Alles zum Thema lesen Sie in dem Beitrag
- DAZ.online
- News
- Pharmazie
- 200 Jahre Parkinson und ...
Welt-Parkinson-Tag
200 Jahre Parkinson und keine Heilung in Sicht
Salvador Dalí, Muhammad Ali, Papst Johannes Paul II, Ottfried Fischer, Michael J. Fox – sie haben eine Sache gemeinsam: Sie alle waren oder sind an Parkinson erkrankt. 200 Jahre nach der ersten Beschreibung durch den englischen Arzt James Parkinson ist die Nervenkrankheit immer noch unheilbar. Am heutigen 11. April, James Parkinsons Geburtstag, ist Welt-Parkinson-Tag.
In Europa sind 1 bis 2 Prozent der über 60-Jährigen von Parkinson betroffen, man rechnet mit rund 300.000 Patienten in Deutschland. Bei Männern tritt die Erkrankung etwas häufiger auf als bei Frauen. Damit ist Parkinson nach der Alzheimer-Demenz die häufigste neurodegenerative Nervenerkrankung. Meist treten die ersten Symptome zwischen dem 50. und dem 60. Lebensjahr auf, doch es gibt auch Fälle, in denen die Erkrankung bereits in sehr jungen Jahren auftritt. Prominentestes Beispiel ist wohl der Schauspieler Michael J. Fox, der seine Diagnose im Alter von 29 Jahren erhielt.
In den meisten Fällen handelt es sich um ein idiopathisches Parkinson-Syndrom. Das heißt, es gibt keine eindeutige Ursache: Forscher gehen von einem Zusammenspiel mehrerer Faktoren wie Umwelteinflüssen, Lebensstil aber auch genetischer Veränderungen aus. Hingegen kann beispielsweise das sekundäre Parkinson-Syndrom durch eine andere Grunderkrankung oder auch durch Arzneimittel wie Neuroleptika hervorgerufen werden.
Dopamin-Mangel verursacht die Symptome
Verantwortlich für die typische Parkinson-Symptomatik – Tremor, Rigor, Gang- oder Gleichgewichtsstörungen, Bradykinese oder Akinese – ist der Untergang dopaminerger Neurone in der Substantia nigra, wie er bei allen Parkinson-Formen auftritt. Die Symptome beginnen meist schwach und nehmen im Verlauf zu. Dass alle vier Hauptsymptome zusammen auftreten, ist jedoch selten. Das Problem: Es könnten zehn Jahre vergehen, bis eindeutige Störungen bei Erkrankten auftreten.
Frühere Anzeichen der Krankheit fallen weniger eindeutig aus: Neben Problemen mit Geruchssinn und Verdauung können das etwa Depressionen, Schmerzen und Schwitzen sein. Sie können bereits viele Jahre vor der Diagnose auf die spätere Parkinson-Erkrankung hindeuten.
Beim idiopathischen Parkinson beginnt dieser in der Pars compacta und weitet sich dann auf das ventrale Tegmentum aus. Dort betrifft er die sogenannte A10-Zellgruppe, die größte Gruppe dopaminerger Zellen im Mittelhirn. Sie reflektieren zum limbischen Cortex. Die Degeneration in diesem Bereich wird mit nicht-motorischen Symptomen, wie der Entwicklung einer Depression, in Zusammenhang gebracht.
Mit zunehmendem Zelluntergang nimmt die Dopamin-Produktion immer weiter ab. Durch das Defizit an dopaminerger Neurotransmission gerät das fein austarierte Gleichgewicht der drei Neurotransmitter Dopamin, Gamma-Aminobuttersäure (GABA) und Glutamat durcheinander. Ohne die Dopamin-Wirkung sind die glutamatergen thalamokortikalen Bahnen unverhältnismäßig stark aktiv. Das ist verantwortlich für die Hypokinese.
Die Wissenschaft setzt auf Früherkennung
Eine kausale Therapie gibt es bislang nicht. Zwar setzt die Forschung auf Früherkennung, denn durch eine frühe Diagnose erhalte man wertvolle Hinweise auf die Krankheitsentstehung und somit auf neue therapeutische Ansätze, heißt es seitens der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). Für die therapeutische Wissenschaft ist es daher durchaus ein strategisches Ziel, die Krankheit möglichst früh zu diagnostizieren. Denn heute wird die Diagnose Parkinson erst dann gestellt, wenn mehr als die Hälfte der dopaminergen Nervenzellen des Gehirns, die die Bewegungskontrolle beeinflussen, bereits abgestorben sind und daher die typischen Symptome auftreten. Forscher suchen daher im Labor nach einem neuroprotektiven Therapieverfahren. Daran wird derzeit unter anderem in Tierversuchen intensiv geforscht. So ein Verfahren dürfte Experten zufolge umso wirksamer sein, je früher man es einsetzen kann. Die Idee der Forschung lautet: Wird die Entwicklung der Krankheit bereits vor ihrer Manifestation erkannt, könnte man früher eingreifen, die Gehirnzellen retten und so eines Tages die chronische und fortschreitende Erkrankung vielleicht sogar verhindern oder zumindest aufhalten.
Für den einzelnen bringt Früherkennung wenig
Als Vorsorgemaßnahme für den einzelnen bringt die Früherkennung allerdings noch wenig. Frühsymptome sind lediglich ein Hinweis auf ein erhöhtes Risiko. Deswegen sind auch Gentests, wie jüngst einer in den USA zugelassen wurde, nach wie vor sehr umstritten.
