Beratungs-Quickie

Hilfsmittel zur Kompressionstherapie

München / Stuttgart - 23.03.2017, 13:00 Uhr

Eine Beratung zum richtigen Anziehen der Strümpfe sollte in der Apotheke nicht fehlen. (Foto: tibanna79 / Fotolia)

Eine Beratung zum richtigen Anziehen der Strümpfe sollte in der Apotheke nicht fehlen. (Foto: tibanna79 / Fotolia)


Welche Punkte sind bei der Beratung wichtig? Was für Zusatzinformationen kann man geben? Im „Beratungs-Quickie“ stellen wir jede Woche einen neuen Fall vor. Diesmal geht es um eine Verordnung über Kompressionsstrümpfe zur Venentherapie für eine Frau mittleren Alters. Worauf müssen Apotheker bei Hilfsmittelrezepten besonders achten und welche Tipps helfen der Patientin beim Anziehen ihrer Strümpfe?

Formalien-Check

Die Dame hat um 8 Uhr morgens einen Termin in der Apotheke zur Abmessung der Kompressionsstrümpfe. Sie klagt über ihre schweren und geschwollenen Beine abends. Sie arbeitet als Bäckerin und steht viel.

Verordnet ist ein Paar Kompressionsstrümpfe A-G offen nach Maß. Das entsprechende Statusfeld „Hilfsmittel“ mit der Ziffer 7 ist durch ein Kreuz markiert. Das Rezept ist nicht eindeutig. Auf das Rezept gehören neben der genauen Indikation oder Diagnose, der Hilfsmittelnummer oder Bezeichnung des Hilfsmittels, der Anzahl der Strümpfe beziehungsweise Strumpfhosen (1 Paar oder 1 Stück), der Länge (Wadenstrumpf AD, Halbschenkelstrumpf AF, Schenkelstrumpf AG, Kompressionsstrumpfhose AT), der Art der Fußspitze (offen oder geschlossen) auch die erforderliche Kompressionsklasse (Kompressionsintensität von KKL 1 bis KKL 4) und eine Angabe zur Befestigung (zum Beispiel mit Haftrand). Die Apotheke kann nach Rücksprache mit dem Arzt die fehlenden Angaben mit dem Vermerk „laut ärztlicher Rücksprache“ handschriftlich ergänzen und muss diese mit Datum und Unterschrift abzeichnen. Gegebenenfalls sind noch weitere Angaben erforderlich, wie „Maßanfertigung / nach Maß“ oder „flachgestrickt“. (Bei venösen Erkrankungen ist in der Regel eine Versorgung mit rundgestrickten Strümpfen ausreichend.)

Die Belieferung mit dem Hilfsmittel ist nur dann möglich, wenn die Apotheke eine entsprechende Präqualifizierung vorweist und dem Hilfsmittelliefervertrag mit dem jeweiligen Kostenträger beigetreten ist. Kompressionsartikel zählen zur Produktgruppe 17. Die Regelungen zur Versorgung mit Kompressionsware sind nicht einheitlich, und es müssen Besonderheiten der jeweiligen GKV beachtet werden. Die Apotheke muss im Vorfeld prüfen, ob bei der jeweiligen Krankenkasse ein Festbetrag existiert oder ob beziehungsweise ab welchem Betrag eine Genehmigung mit Kostenvoranschlag nötig ist.

In der Regel ist die Verordnung von Kompressionsstrümpfen bei Ersatzkassen bei Maßanfertigung mit der entsprechenden Hilfsmittelnummer und bei Seriengrößen mit der PZN zu bedrucken. Bei einigen gesetzlichen Krankenkassen muss der Abrechnung von Kompressionsartikeln das Messblatt als Anlage angefügt sein. Auch Rezepten, die vorab genehmigt wurden, sollte die Apotheke die Genehmigung beifügen. Es empfiehlt sich, mit einem Rezeptvermerk (wie „Anlage ist Teil der Verordnung“) auf der Rezeptvorderseite auf die Anlage hinzuweisen.

Die Kundin muss den Erhalt des Hilfsmittels auf der Rezeptrückseite mit Datum und Unterschrift bestätigen.

Die Kundin ist gebührenpflichtig. Sie muss eine Zuzahlung von zehn Prozent des Abrechnungspreises bis maximal zehn Euro leisten. Je nach ausgewähltem Hersteller und Strumpfqualität fallen eventuell zusätzlich Mehrkosten für die Patientin an.

Ab Ausstellungsdatum ist die vorliegende Hilfsmittelverordnung 28 Kalendertage gültig. Überschreitet die Apotheke die Frist aufgrund eines notwendigen Genehmigungsverfahrens oder einer langen Lieferzeit, ist dies auf der Verordnung zu notieren (zusammen mit dem Vermerk, dass das Rezept innerhalb der Belieferungsfrist in der Apotheke vorlag).

