Änderungsanträge zum AMVSG

Zyto-Exklusivverträge könnten im Herbst Geschichte sein

Berlin - 21.02.2017, 15:30 Uhr

3-Monats-Frist für Zyto-Apotheker: Die Große Koalition will im AMVSG festhalten, dass exklusive Zyto-Verträge zwischen Apotheken und Krankenkassen drei Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes beendet sein müssen. (Foto: VZA)

3-Monats-Frist für Zyto-Apotheker: Die Große Koalition will im AMVSG festhalten, dass exklusive Zyto-Verträge zwischen Apotheken und Krankenkassen drei Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes beendet sein müssen. (Foto: VZA)


Die Große Koalition bleibt dabei: Exklusive Zyto-Verträge zwischen Krankenkassen und Apotheken soll es künftig nicht mehr geben. Die Gesundheitsexperten von Union und SPD haben sich in einem Änderungsantrag zum Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz darauf geeinigt, dass bestehende Verträge innerhalb von drei Monaten auslaufen sollen. Und: Eine zwingende Mehrfachvergabe bei Generika-Rabattverträgen wird es wohl nicht geben.

Das Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz (AMVSG) geht in den kommenden Wochen in die entscheidende Phase: Ende vergangener Woche trafen sich die Berichterstatter für das Thema Arzneimittel der Großen Koalition nochmals, um sich bei den verbliebenen Streitpunkten zu einigen und gemeinsame Änderungsanträge am Gesetz festzulegen. Zur Erklärung: Das Gesetz war ursprünglich dazu gedacht, die Ergebnisse des Pharmadialogs umzusetzen und die Arzneimittelpreisfindung zu justieren.

Inzwischen haben Union und SPD aber mehrere weitere, „pharmafremde“ Regelungen an das Gesetz angehängt. Eine davon ist eine Anpassung beim Apothekenhonorar. Die Große Koalition will, dass Apotheker für Rezepturen und die BtM-Abgabe besser honoriert werden. Insgesamt 100 Millionen Euro sollen die Pharmazeuten pro Jahr mehr erhalten. Die gute Nachricht für die Apotheker: Auch nach den Treffen in der vergangenen Woche sollen diese Honorarsteigerungen nicht mehr angepackt werden. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass der Bundestag sie in den kommenden Monaten beschließt.

Wo hakt es noch beim Pharma-Gesetz?

An vielen anderen Stellen gibt es aber immer noch Gesprächsbedarf beim AMVSG. Dem Vernehmen nach konnten sich die Regierungsfraktionen immer noch nicht auf eine konkrete Höhe der sogenannten Umsatzschwelle einigen. Die Schwelle war ein Ergebnis des Pharmadialogs zwischen Pharmavertretern und der Bundesregierung. Demnach sollen neue Arzneimittel im ersten Jahr weiterhin einen frei festlegbaren Preis haben. Allerdings soll dieser nur solange gelten, bis das Pharmaunternehmen mit dem jeweiligen Präparat den noch festzulegenden Schwellenbetrag eingenommen hat. Anschließend soll der Erstattungsbetrag greifen, der zwischen Kassen und Pharmaherstellern ausgehandelt wird.

Abstimmungsbedarf haben die Koalitionspolitiker auch noch beim Thema Preisvertraulichkeit. Im Pharmadialog hatten Regierung und Pharmaindustrie sich darauf verständigt, dass die Preise neuer Arzneimittel nicht kommuniziert werden sollen. Diese Vertraulichkeit hatte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) auch in den Gesetzentwurf aufgenommen. Nun steht allerdings zur Debatte, welche an der Lieferkette beteiligten Akteure die Preise sehen dürfen und wer nicht.

3-Monats-Frist für Apotheken-Verträge

Auf ein paar Punkte konnten sich die Arzneimittelexperten von Union und SPD dann aber doch einigen. Die Abschaffung der exklusiven Zyto-Verträge zwischen Apotheken und Krankenkassen wurde in Änderungsanträgen, die DAZ.online vorliegen, nun konkret ausgestaltet. Zur Erinnerung: Im vergangenen Jahr waren insbesondere die Verträge der AOK-Gemeinschaft mit Zyto-Apothekern unter Beschuss geraten. Ärzte und Apotheker hatten sich darüber beschwert, dass die Versorgung an Flexibilität verloren habe. In einigen Medienberichten war auch über eine schlechte Versorgungsqualität berichtet worden.

Laut AMVSG sollen die Kassen in Zukunft Rabattverträge mit den Herstellern über die Zytostatika abschließen. Das Ministerium will aber auch die Apotheker stärker in die Pflicht nehmen. Weil sich durch das Inkrafttreten eines solchen Gesetzes die Rahmenbedingungen für die Erhebung der Einsparmöglichkeiten ändern würden, müssten Kassen und Apotheker die Hilfstaxe dementsprechend anpassen. In einem neuen Änderungsantrag erhöhen Union und SPD den Druck auf Kassen und Apotheker: Einigen sich beide Seiten nicht auf die Anpassung der Hilfstaxe, soll eine Schiedsstelle angerufen werden. Man wolle damit verhindern, dass das „wichtige Ausgabenregulierungsinstrument der Hilfstaxe“ blockiert werde. Außerdem will die Koalition die Apotheker verpflichten, im Rahmen der Verhandlungen mit den Kassen die genauen Einkaufspreise offenzulegen.

