe. (foto: cel/ daz.online)


Ein Weg, das Problem der Lieferengpässe bei Antibiotika nachhaltig zu lösen, könnte eine Stärkung der heimischen Produktion sein. Allerdings müssen alle Akteure ihren Beitrag leisten, damit es gelingt, sich aus der Abhängigkeit von Nicht-EU-Ländern zu befreien, so das Ergebnis einer von Pro Generika in Auftrag gegebenen Studie. 

Auf einer Pressekonferenz in Berlin präsentierte der Branchenverband Pro Generika unter anderem eine von ihm in Auftrag gegebene Studie, in der die Unternehmensberatung Roland Berger die Abhängigkeit Deutschlands von ausländischen Antibiotika-Herstellern untersucht hat. Darüber hinaus wurden Überlegungen angestellt, unter welchen Umständen die heimische Antibiotikaproduktion gestärkt werden könne. Die Unternehmensberatung, deren Senior-Partner Dr. Morris Hosseini die Untersuchung vorstellte, kam dabei zu folgenden Schlüssen:

Über 80 Prozent der in Deutschland zu Fertigarzneimitteln aus dem Bereich Antibiotika verarbeiteten Zwischenprodukte und Wirkstoffe stammen mittlerweile aus Nicht-EU-Ländern, insbesondere aus China. Die Verlagerung der Produktionskapazitäten begann in den 1980er-Jahren und ist nach wie vor attraktiv. Mit ein Grund ist der große Preisdruck bei generischen Antibiotika – durch Rabattverträge im ambulanten und die Nachfragemacht von großen Einkaufsgemeinschaften der Kliniken im stationären Bereich. Nach Aussage der Hersteller ist eine wirtschaftliche Produktion von Generika nur durch Kosteneinsparungen bei der Produktion möglich. Diese lassen sich bei einer Verlagerung der Herstellung ins Ausland, wo beispielsweise die Löhne oder die Auflagen zum Umweltschutz niedriger sind, erzielen. 

Foto: Svea Pietschmann /pro generika
Dr. Morris Hosseini von  Roland Berger stellte die von der Unternehmensberatung durchgeführte Studie vor. 

Bei Knappheit deckt China erst den Eigenbedarf

Aus Kostengründen verlassen sich deutsche Firmen dann in der Regel nur auf einen Rohstoffproduzenten. Fällt dieser aus, weil zum Beispiel Probleme im Produktionsprozess oder Mängel bei den gelieferten Wirkstoffen auftreten, fehlen die Alternativen. Dazu kommt, dass im Bedarfsfall die Produktion nicht kurzfristig hochgefahren werden kann. Wird es aber knapp, wird in der Regel erst der eigene Bedarf vor Ort gedeckt, bevor exportiert wird. Erschwerend hinzu kommt die hohe politische Abhängigkeit von Ländern wie China. Und zu guter Letzt sind die Antibiotikaproduktion und das dazugehörige Know-how auch für die Entwicklung neuer Antibiotika essenziell. 

Es braucht andere Rahmenbedingungen

Eine Möglichkeit, Abhilfe zu schaffen, sehen die Unternehmensberater in der zumindest partiellen Rückverlagerung beziehungsweise dem Neuaufbau von Produktionsstätten für antibiotische Wirkstoffe und deren Vorstufen in Deutschland oder der EU. Doch dabei gibt es so einige Hürden. So sind zum einen die Produktionskosten in Deutschland hoch – wegen des hohen Lohnkostenniveaus, umfangreicher Produktionsauflagen und nicht zuletzt aufgrund fehlender Technologien. Die Preise, die mit Antibiotika derzeit auf dem Weltmarkt zu erzielen sind, liegen aber unter den deutschen Produktionskosten. Und dann sind für eine zuverlässige Versorgung mehrere Standorte erforderlich, das bedeutet hohe Investitionskosten. Ohne Veränderungen der Rahmenbedingungen ist es also nicht möglich, in Deutschland oder Europa Antibiotika wirtschaftlich zu produzieren.

Alle Akteure müssen mithelfen

Wie könnte das Unterfangen trotzdem gelingen? Eine Rückverlagerung und damit mehr Versorgungssicherheit lassen sich nur erzielen, wenn alle Akteure, also der Staat, die Industrie, die Krankenkassen, die Einkaufsgemeinschaften der Krankenhäuser und auch die EU, zusammenarbeiten. Doch die Unternehmensberater wurden auch noch konkreter hinsichtlich der Frage, wer welchen Beitrag leisten könnte. So könne es sich der Staat beispielsweise zur Aufgabe machen, die lokale Produktion zu fördern und zu diesem Zweck den Aufbau lokaler Produktionsanlagen vereinfachen durch Investitionszuschüsse oder Steuererleichterungen. Eine weitere mögliche Maßnahme wäre es, die höheren Produktionskosten durch einen Subventionsbeitrag auszugleichen. Zudem müsste man das regionale Bewusstsein der Industrie stärken. Denn letztendlich hängt es an der Branche, die lokale Wirkstoffproduktion aufzubauen. 

