Großhandel

Celesio beschwert sich über Direktvertrieb, Vergütung und EU-Regulierung

Berlin - 24.02.2017, 14:00 Uhr

Politisches Positionspapier: Der Stuttgarter Pharmahandelskonzern Celesio beschwert sich über den zunehmenden Direktvertrieb, die sinkende Vergütung und kostenintensive EU-Regulierungen. (Foto: Celesio)

Politisches Positionspapier: Der Stuttgarter Pharmahandelskonzern Celesio beschwert sich über den zunehmenden Direktvertrieb, die sinkende Vergütung und kostenintensive EU-Regulierungen. (Foto: Celesio)


Der Stuttgarter Pharmahandelskonzern Celesio ist mit der derzeitigen Lage in Europas Apothekenmärkten nicht zufrieden. In einem politischen Positionspapier, das DAZ.online vorliegt, beschwert sich Celesio über das Verhalten der Pharmaunternehmen, die immer häufiger den Großhandel umgehen, eine sinkende Vergütung und zunehmende Regulierung.

Celesio ist einer der größten Apotheken- und Großhandelskonzerne Europas. Das zum US-amerikanischen Pharmahandelskonzern McKesson gehörende Unternehmen ist in 13 europäischen Ländern aktiv. Knapp 2200 Apotheken gehören in Europa zu Celesio, die meisten laufen unter dem Namen „Lloyds“. Über die diversen über den gesamten Kontinent verstreuten Celesio-Großhändler beliefert das Unternehmen eigenen Angaben zufolge mehr als 50.000 Apotheken und Klinikapotheken am Tag. Hierzulande hat der Celesio-Großhändler Gehe etwa 2300 Apothekenkunden, die an der Kooperation gesund leben teilnehmen. Einer Unternehmensstatistik zufolge arbeiten in Europa derzeit 36.000 Beschäftigte für Celesio.

Erst im Mai 2016 hatte Celesio-Chef Marc Owen gegenüber DAZ.online die Strategie des Pharmahandelskonzernes für die kommenden Jahre erläutert. Statt wie in der Vergangenheit insbesondere auf die Liberalisierung regulierter Märkte zu setzen, wolle man über die diversen Kooperationskonzepte in Europa mehr Apotheker davon überzeugen, den immer größer werden Dienstleistungspaketen beizutreten. Doch neben der neuen Marketingstrategie sieht Celesio offensichtlich auch dringenden politischen Handlungsbedarf. In dieser Woche machte ein englischsprachiges Positionspapier die Runde, das unter dem Namen „Die Bedeutung des pharmazeutischen Großhandels verstehen“ läuft.

Darin verrät Celesio zunächst einige interessante Marktzahlen, die zumeist vom europäischen Großhandels-Verband (GIRP) kommen. Großhändler liefern demnach jährlich rund 62 Millionen Arzneimittel und Medizinprodukte an etwa 183.000 Apotheken in der Europäischen Union. In den sechs Ländern Deutschland, Italien, Frankreich, den Niederlanden, Spanien und Großbritannien haben die Großhändler im Schnitt einen Vorrat von 57.000 Arzneimitteln auf Lager, in Deutschland bevorraten die Unternehmen sogar rund 100.000 Packungen. Im Jahr 2016 haben die Großhändler den Celesio-Zahlen zufolge Arzneimittel im Wert von 11,8 Milliarden Euro ausgeliefert und mussten dabei im Schnitt 47 Tage auf ihre Zahlungen aus der Apotheke warten.

Kein Direktgeschäft und höheres Honorar

Damit das auch alles so bleibt, müsse sich im System aber einiges ändern. Den Stuttgarter Pharmahändler stört insbesondere das zunehmende Direktgeschäft der Pharmaunternehmen. Zur Erklärung: Großhändler beschweren sich seit Monaten darüber, dass Hersteller ihre Lieferungen zunehmend kontingentieren, also nur teilweise ausliefern, um die Großhandelsmarge abzukassieren. Einige Präparate erhalten die Apotheker fast nur noch über den direkten Vertriebskanal oder über die Pharma Mall.

Laut Celesio ist das offenbar ein europäisches Problem: „In einigen Ländern beliefern einzelne Hersteller direkt die Apotheken und umgehen somit den Großhandel. Solch ein Modell ist kostenintensiv für Hersteller und bietet den Apothekern nicht den gleichen, umfassenden Service.“ Die Hersteller betreiben laut Celesio Rosinenpickerei, weil sie sich die lukrativsten Produkte für das Direktgeschäft heraussuchten. Celesio ist auch der Meinung, dass das Großhandels-System weitaus effektiver funktioniere als die Direktbelieferung der Hersteller. 2015 hätten die Großhändler insgesamt 796 Millionen Transaktionen benötigt, um die Apotheken in den sechs größten EU-Ländern zu versorgen. Um all diese Kunden zu beliefern, hätten die Hersteller mit ihrer Lieferweise laut Celesio umgerechnet 99,4 Milliarden Transaktionen benötigt, um die gleiche Menge an Arzneimitteln zu verteilen.

Großhändler verdienen 29 Prozent weniger

Celesio beschwert sich zudem über die sinkende Großhandels-Vergütung auf dem gesamten Kontinent. Zwischen 2001 und 2014 sei das Honorar der Grossisten um 29,3 Prozent gesunken, heißt es in dem Positionspapier. Celesio weiter: „Das Volumen von Arzneimitteln im mittleren Preissegment sinkt. Arzneimittel aus dem unteren Preissegment werden immer häufiger bestellt, für die gibt es aber eine niedrigere Vergütung. Gleichzeitig werden auch immer mehr Hochpreiser bestellt, die allerdings wegen ihrer Lagerung und Lieferung mehr Risiken mit sich bringen. Außerdem ist die Vergütung in vielen Ländern gedeckelt. Dieser Trend untergräbt die Profitabilität des existierenden Großhandels-Modells.“

Eine weitere Baustelle sind für Celesio zunehmende EU-Regulierungen. Ein Beispiel: die GDP-Richtlinie der EU („Good Distribution Practice“, übersetzt: Leitlinie für die gute Vertriebspraxis), die für die Großhändler neuerdings auch klare Temperatur-Vorschriften für die Lieferungen mit sich bringt. Um sich daran zu halten, müsse man in Europa insgesamt 170 Millionen Euro investieren, um die Großhandels-Flotte umzurüsten.

Die Forderungen des Pharmahandelskonzerns an die Politik sind zahlreich, teilweise aber unkonkret und vage: Im Bereich des Direktvertriebes müssten die Gesetzgeber intervenieren und klare Vorschriften setzen. Welche Regulierungen das sein könnten, lässt Celesio ber offen. Ebenso müsse die Vergütung „gesichert“ werden. Konkrete Honorarforderungen stehen jedoch nicht im Positionspapier. Außerdem solle es „keine weiteren“ Regulierungen für Großhändler mehr geben, es sei denn, es bestehe ein „nachweisbarer“ Nutzen für die Patientensicherheit.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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