Dürfen alle laufenden AOK-Zyto-Verträge noch auslaufen?

Was passiert aber mit den derzeit noch geltenden Zyto-Verträgen? Schließlich hatte der AOK-Bundesverband erst im vergangenen Jahr in mehreren Regionen neu ausgeschrieben. Dazu wollen die Regierungsfraktionen in einem Änderungsantrag zum AMVSG nun festhalten, dass die Alt-Verträge innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes ausgelaufen sein müssen. Geht man davon aus, dass der Bundestag das AMVSG im Sommer beschließt, könnten die letzten Zyto-Verträge zwischen Kassen und Apothekern also im Herbst enden.

In der Begründung des Antrages erinnern Union und SPD nochmals daran, warum sie die Zyto-Verträge mit den Apothekern loswerden wollen: „Eine möglichst friktionsfreie Versorgung der Arztpraxis mit in einer Apotheke hergestellten parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie zur unmittelbaren Anwendung beim Patienten hat eine hohe Bedeutung für die Versorgung der Versicherten, deren Gesundheit als hohes Gut zu schützen ist.“ Weiter heißt es dort, dass auch die Abschaffung der Exklusivität in den Apothekenverträgen keine Alternative sei, schließlich sei die Exklusivität ein Kernelement dieser Verträge.

Keine Mehrfachvergabe, Impfstoffverträge bleiben

Union und SPD verhandeln derzeit aber noch über diverse andere Neuregelungen, die auch für Apotheker von Interesse sein dürften. Der Branchenverband Pro Generika hatte im Rahmen des Pharmadialogs gefordert, dass Kassen ihre Generika-Rabattverträge grundsätzlich mehrfach ausschreiben und vergeben, um damit Lieferengpässe zu vermeiden. Auch die ABDA hatte diese Forderung für die Apotheker aufgestellt. Im Schlussdokument des Pharmadialoges war zwar eine sechsmonatige Übergangsfrist zwischen Zuschlag und Belieferung für die Hersteller vorgesehen. Die zwingende Mehrfachvergabe war allerdings nur als „Prüf-Option“ vorgesehen.

Nachdem Union und SPD diese Idee nun geprüft haben, kommen sie offenbar zu dem Schluss, dass sie auf zwingende Mehrfachvergaben verzichten wollen. In einem „Erklärpapier” der Koalition, das DAZ.online vorliegt, heißt es zur Begründung: „Eine zwingende Mehrfachvergabe von Rabattverträgen bei Generika wird jedoch nicht befürwortet, denn es ist jeweils im Einzelfall zu entscheiden, ob eine Mehrfachvergabe sinnvoll ist. Lieferengpässe können auch bei Mehrfachvergaben auf allen Produktionsstufen (z.B. Produktion des Wirkstoffs, Herstellung des Arzneimittels, Verpackung – ggf. Lohnherstellung) auftreten – insbesondere bei Bestehen eines Monopols hinsichtlich der Ausgangsstoffe.“

Ebenso wollen die Koalitionäre wohl nichts mehr im Bereich der Impfstoff-Rabattverträge unternehmen. Dort hatte es in den vergangenen Monaten Forderungen nach einer Abschaffung der Rabattverträge gegeben. Auch in diesem Fall ging es um die Lieferfähigkeit der Hersteller. In der koalitionsinternen Begründung heißt es dazu: „Eine Streichung der Rabattverträge ist im GKV-Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AMVSG) nicht vorgesehen. An der Möglichkeit von Ausschreibungen für Impfstoffe sollte auch festgehalten werden. Die Ansicht, es herrsche ein Automatismus zwischen Ausschreibungen und Lieferschwierigkeiten, wird nicht geteilt.“ Dem Vernehmen nach gibt es aber insbesondere bei diesem Thema noch Diskusionsbedarf innerhalb der Koalition. Insbesondere die Unionsfraktion soll darauf drängen, die Impfstoff-Rabattverträge abzuschaffen.

Kein Aut-idem für die PKV

Eine Absage gibt es auch für die Idee eine regelhafte Substitution verordneter Arzneimittel zu ermöglichen – so wie in der GKV. Eine entsprechende Prüfbitte hatte Michael Hennrich unter Hinweis auf eine angestrebte Vereinbarung zwischen Deutschem Apothekerverband und PKV-Verband ins Spiel gebracht. Mit  einer eigenen Aut-idem-Regelung möchten die privaten Versicherer Wirtschaftlichkeitsreserven erschließen. Das finden die Koalitionäre zwar nachvollziehbar. Eine entsprechende Regelung würde zudem dem Vorwurf der „Zwei-Klassen-Medizin“ entgegenwirken und die Akzeptanz der Aut-idem-Regelung in der GKV stärken, führen sie aus. Dennoch: „Ob hinsichtlich der regelhaften Substitution auch im PKV-Bereich ein politischer Konsens erreicht werden kann, bleibt allerdings abzuwarten", heißt es im Erklärpapier. Ob und wie das Anliegen durch eine Änderung des Arzneimittelgesetzes umgesetzt werden könne, bedürfe jedoch einer weiteren Prüfung. Ziel des Arzneimittelgesetzes sei nämlich die Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung – nicht aber Wirtschaftlichkeitserwägungen.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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