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Wirtschafts-Interpharm
Wie sieht die digitalisierte Apotheke von morgen aus?
Am zweiten Tag der Interpharm ging es in mehreren Vorträgen und Diskussionen um die Digitalisierung in Apotheken. Der Telematik-Chef der ABDA, Sören Friedrich, berichtete darüber, welche systematischen Veränderungen auf die Apotheker zukommen. Spannend war auch der Vortrag eines Apothekers aus Hessen, der ein futuristisches Apotheken-Modell heute schon praktiziert.
Die Digitalisierung im Apothekenmarkt war der diesjährige
Themenschwerpunkt der Wirtschafts-Interpharm. Sören Friedrich
von der ABDA eröffnete die Diskussion, in dem er die aktuellen Veränderungen im
E-Health-Bereich kommentierte. Friedrich sprach zunächst über den
Medikationsplan, der seit Oktober 2016 in Papierform von Ärzten ausgehändigt
wird. „Ich glaube, dass die betroffenen, multimorbiden Patienten anderes zu tun
haben, als einen papiernen Medikationsplan von Arzt zu Arzt zu schleppen“,
erklärte der ABDA-Fachmann mit Blick auf die ersten Patientenbefragungen, die
zeigen, dass der Plan von nicht allzu vielen Patienten angenommen wird.
„Elektronischer Medikationsplan bis 2019 ist unrealistisch"
Das E-Health-Gesetz sieht allerdings vor, dass der Medikationsplan bis zum 1. Januar 2019 auch elektronisch angeboten werden soll. Bis dahin muss sich jedoch noch viel tun. Friedrich erklärte, dass die ABDA derzeit mit den anderen beteiligten Verbände im Gesundheitswesen daran arbeite, die notwendige Telematik-Infrastruktur aufzubauen. Friedrich erwähnte, dass noch der Heilberufeausweis eingeführt werden muss und als letzter Schritt neue Kartenlesegeräte in allen Apotheken installiert werden müssten. Er kam zudem Schluss: „Dass wir den elektronischen Medikationsplan bis 2019 flächendeckend einführen können, halte ich für unrealistisch.“
Kurz erklärte er, was die Abteilung IT/Telematik bei der ABDA leiste. Insbesondere sei man damit beschäftigt, eine apothekereigene, digitale Infrastruktur zu etablieren. Dabei gehe es um die Konzeption, den Aufbau und den Betrieb eines Netzes, das die Apotheker miteinander verbindet. Außerdem arbeite die ABDA an einem Konzept, das Friedrich „Digitale Apotheke 2030“ nannte. Im Rahmen dieses Konzeptes entwickelt die ABDA etwa Handy-Apps, die Apothekern helfen könnten sowie Handy-Apps für Patienten und sei dabei „moderne und hochsichere“ Kommunikationswege zu etablieren. Friedrich ermutigte allerdings auch die Apotheker, selbst tätig zu werden und eigene digitale Lösungen, etwa zur Rezeptvorbestellung anzubieten.
Die volldigitalisierte Apotheke
Es folgte der Auftritt von Apotheker Gunther Böttrich aus Nordhessen. Böttrich hat wohl eine der digitalisiertesten Apotheken Deutschlands. Hinter seinen Kassen hängen Monitore, die Arzneimittelpackungen in der Sichtwahl sind gar nicht mehr vorhanden, sondern werden auf Monitoren übergroß angezeigt. Böttrich nahm die Zuhörer mit auf einen virtuellen Ausflug durch seine Offizin. Er zeige bereits Umgesetztes und Visionen zur Apotheke der Zukunft. Zudem erklärte Böttrich, dass er die zwölf Sichtwahl-Monitore hinter den HV-Tischen per Handy fernsteuern könne.
Auch die Warenwirtschaft ist komplett digitalisiert: Böttrich erzählt, dass er mehrere Ziehschränke abschaffen konnte, weil die digitale Warenwirtschaft effizienter arbeitet. „Ich habe einen niedrigen Lagerwert und trotzdem immer die richtigen Arzneimittel da." Die Monitore zeigen unterschiedliche Motive: Zur jeweiligen Jahreszeit, aktuelle Themen (Fußball, Karneval, etc.) oder Gesundheitsthemen. Über seinen Kassenmonitor ruft er den Bildschirm auf, den der Kunde fokussiert und kann dann über den Touchscreen das Arzneimittel aus dem Warenwirtschaftssystem auslagern und zeitgleich in der Kasse anzeigen. „Außerdem gehört dazu: Individuell auf Kunden abgestimmte Informationen geben: Nichts anderes macht Google auch", erklärt Böttrich.
Seine Vision für die Apotheke der Zukunft: „Ein Diabetiker hat eine interaktive Handy-App, die ihm bei der Kontrolle seiner Krankheit hilft. Wenn er mit seinem Handy in die Nähe der Apotheke kommt, wechseln die Werbeanzeigen auf den Monitoren auf Produkte, die zu ihm passen. Wenn er die Apotheke betritt, werden ihm zunächst auf ihn abgestimmte Freiwahl-Produkte auf den Monitoren angeboten, an denen er vorbei geht. Steht er am HV-Tisch, sieht er je nach Inhalt auf dem Großbildmonitor oder einem Diskretmonitor, eingelassen im HV Tisch, individuelle Empfehlungen basierend auf Informationen aus seiner Kundekarte. Mit seiner eigens für virtuelle Präsentationskonzepte gegründeten Firma bietet Böttrich Apotheken Beratung und Systeme an, die dabei helfen sollen, ihre Offizin modern und digital zu gestalten und gleichzeitig das Warenwirtschaftssystem effizienter zu machen.
