Online-Arzneimittel-Handel

Amazon startet Arzneimittelversand mit Münchener Apotheke

Stuttgart - 10.05.2017, 08:00 Uhr


Amazon knöpft sich die Apothekenbranche vor: In München startet der Online-Handelsgigant eine Kooperation mit den „Bienen-Apotheken“. Dort werden seit heute OTC-Arzneimittel über Amazons „Prime Now“-Dienst innerhalb von einer Stunde geliefert.

Seit heute Morgen 8 Uhr können sich Amazon Prime-Kunden in München OTC-Arzneimittel und andere Apothekenprodukte innerhalb einer Stunde liefern lassen. Ausgeliefert wird die Bestellung von Amazon, der eigentliche Lieferant ist die Bienen-Apotheke am Laimer Platz. Die bietet über den neuen Amazon-Service ihr komplettes verfügbares, nicht-verschreibungspflichtiges Sortiment an – außer Kühlartikeln. „Wir liefern alles, was wir vorrätig haben“, so Michael Grintz, der umtriebige Gründer der Münchner Bienen-Apotheken, gegenüber DAZ.online. Denn damit der Kunde seine Bestellung innerhalb einer Stunde bekommen kann, muss er die Ware in 15 Minuten abholfertig haben.

Grintz ist stolz darauf, als erster Apotheker so eng mit Amazon zusammenzuarbeiten. Dass er sich mit dem neuen Angebot unter den Kollegen keine Freunde machen wird, ist ihm dabei durchaus bewusst. Größere Probleme scheint er damit aber nicht zu haben: „Weder als Kaufmann noch als Heilberufler kann ich einen Makel an meinem Vorgehen erkennen“, sagt Grintz. Im Prinzip sei die Kooperation mit dem Internet-Handelsriesen, als ob er einen „sehr guten Lieferdienst“ gefunden habe, der innerhalb einer Stunde in ganz München liefern kann. „Das ist die perfekte Lösung für ein Problem, das alle Kollegen haben, die einen Lieferdienst betreiben“, so Grintz gegenüber DAZ.online. Rechtliche Probleme sieht Grintz, der schon lange eine Versandhandelserlaubnis hat, ebenfalls nicht.

„Jede Lieferung, die Arzneimittel enthält, wird von einem Apotheker kontrolliert“, betont der Bienen-Apotheker. Da die Lieferungen in der Apotheke in die Papiertüten verpackt werden, die für Amazon Prime Now typisch sind, gebe es keine Vermischungen mit den Produkten anderer Amazon-Partner. Außerdem sei sichergestellt, dass die Tüten vom Fahrer persönlich übergeben werden. Die sonst angebotene Möglichkeit, die Prime Now-Tüte an einem vorher angegebenen Platz abstellen zu lassen, sei für die Lieferungen aus der Apotheke ausgeschlossen, so ein Amazon-Sprecher. Neben der telefonischen Beratung stehen den Kunden auch die Mitarbeiter der Bienen-Apotheken in München für alle Fragen zur Verfügung, so Grintz. Er liefere auch nur während der Öffnungszeiten der Apotheken aus, konkret von 8 bis 20 Uhr.

Wie groß das Kundenpotenzial der neuen Zusammenarbeit ist, wisse er nicht, sagt Grintz. Amazon schweigt sich über die Mitgliederzahlen seines Prime-Angebots in Deutschland aus. Branchen-Insider gehen von ca. 17 Millionen Prime-Mitgliedern in Deutschland aus. Für die ersten Tage erhofft sich Grintz „30 plus X Bestellungen am Tag“. Das sei aber „aus dem Bauch heraus geschätzt“, da es sich um ein gänzlich neues Geschäftsfeld handle.

Was ist Amazon Prime Now?

Prime Now ist ein Service, den Amazon seit etwa anderthalb Jahren in Deutschland anbietet. In Berlin und München können sich Amazon-Kunden, die für aktuell 69 Euro im Jahr eine Mitgliedschaft bei Amazons Premium-Dienst Prime abgeschlossen haben, bestimmte Produkte entweder in einem gewünschten 2-Stunden-Fenster oder – für eine zusätzliche Liefergebühr von 6,99 Euro – innerhalb von 60 Minuten liefern lassen. Für den Dienst arbeitet Amazon in beiden Städten verstärkt mit lokalen Händlern zusammen. So kann man in München neben den Arzneimitteln aus der Bienen-Apotheke auch Bio-Produkte von „Basic“ sowie fertig portionierten Zutaten inklusive Rezept von „Kochhaus“ bestellen. Dabei gehe es eher um die Produkte, die man schnell braucht oder vergessen hat, als um den kompletten Wochen-Einkauf, wie der Amazon-Sprecher erklärt.

