FDP und Grüne wollen liberalisieren

Wen sollten Apotheker in Nordrhein-Westfalen wählen?

Berlin - 12.05.2017, 17:45 Uhr

Spannende Wahl:Der DAZ.online-Wahlcheck vor der NRW-Landtagswahl zeigt, dass die Grünen ihrer eigenen Gesundheitsministerin Barbara Steffens widersprechen und den Apothekenmarkt deregulieren wollen. (Foto: dpa)

Spannende Wahl:Der DAZ.online-Wahlcheck vor der NRW-Landtagswahl zeigt, dass die Grünen ihrer eigenen Gesundheitsministerin Barbara Steffens widersprechen und den Apothekenmarkt deregulieren wollen. (Foto: dpa)


Am kommenden Sonntag steht in Nordrhein-Westfalen die wohl wichtigste Landtagswahl des Jahres an. Nicht nur für die Apotheker in NRW ist die Wahl ausschlaggebend. Der DAZ.online-Wahlcheck zeigt Überraschendes: Die Grünen wiedersprechen in vielen Punkten ihrer eigenen Gesundheitsministerin und fordern eine Aufweichung der Preisbindung. Und: Die FDP widerspricht ihrem eigenen Parteitags-Beschluss zu Apothekenketten, will aber trotzdem deregulieren.

Im bevölkerungsreichsten Bundesland Deutschlands sind am kommenden Sonntag rund 13,3 Millionen wahlberechtigte Bürger dazu aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Seit der Landtagswahl 2012 regiert in Nordrhein-Westfalen eine rot-grüne Landesregierung unter der Führung von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). Zweitstärkste Kraft im Parlament ist derzeit die CDU, es folgen die Grünen, die FDP und die Piraten.

Daran dürfte sich – wenn man den derzeitigen Meinungsumfragen glaubt – allerdings einiges ändern. Die Umfrage-Institute sagen einen extrem knappen Zweikampf zwischen Kraft und ihrem Widersacher Armin Laschet (CDU) voraus. Die Piraten dürften komplett aus dem Parlament fliegen, neu hinzukommen könnte allerdings die AfD, die in den Umfragen in den vergangenen Wochen zwar stark nachgelassen hat, aber immer noch über der 5-Prozent-Hürde liegt. Mit einem starken Zugewinn könnte die FDP rechnen: Während die Liberalen von Christian Lindner 2012 noch 8,6 Prozent der Wähler überzeugten, könnten es laut Umfragen diesmal sogar mehr als 13 Prozent werden. Die Linke könnte nach einer Wahlniederlage im Jahr 2012 wieder in Landtag einziehen, die Institute sehen sie bei etwa 7 Prozent. Die Grünen hingegen stehen vor herben Verlusten und derzeit bei etwa 7 Prozent. Kurzum: Für eine neue rot-grüne Landesregierung sieht es nicht gut aus.

Die Apotheker waren im NRW-Wahlkampf bislang nicht wirklich ein Thema. Schon in den Wahlprogrammen der Parteien hatte es keine Erwähnungen zum Apothekenmarkt gegeben. Einzige Ausnahme: die Linke, die sich unter anderem dafür aussprach, dass Apotheker mehr Kompetenzen in der Prävention bekommen. Nach dem EuGH-Urteil konnten sich die Apotheker allerdings über breite Unterstützung aus NRW freuen: Sowohl die Grüne Gesundheitsministerin Barbara Steffens als auch die NRW-SPD sprachen sich mehrfach für ein Rx-Versandverbot und für die Stärkung der Apotheke vor Ort aus. Einzige Ausnahme hier: die FDP, die sich in den vergangenen Monaten für eine Aufweichung der Preisbindung und Apothekenketten stark machte.

DAZ.online hat bei allen Parteien nachgefragt, die eine realistische Chance auf das Erreichen der 5-Prozent-Hürde haben, und sich zu wichtigen Themen im Apothekenmarkt erkundigt. Hier der DAZ.online-Wahlcheck:

Was denkt die SPD über…

DAZ.online: …den Erhalt der innhabergeführten Apotheke vor Ort?

SPD: Ja! Eine qualitativ hochwertige, sichere und wohnortnahe Arzneimittelversorgung erfordert freiberuflich tätige Apothekerinnen und Apotheker in inhabergeführten Apotheken. Die Apotheken stellen durch die persönliche Beratung, Nacht- und Notdienste, Notfall- und kurzfristige Versorgung sowie individuelle Arzneimittelherstellung die Arzneimittelabgabe vor Ort sicher. Die persönliche und individuelle Information und Beratung bei der Arzneimittelabgabe ist wichtig und notwendig, um den Verbraucherinnen und Verbrauchern Hinweise zu Umgang und Nutzung von Medikamenten zu geben, die ein falsches Einnahmeverhalten, Wechselwirkungen bei Mehrfachverschreibungen, Allergien u.v.m. verhindern.