Kunden vergleichen Preise per Smartphone – beim Einkaufen
Der nächste Redner zum Thema war der Wirtschaftsforscher Professor Andreas Kaapke aus Stuttgart. Kaapke erklärte den anwesenden Apothekern zunächst, welche Trends im Einzelhandel derzeit herrschen. Er sprach auch über Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte. Interessant waren viele Zahlen, die er präsentierte. Laut einer Umfrage schauen 45 Prozent der befragten Einzelhandelskunden während des Ladenbesuchss ins Smartphone, um Preise mit anderen Wettbewerbern zu vergleichen. Ferner geben 76 Prozent der Internetbenutzer an, sich online über die umliegenden Einzelhandelsgeschäfte zu informieren. Dazu gehören etwa Lage, Anfahrten, Telefonnummern oder alternative Anbieter. Kaapke präsentierte eine andere Statistik zur Internetnutzung: Während im Jahr 1997 noch 4,1 Prozent angaben, das Internet gelegentlich zu nutzen, seien es im Jahr 2014 knapp 60 Prozent gewesen. Kaapke wies die Apotheker darauf hin: „Solche Entwicklungen verändern die Menschen.“ Bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen sollten die Apotheker aber selbst tätig werden. Der Professor sagte: „Sie sollten nicht immer erwarten, dass Ihr Verband oder die Kammer alles regelt. Finden Sie selbst neue, digitale Lösungen für Ihre Kunden. Marktlösungen sind nicht immer die schlechtesten.“
Der Wirtschaftsforscher hatte auch einige Ideen im Gepäck, welche digitale Lösungen Apotheker anbieten könnten. Als Beispiel nannte er ein digitales Wartezeitenmanagement, bei dem die Kunden in einer virtuellen Warteschleife stehen und sich während des Wartens frei in der Apotheke bewegen können. Sehr begrüßen würde er es auch, wenn mehr Apotheken ein Online-Protokoll zur Verfügbarkeitsabfrage von Arzneimitteln auf ihrer Internetseite anbieten würden. Als „kritisch" bezeichnete er die Idee einiger Anbieter eines Service-Terminals, an dem die Kunden sich über Gesundheitsthemen informieren können. Kaapke dazu: „Ich komme doch dahin, um mich mit einem Menschen, mit einem Fachmann auszutauschen.“
„In der Apotheke vor Ort ist Beratung wichtiger als der Preis"
Timo Niggemeier von der Firma Xeomed, die Apotheken und Pharmaunternehmen bei Internetlösungen berät, hielt einen Vortrag über die Einbindung und Auffindbarkeit individueller Apothekenseiten im Internet. Sehr interessant waren auch Daten aus einer Google Consumer Umfrage, also einer Umfrage unter Google-Nutzern: Dabei mussten die Verbraucher auf einer Skala von 1 bis 5 angeben, was sie mehr an einer Vor-Ort-Apotheke und einer Versandapotheke im Vergleich schätzen: den Preis oder die Beratung? Das Ergebnis war eindeutig: Der Großteil der Befragten gab an, dass die Beratung in der Offizin wichtiger als der Preis. Beim Versandhandel ist das Ergebnis genau gegenteilig: Nur die wenigsten Versandkunden geben an, ausschließlich wegen der Beratung beim Versandhandel zu bestellen. Die meisten Kunden gaben dort den Preis als Grund an.
Niggemeier betonte außerdem, wie wichtig es für Apotheken sei, dass sie für ihre Kunden auf Google gut auffindbar sind. Er präsentierte Zahlen, denen zufolge das Wort „Apotheke“ 37 Millionen Mal im Jahr in die Suchmaschine eingegeben werde. Dabei suchen die Verbraucher in den meisten Fällen nach lokalen Themen: Wie lange ist meine Apotheke geöffnet? Wo sind Apotheken hier im Umkreis? Wie ist die Telefonnummer meiner Apotheke? Niggemeier gab den Apothekern einige Tipps, wie sie und ihre Internetseiten in der Suchmaschine gut und hoch gelistet werden. Eine ganz schnelle, einfache aber sehr effektive Maßnahme sei es, dass die Kontakt- und Adressdaten auf der Internetseite der Apotheke immer gleich geschrieben sein sollten. So sei es nicht gut, wenn in der Adressangabe das Wort „Straße“ einmal ausgeschrieben und einmal abgekürzt angeführt sei. Genau so wichtig sei es, die eigene Apotheke auf Google Business zu registrieren.
2 Kommentare
DAZ-Artikel digitalisierte Apotheke
von Dr. Günter Braun am 03.04.2017 um 9:51 Uhr
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AW: DAZ-Artikel digitalisierte Apotheke
von DAZ.online am 03.04.2017 um 13:23 Uhr
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