Arzneimittel bei Amazon

Arzneimittel – zumindest nicht-verschreibungspflichtige – kann man schon länger über Amazon bestellen. In Amazons Marketplace bieten auch etliche Versandapotheken Arzneimittel und andere Apothekenprodukte an. Auch Bienen-Apotheker Grintz ist dort schon bisher vertreten: Mit seiner Versand-Tochter Apohealth verkauft er hier nicht-apothekenpflichtige Arzneimittel, Nahrungsergänzungsmittel und ähnliches, vor allem ins europäische Ausland, wie er sagt.

Auch der Berliner Arzneimittel-Versender Aponeo ist schon seit längerem auf Amazon aktiv. Bei der Konferenz „Zukunft Apotheke“ im November 2016 gab Geschäftsführer Hartmut Deiwiek einige Einblicke in das Arzneimittel-Geschäft auf dem Amazon Marketplace. „Amazon wird als das Damoklesschwert über dem deutschen Handel bezeichnet – und das ist ja auch richtig. Aber wir wollen da sein, wo der Kunde ist – und der Kunde ist bei Amazon“, so Deiwiek damals.

Im Juli 2016, so Deiwiek, seien 28 Prozent der Bestellungen bei Aponeo über Amazon eingegangen, man habe mit diesen Bestellungen aber nur 18,5 Prozent des Umsatzes erwirtschaftet – bei Amazon liege der Wert eines Warenkorbs im Schnitt bei 30 bis 35 Euro pro Bestellung, während er im eigenen Webshop bei durchschnittlich 55 Euro liege. Das liege aber nicht an den Preisen, diese seien bei Amazon höher als im eigenen Shop, da Aponeo die 15 Prozent Provision für Amazon auf die Preise aufschlage. Dass der Preis auf Amazon damit über dem im eigenen Shop liegt, sei kein Problem, sagte Deiwiek auf der Konferenz: Die Kunden bestellten einfach gerne über Amazon.

Auch Grintz legt Wert darauf, dass er bei Amazon in keinen Preiskampf gedrängt werde. Gerade bei Amazon Prime gehe es den Kunden eher um Komfort und Schnelligkeit als ums Geldsparen. Bei Prime Now ist ein Preiskampf sowieso nicht zu erwarten: Da nur eine Apotheke dabei ist, gibt es innerhalb des Angebots keine Vergleichspreise.

Obwohl Deiwiek vor einem halben Jahr noch Interesse an einer Prime Now-Partnerschaft in Berlin signalisierte, startet der neue Dienst jetzt nur in München. Amazon haben auch mit Aponeo Kontakt gehabt, sagte Deiwiek Anfang März gegenüber DAZ.online. Doch die Anforderungen des Online-Händlers seien „logistisch nicht abbildbar“ gewesen, da Aponeo zu weit außerhalb des Berliner Zentrums sitzt. Gleichzeitig sei das Angebot kaufmännisch nicht interessant genug gewesen. „Die Konditionen waren zu schlecht, als dass man sich hätte beteiligen wollen“, erklärte Deiwick.



Dr. Benjamin Wessinger (wes), Apotheker / Herausgeber / Geschäftsführer
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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2 Kommentare

Apothekerzukunft mit Amazon??

von Heiko Barz am 10.05.2017 um 13:12 Uhr

Bei 6.99€ Bringegebühr könnte ich diesen komplexen Vorgang auch lässig anbieten. Dazu käme noch, dass ich bei schnellster Belieferung auch noch eine beratende Fachkraft mit anbieten könnte.
Dass davon ausgegangen wird, eine Preisüberprüfung der bestellten Präparate des Kunden fände eh nicht statt, dann könnte auch eine ganz andere Preiskalkulation eingesetzt werden.
Und dann spricht man immer noch von Apothekenpreisen??

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Prime

von Jan Reuter am 10.05.2017 um 10:07 Uhr

Prime - Damoklesschwert oder Partner? Sowohl als auch. Als Kaufmann und Dienstleister muss ich dort (sichtbar) sein, wo sich mein Kunde aufhält. Conditio sine qua non. Die Aufmerksamkeit ist dem Kollegen und seiner Gruppe sicherlich gewiss. Bei der aktuellen Apothekendichte sehe ich allerdings keine exorbitanten Wachstumschancen, da der Markt an sich gesättigt ist. Bin gespannt, wie die PRIME-Kunden reagieren.

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