Beratungs-Basics

Die Kompressionstherapie wird zur Basisbehandlung bei Varikose, Thromboembolie, chronischer venöser Insuffizienz (CVI) und Ödemen eingesetzt. Im vorliegenden Fall ist das Hilfsmittel zur Stabilisierung des Zustandes nach dem Entfernen von Krampfadern (Variektomie) verordnet.

Das Ausmessen der Beinumfänge und der Länge der Beine muss frühmorgens kurz nach dem Aufstehen erfolgen. Die Apotheke wählt anhand der Messwerte aus dem Seriensortiment der Anbieter aus. Falls eine Versorgung mit einem Serienstrumpf durch eine Abweichung von einem / mehreren Messpunkt / -en nicht möglich ist, wird eine Maßanfertigung veranlasst. Die Kundin wählt die gewünschte Qualität, die Farbe und den Haftrand aus.

Sie soll die Strümpfe täglich tragen. Um Schwellungen zu vermeiden, muss sie die Strümpfe frühmorgens anziehen. Vor dem Anziehen darf sie ihre Beine nicht eincremen, da Bestandteile von Pflegeprodukten das Strumpfmaterial beeinträchtigen können.

Die Strümpfe sind bis zur Spitze in den Händen zu raffen. Dann wird die Fußspitze eingesteckt und der Strumpf, ohne zu reißen, nach und nach über das Bein gestreift. Um die Kompressionsstrümpfe beim Anziehen nicht zu beschädigen, empfehlen sich spezielle Gummihandschuhe als Hilfsmittel. Auch die Verordnung von An- und Ausziehhilfen (Produktgruppe 02 des Hilfsmittelverzeichnisses) zulasten der GKV ist möglich und gerade für unbewegliche oder ältere Patienten empfehlenswert.

Zum Waschen der Strümpfe soll die Kundin ein Spezialwaschmittel verwenden. Sie kann ihre Strümpfe von Hand oder in der Maschine (Schonwaschgang bei 30 oder 40°C) waschen.

Im Rahmen einer Erstversorgung steht Patienten aus hygienischen Gründen ein zweites Paar Kompressionsstrümpfe zum Wechseln zu. Der Arzt kann das Wechselpaar gleichzeitig verordnen. Ansonsten ist eine Wiederverordnung nach sechs Monaten möglich (zwei Paar pro Jahr).

Auch noch wichtig

Bei ungewöhnlichen Schmerzen in den Beinen muss die Kundin unverzüglich einen Arzt aufsuchen. Sie können Hinweis auf eine Thrombose sein.

Neben der Kompressionstherapie kann eine medikamentöse Behandlung zum Einsatz kommen. Ödemprotektiva, wie Aescin (Reparil®), Rutoside (Venoruton®), Mäusedornextrakt (Phlebodril®) oder Weinblätterextrakt (Antistax®), erhöhen den venösen Tonus, dichten die Gefäße ab und verringern (geringfügig) die Ödembildung. Die kurmäßige Einnahme der Phytotherapeutika ist wirksamer als deren äußerliche Anwendung als Einreibung.

Prinzipiell gilt es, bei Venenleiden langes Stehen oder Sitzen zu vermeiden oder durch kurze Gymnastikeinheiten zu unterbrechen. Außerdem sind die Beine untertags möglichst oft hochzulagern.

Bei sitzenden Tätigkeiten ist darauf zu achten, dass der Winkel zwischen Oberschenkel und Becken mehr als 90°C beträgt. Außerdem sollten die Zehenspitze und Fersen zwischendurch möglichst oft hin- und hergewippt werden.

Darf´s ein bisschen mehr sein?

  • Körperliche Bewegung durch Gymnastik, Schwimmen, Radfahren und Laufen regt die Wadenmuskulatur an und unterstützt den Rückfluss des Blutes aus den Venen (Muskelpumpe). Bei älteren oder immobilen Patienten können gezielte Bewegungstherapien notwendig sein.
  • Venensalben wirken subjektiv lindernd (zum Beispiel Antistax® Venensalbe,  Heparin Salbe). Durch die Massage beim Einreiben kommt es kurzfristig zu einem verbesserten Rückstrom.
  • Zubereitungen mit kühlendem Effekt (wie Antistax® Frisch Gel) und Kaltwasseranwendungen können gerade an heißen Tagen Linderung verschaffen.
  • Eine gesunde Ernährung ist wichtig. Alkoholhaltige Getränke sollte die Kundin möglichst einschränken und auf Nikotin besser ganz verzichten. Alkohol erweitert die Gefäße, dadurch wird die Entstehung von Krampfadern begünstigt. Nikotin erhöht das Thromboserisiko.

Die Kundin hofft, dass sich ihre Beschwerden nach dem operativen Eingriff und durch die Strümpfe verbessern werden. Denn momentan sehe sie als Bäckerin nach einem Arbeitstag keinerlei Unterschied zwischen aufgequollenen Hefeklößen und ihren Beinen.



Manuela Kühn, Apothekerin
redaktion@daz.online


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