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Warum wirkt VX tödlich?
Es kommt nach Aufnahme von VX zu einer Akkumulation von Acetylcholin (ACh) an sämtlichen cholinergen Synapsen – peripher und im Zentralnervensystem. Die Folge ist Übererregung bis hin zum funktionellen Ausfall cholinerg innervierter Organe. Lebensbedrohlich sind letztendlich die Lähmung des Atemzentrums sowie Bronchokonstriktion und Bronchorrhoe, die muscarinisch vermittelt werden. Außerdem die Lähmung der Atemmuskulatur. Hier ist nicotinische Neurotransmission betroffen.
Symptome ähneln denen einer Vergiftung mit anderen Organosphosphaten wie Sarin oder auch dem Pflanzenschutzmittel Parathion (E605): Nasenlaufen, Sehstörungen, Pupillenverengung, Augenschmerzen, Atemnot, Speichelfluss, Muskelzucken und Krämpfe, Schweißausbrüche, Erbrechen, unkontrollierbarer Stuhlabgang, Bewusstlosigkeit, zentrale und periphere Atemlähmung.
Was tun im Falle einer Vergiftung?
Als Antidot wird Atropin gegeben. Das Alkaloid ist ein Antagonist an muscarinischen ACh-Rezeptoren, wo es mit ACh um die Bindungsstelle konkurriert. Folglich behebt es aber auch nur die VX-Wirkung an den muscarinischen Acetylcholinrezeptoren, also die zentrale Atemdepression, die bronchiale Hypersekretion, die Bradykardie und die Konstriktion der glatten Muskulatur, zum Beispiel der Bronchialmuskulatur.
Symptome, die auf Übererregung der nicotinischen Synapsen beruhen, wie die Wirkung auf die quergestreifte Muskulatur, lassen sich mit Atropin nicht bekämpfen. Deswegen müssen zusätzlich Oxime, wie Obidoxim (Toxogonin®) oder Pralidoxim gegeben werden, um die AChE zu regenerieren. Sie lösen die Bindung zwischen der Phosphorsäure des Gifts und dem Serin der AChE unter Bildung des Oximphosphats. Für Soldaten stehen Autoinjektoren zur Selbstinjektion in den Oberschenkel zur Verfügung, die Atropin und Obidoximchlorid enthalten.
Inwiefern sich die AChE regenerieren lässt, hängt unter anderem von der Art des aufgenommenen Organophosphats ab – bei VX zeigen Oxime volle Wirkung. Und auch der Zeitfaktor spielt eine wichtige Rolle. So altert nämlich das vergiftete Enzym. Das bedeutet, dass sich im Laufe der Zeit aus den Phosphorresten der phopshorylierten AChE eine Alkylgruppe abspaltet. Die entstehenden Dealkylphosphorsäureester sind so stabil, dass sie sich selbst durch Oxime nicht hydrolysieren lassen.
Eine Vorbehandlung mit Pyridostigmin, das durch Carbamylierung die AChE reversibel hemmt, kann die Phopshorylierung durch Organophosphate wohl abschwächen. So bleibt eine Restaktivität, die überlebenswichtig sein kann. Das zentral wirksamen Physiostigmin scheint diesbezüglich zum Beispiel bei Sarin noch etwas besser zu funktionieren. Atropin und Oxime müssen aber trotzdem gegeben werden. Bei VX, wo Oxime voll wirksam sind, scheint diese Vorbehandlung aber den therapeutischen Effekt der Antidote nicht zu verbessern. In den USA wird aber an Wirkstoffen geforscht, die prophylaktisch eingenommen werden können, zum Beispiel rekombinant hergestellte Cholinesterasen.
Kein Antidot mehr in der Apotheke
Bis zur Novellierung der Apothekenbetriebsordnung im Jahr 2012 musste Atropinsulfat gegen Intoxikationen und Überdosierungen mit Cholinesterase-Hemmern in der Apotheke vorrätig gehalten werden. Die Anlage 3 zu § 15, in der das vorgeschrieben war, wurde aber ersatzlos gestrichen. In dieser gab es auch einen Hinweis auf die Obidoxim-Gabe. Vorhalten musste man es aber auch damals schon nicht.
1 Kommentar
Journalisten
von Dr Schweikert-Wehner am 24.02.2017 um 18:11 Uhr
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