ARD-Sendung über Lieferengpässe

Plusminus vergisst Apotheken-Probleme

Berlin - 30.03.2017, 11:30 Uhr

Leere Schubladen: Im ARD-Beitrag erklärt Apotheker Hans-Rudolf Diefenbach, dass die Lieferengpässe ein immer größer werdendes Problem werden. (Screenshot: DAZ.online)

Leere Schubladen: Im ARD-Beitrag erklärt Apotheker Hans-Rudolf Diefenbach, dass die Lieferengpässe ein immer größer werdendes Problem werden. (Screenshot: DAZ.online)


Welche Folgen die Lieferengpässe bei Arzneimitteln haben, beleuchtete das ARD-Wirtschaftsmagazin plusminus am gestrigen Mittwochabend. Dabei kamen vor allem Apotheker und Ärzte zu Wort. Einige Aspekte, die auch die Situation in den Apotheken vor Ort betreffen, fehlten jedoch im Beitrag.

Das Thema der Lieferengpässe in Apotheken und Klinikapotheken ist kein neues: Seit Jahren beschweren sich Pharmazeuten darüber, dass sie gewisse Arzneimittel nicht mehr erhalten und abgeben können. Insbesondere in den Kliniken fehlen viele Medikamente. Aber wer hat Schuld an dieser Entwicklung? Es fällt auf, dass alle Marktbeteiligten die Verantwortung von sich weisen: Die Apotheker behaupten, die exklusiven Rabattverträge der Kassen führten zu Lieferengpässen. Die Großhändler meinen, dass die Hersteller ihre Lieferungen kontingentieren und vermehrt auf das Direktgeschäft setzen wollen. Und die Hersteller erklären, dass Apotheker und Großhändler die Arzneimittel gewinnbringend exportierten.

So emotional, wie diese Debatte geführt wird, begann auch die gestrige plusminus-Sendung: Zahlreiche Passanten zeigten sich vor der Kamera fassungslos, als sie mit Lieferengpässen bei Arzneimitteln konfrontiert wurden. Und auch die nachfolgenden Sendeminuten machten klar: Das Problem der Lieferengpässe betrifft nicht nur Ärzte und Apotheker, sondern vor allem die Patienten. Wie dramatisch die Situation in Vor-Ort-Apotheken zuweilen sein kann, zeigte eine Szene, in der die Offizin vom hessischen Apotheker Hans-Rudolf Diefenbach zu sehen war. Leere Schubläden und lange Listen mit defekten Arzneimitteln machten deutlich, was in vielen Apotheken Alltag ist. Schilddrüsenhormone, Antibiotika, Asthmasprays? Nicht lieferbar.

Lage in Kliniken teilweise prekär

Als nächstes stand die Lage im Krankenhaus im Fokus. Auch hier komme es immer wieder zu erheblichen Lieferengpässen, hieß es im TV-Beitrag. Besonders gefährlich sei es für Patienten, wenn es um lebenswichtige Medikamente geht. Der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Professor Wolf-Dieter Ludwig, warnte sogleich vor den Gefahren eines Zytostatika-Engpasses und dem Mangel an Alternativen.

Das nachfolgende Beispiel eines 15-jährigen Krebspatienten zeigte, welche Auswirkungen dies haben kann. Das benötigte Präparat war seit Längerem nicht lieferbar. Die Ausweichmedikation führte wegen des enthaltenen Alkohols bei dem Jugendlichen zu erheblichen Nebenwirkungen. Eine Verbesserung der Lieferfähigkeit? Nicht in Sicht.

Wer trägt die Schuld an den Lieferengpässen?

Wie schlecht es um die Lieferfähigkeit im Krankenhaus bestellt ist, belegen die nachfolgenden Zahlen: Demnach fehlten allein im Februar in deutschen Kliniken 280 verschiedene Wirkstoffe. Betroffen waren laut ARD-Sendung rund 12.000 Patienten. Vor allem bei Antibiotika sei die Situation kritisch, so die Autoren des Beitrages. In den vergangenen drei Jahren kam es alleine hier 16 Mal zu Engpässen. 

Professor Gerd Fätkenheuer vom Universitätsklinikum Köln verwies bei den bestehenden Versorgungsschwierigkeiten außerdem auf das Risiko von Resistenzbildungen. Denn wenn die benötigten Antibiotika nicht lieferbar seien, müssten Ärzte auf Reserveantibiotika zurückgreifen, was wiederum Resistenzen fördern könnte. Dass knappe Antibiotika derzeit immer häufiger teuer aus dem Ausland importiert werden müssen, war ein Punkt, der die ökonomischen Auswirkungen der Problematik beleuchtete. 