Kassen sollen lokale Produktion bei Vergabe berücksichtigen

Ein ganz erheblicher Part der Aufgabe fällt den Kassen beziehungsweise den Einkaufsgemeinschaften der Krankenhäuser zu. So sollen sie in Zukunft die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilen und sich nicht mehr nur von einem Hersteller abhängig machen. Das heißt im Falle der Rabattverträge Mehrfachvergaben und im Klinikbereich Verträge mit mehr als einem Lieferanten. Außerdem könnten in Zukunft auch andere Kriterien neben dem Preis bei der Auftragsvergabe berücksichtigt werden, zum Beispiel Einhaltung von Umweltauflagen oder eben die lokale Produktion. Das würde die Herstellung vor Ort unterstützen.

Auf die Frage, in welchem Zeitrahmen eine neue Produktionsstätte aufgebaut werden kann, hieß es, dass es in etwa vier Jahre dauert, bis das erste verkehrsfähige Arzneimittel vom Band läuft – also eine mittelfristige Lösung. Kurzfristig ließe sich mit Maßnahmen wie Mehrfachvergaben Abhilfe schaffen. Denn mehrere Anbieter im deutschen Markt bedeuten in der Regel auch mehr Produktionsstätten anderswo. Die Verpflichtung dazu ließe sich beispielsweise im derzeit verhandelten Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz unterbringen. Eigentlich ist der Branchenverband ohnehin der Meinung, dass für lebenswichtige Arzneimittel gar keine Rabattverträge gelten sollten, denn lebenswichtige Arzneimittel seien zu wichtig zum Feilschen, erklärte Pro-Generika-Geschäftsführer Bork Bretthauer zum Schluss. 



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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2 Kommentare

Antibiotika und Lieferfähigkeit der Hersteller

von Markus Junker am 16.02.2017 um 9:33 Uhr

Solange die Arzneimittelsicherheit als solche die Versorgungssicherheit nicht einschliesst, bleibt das so wie beschrieben. Zur Versorgungssicherheit gehört Herausnahme der Antibiotika aus den Rabattverträgen. Und eine Bereitschaft der Öffentlichkeit, das Problem als solches wahrzunehmen und wirksam gegenzusteuern. Soweit sind wir noch nicht. Das betrifft auch andere Arzneimittel als Antibiotika. Es ist wie bei Lebensmitteln: Gutes Essen aber möglichst billig passt nicht immer zusammen. Auch andere Kriterien als immer nur der Preis bestimmen, was auf dem Markt verfügbar ist. Allein mit Sanktionen kommt man da nicht viel weiter. Aktienunternehmen sind nun mal gewinnorientiert zu führen, und das sit ihnen nicht vorzuwerfen. Aber daß Arzneimittel eine besondere Ware sind und nicht den allgemeinen Handelskriterien unterworfen werden können, ist auch richtig.
Antibiotika sind keine bunten Drops, die irgendwie produziert werden können. Daß im Umkreis von manchen asiatischen Antibiotikaherstellern besonders viele Keimresistenzen auftreten, wirft wohl ein Schlaglicht auf die Sauberkeit der Herstellung. Die Frage ist, ob man das des guten Preises wegen in Kauf nehmen will. Dieses Problem kommt bei Antibiotika noch mit dazu.

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Gewinne

von Holger Hennig am 15.02.2017 um 8:43 Uhr

Dass gewinnorientierte Unternehmen über zu geringe Zahlungsbereitschaft ihrer Kunden lamentieren ist wohlfeil. Meine Wahrnehmung ist jedoch, dass auch bei höherer Zahlungsbereitschaft der Kunden die Gier der Shareholder nicht geringer wird, so dass der Kostendruck bleibt, um eine höhere Rendite bieten zu können.

Wie wäre es stattdessen für Inhaber einer nationalen Zulassung mit einer LieferVERPFLICHTUNG für ihre Produkte z.B. im Umfang der Durchschnittsmenge der letzten drei Jahre, wobei ein Verstoß so empfindlich sanktioniert werden müsste, dass dies auch die Shareholder merken?

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