Hauptansatzpunkt der Pharmakotherapie ist daher nach wie vor der Ausgleich des Dopamins-Mangels am D2-Rezeptor im zentralen Nervensystem (ZNS). Dazu gibt es allerdings verschiedene Ansätze.
Pharmakotherapie beim Parkinson-Syndrom: Grundlagen für das Medikationsmanagement
Pharmakotherapeutische Ansätze
Levodopa ist sozusagen ein ZNS-gängiges Prodrug von Dopamin. Um die vorzeitige Aktivierung in der Peripherie zu verhindern, wird es immer gemeinsam mit einem Decarboxylase-Hemmer – Benserazid und Carbidopa – gegeben. Im weiteren Krankheitsverlauf wird typischerweise das therapeutische Fenster immer enger, das heißt, es kommt zu einem schnellen Wechsel zwischen On- und Off-Phasen. Helfen kann hier die zusätzliche Gabe eines Catechol-O-Methyltransferase(COMT)-Hemmers. Die COMT ist neben den Monoaminoxidasen A und B (MAO-A und MAO-B) eines der Enzyme, die Dopamin im synaptischen Spalt abbauen. Bei älteren Patienten ist Levodopa das Mittel der Wahl. Bei jüngeren beginnt man laut Leitlinie mit einem D2-Agonisten. MAO-B-Hemmer würden sich aber aufgrund der guten Verträglichkeit auch anbieten.
- D2-Dopamin-Agonisten wirken wie Levodopa am D2-Rezeptor. Ursprünglich stammten sie aus Mutterkorn. Diese sogenannten Ergot-Dopamin-Agonisten haben aber heute nur noch einen Reservestatus. Eingesetzte Wirkstoffe sind hier Ropinirol, Pramipexol und Rotigotin. Sie haben gegenüber Levodopa den Vorteil, dass sie als 24-Stunden-Formulierungen verfügbar sind. Anwendungsgebiet der D2-Dopamin-Agonisten ist, neben jüngeren Patienten bei Behandlungsbeginn, der Zusatz zu Levodopa, beispielsweise um Off-Phasen zu überbrücken.
- MAO-B-Hemmer, Selegilin, Rasagilin und Safinamid, haben mittlerweile an Bedeutung gewonnen, seit man weiß, dass sie ähnlich gut wirken wie Levodopa oder Dopaminagonisten.
- NMDA-Antagonisten wie Amantadin. Als Antagonist am N-Methyl-D-Aspartat(NMDA)-Rezeptor ist der Ansatzpunkt, die Glutamat-Wirkung an diesem Rezeptor zu reduzieren, die ja aufgrund des Mangels an Dopamin, das der Gegenspieler ist, relativ zu stark ist. Amantadin hat aber heute an Bedeutung verloren und wird nur noch bei schwer behandelbaren Symptomen eingesetzt.
- Anticholinergika wie Biperiden kommen nur noch zum Einsatz, wenn der Ruhetremor nicht in den Griff zu bekommen ist.
- Apomorphin, ein Morphin-Derivat und ein direkter Agonist an postsynaptischen D1- und D2-Rezeptoren, wird per Injektion verabreicht, wenn Off-Phasen auf andere Weise nicht ausreichend behandelbar sind.
Daneben spielen auch konservative Maßnahmen wie Gehirntraining und Bewegungstherapie nachweislich eine wichtige Rolle, um den Verlauf der Erkrankung zu beeinflussen.
Irgendwann austherapiert
Irgendwann ist dann allerdings die Pharmakotherapie, die das Fortschreiten der Erkrankung nicht verlangsamen kann, ausgereizt. Und auch andere therapeutische Optionen wie die Tiefe Hirnstimulation kommen eines Tages an ihre Grenzen. So nehmen sowohl die Behinderungen wie Bewegungsunfähigkeit, Schlafstörungen, Schluckbeschwerden und Schmerzen, als auch die dopaminergen Nervenwirkungen zu, also Halluzinationen und Dyskinesien. So ist die Parkinson-Therapie ohnehin ein ständiger Balanceakt zwischen Über- und Unterdosierung, zwischen Unbeweglichkeit und Nebenwirkungen, der mit fortschreitender Erkrankung immer schwieriger wird. So kann es dann ab einem gewissen Punkt sinnvoll sein, die Dopamin-Agonisten abzusetzen und nur noch Levodopa und COMT-Hemmer (evlt. plus MAO-B-Hemmer) zu geben – für den Preis motorischer Nebenwirkungen. So sind dann im Endstadium vor allem pflegerische Maßnahmen sowie das Management von Infektionen, Aspiration und anderen Komplikationen angezeigt.
Der Welt-Parkinson-Tag findet 2017 bereits zum zwanzigsten Mal statt. Seit 1997 wird er jedes Jahr am 11. April begangen – dem Geburtstag von Dr. James Parkinson, der 1755 in London geboren wurde und 1817 die Erkrankung erstmals beschrieben hat. Ziel dieses Tages ist es, das Bewusstsein für die Parkinson-Krankheit zu erhöhen und ein besseres Verständnis der Erkrankung und der Lebenssituation von Betroffenen und ihren Familien zu schaffen.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.