ARD-Beitrag: Unschärfe bei der Fehlersuche

Bei der Ursachenforschung blieb der Beitrag dann jedoch eher unscharf. Zwar gab es ein Statement vom Gesundheits-Ökonomen Professor Gerd Glaeske, der Produktionsstätten im Ausland für die Lage verantwortlich machte. Der Kostendruck im deutschen Gesundheitswesen, so der Ökonom, zwänge die Hersteller zur Produktion im Ausland. Zudem brachte er die Rabattverträge als weiteren Auslöser für diese Fehlentwicklung ins Spiel. 

Doch die Frage, welche Rolle die Kontingentierung der Pharmaunternehmen oder der Vertrieb über Direktvertriebs-Portale wie etwa Pharmamall insbesondere für Vor-Ort-Apotheken spielt, blieb außen vor – obwohl gerade letzteres Problem vielen Apothekern ein Dorn im Auge sein dürfte. Die TV-Autoren verzichteten außerdem darauf, Hersteller, Großhandel und Krankenkassen im Beitrag zu Wort kommen zu lassen. So kritisierten und kommentierten lediglich Wolf-Dieter Ludwig und Gerd Glaeske die derzeitigen Marktentwicklungen. Ludwig ging beispielsweise auf die fehlende Sanktionierungsmöglichkeit für Hersteller mit Lieferschwierigkeiten im Klinikbereich ein, die gibt es nämlich nur im Bereich der Rabattverträge. Auch Stellungnahmen aus der Politik gab es im TV-Beitrag nicht. Und so geht das Schwarze-Peter-Spiel wohl in die nächste Runde.



Maximilian Wilke, Apotheker, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Auslandsproduktion

von Peter Bauer am 30.03.2017 um 12:02 Uhr

Jedes T-Shirt wird irgendwo im fernen Ausland zu Centbeträgen unter ich möchte nicht wissen was für Bedingungen hergestellt und bei uns dann als modischer Chick mit tausendfachem Aufschlag verkauft.Warum sollen dann nicht Arzneimittelwirkstoffe aufgrund des massiven Preisdrucks durch Krankenkassen und Politik in Indien und China produziert werden?Die Herstellungsbedingungen sind aber dann leider auch nicht diesselben wie bei uns,das ist wohl selbstverständlich.Leider haben Politiker und Krankenkassen immer noch das Bild des tüftelnden Labormenschen in ihren Gedankenblasen ,der selbstaufopfernd zum Wohle der Menschen Arzneimittel herstellt.Rabattarzneimittel,Importquoten etc.setzten bereits vor Jahren die Preisspirale nach unten in Gang.Ihr wollt billige Arzneimittel???Könnt ihr haben-Dann fragt aber am besten nicht nach der Herstellung.Sonst wird Euch wahrscheinlich schlecht.Nicht von irgendwoher fliegen irgendwelche asiatischen Produktionstätten in die Luft oder schließt die WHO diese.Manchmal muß ich mich schon fragen,ob hier geistig Realitätsverwirrte ihren "fachmännischen"Schwachsinn von der Leine lassen?Es hat jeder immer nur seinen Vorteil im Sinn:siehe SPD beim RX-Versandverbot.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Auslandsproduktion

von Peter Lahr am 30.03.2017 um 12:27 Uhr

Da müsste man bei den Krankenkassen ansetzen. Wie sieht es denn im normalen Leben aus? Alles wird teurer, ist auch logisch, Inflation, steigende Gehälter etc. Einzig und allein die Krankenkassen beharren darauf dass Medikamente billiger werden, am besten in dem Maße wie der Rest des Lebens teurer wird. Da kann man bei uns anfangen, denn die Krankenkassen haben seit Einführung des Fixhonorars ohne einen Finger krumm machen zu müssen inklusive der 3%igen Erhöhung nur durch Geduld und wenn nötig plakative Aussagen gegen uns einen Rabatt pro Packung von schätzungsweise 12-15% zusätzlich, nur durch die Inflation bekommen. In unregelmäßigen Abständen auch noch die Festbeträge gesenkt um zusätzlich zu den Rabattverträgen auch noch den letzten Tropfen auszupressen, kann es denn schöner sein? Das ist natürlich entgegen jeder marktwirtschaftlichen Logik, aber man lässt sie gewähren.

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