DAZ.online: …über eine Aufweichung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes?

SPD: Nein, am bestehenden und bewährten Fremd- und Mehrbesitzverbot werden wir festzuhalten. Es hat sich in der Praxis bewährt und verhindert Verdrängungseffekte nach dem Motto ‚Wachse oder Weiche‘, denen ansonsten inhabergeführte Apotheken ausgesetzt wären.

DAZ.online: …über den Arzneimittel-Versandhandel?

SPD: Die NRWSPD spricht sich für ein Rx-Versandhandelsverbot aus. Die SPD-geführte Landesregierung in NRW hat maßgeblichen Anteil an der Bundesratsinitiative, die eine entsprechende gesetzliche Verankerung vorsieht.

SPD NRW: Für das Versandverbot und gegen Rx-Boni

DAZ.online: …den Gesetzentwurf aus dem BMG zum Rx-Versandverbot?

SPD: Der deutsche Bundesrat hat mit maßgeblicher Unterstützung durch das Land Nordrhein-Westfalen am 25.November 2016 den deutschen Bundestag aufgefordert, ein Rx-Versandhandelsverbot im Arzneimittelgesetz und im Apothekengesetz zu verankern. Bisher hat allerdings leider weder die Bundesregierung einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt noch hat der Bundestag eine entsprechende Gesetzesnovelle beraten oder verabschiedet. Die weiteren Entwicklungen auf der Bundesebene werden wir mit der oben beschriebenen Zielsetzung weiter verfolgen.

DAZ.online: …über die Rx-Preisbindung?

SPD: Für die Funktionsfähigkeit der Steuerungselemente (Zuzahlungen, Festbetragssystem) bei der Arzneimittelversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung ist aus Sicht der NRWSPD weiterhin die Festlegung des einheitlichen Apothekenabgabepreises für Rx-Arzneimittel unverzichtbar.

DAZ.online: …über alternative Versorgungskonzepte und die Unterstützung von Landapotheken?

SPD: Die NRWSPD verfolgt das Ziel einer starken wohnortnahen Gesundheitsversorgung. Die Entwicklung strukturschwacher Regionen, insbesondere des ländlichen Raums bleibt entscheidend für die Zukunft von NRW. Wir wollen die öffentliche Daseinsvorsorge im ländlichen Raum stärken. Dies schließt auch die flächendeckende Versorgung mit Apotheken mit ein. Eine ressortübergreifende Strategie ist die Grundlage für die umfassende und nachhaltige Stärkung der öffentlichen Daseinsvorsorge im ländlichen Raum. Wir wollen sie gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern aus Kommunen, Wirtschaft und Gesellschaft aus dem ländlichen Raum erarbeiten. In die Überlegungen zur Sicherung der Arzneimittelversorgung im ländlichen Raum sind auch alternative Konzepte einzubeziehen. Wir möchten die verschiedenen Akteurinnen und Akteure im Bereich der Arzneimittelversorgung herzlich einladen, bei der Entwicklung von Vorschlägen, wie ein flächendeckendes Versorgungsnetz gewährleistet werden kann, mitzuwirken. Apothekenautomaten und Apothekenbusse stellen für die NRWSPD keine Alternativen zur Versorgung durch niedergelassene Apotheken dar.

SPD NRW will Apotheker in die Prävention einbinden

DAZ.online: …über mehr Kompetenzen und neue Aufgaben für Apotheker in der Primärversorgung?

SPD: Mit der steigenden Zahl älterer Menschen wird vor allem das Bedürfnis nach Beratung durch die Apothekerin und den Apotheker weiter steigen. Wer in seinem gewohnten Umfeld alt werden will, muss ein seniorengerechtes Umfeld vorfinden. Wir werden unsere Quartiere deshalb so entwickeln, dass sie über eine senioren- und pflegegerechte Infrastruktur verfügen. Dabei werden die Apothekerinnen und Apotheker in Kooperation mit anderen Heilberufen auch in den angesprochenen Punkten eine wichtige Rolle spielen.

Die NRWSPD kann sich vorstellen, dass Apotheken künftig auch eine stärkere Rolle bei der Prävention und der Gesundheitsvorsorge spielen. Bei einer steigenden Lebenserwartung wird Prävention für alle Menschen und in jedem Alter immer wichtiger, um so gesund wie möglich leben zu können. Hierbei können Apothekerinnen und Apotheker die Menschen begleiten.

DAZ.online: …über die Sicherung der PTA-Schulen in NRW?

SPD: Pharmazeutisch-technische Assistentinnen und Assistenten (PTA) leisten – wie auch die Angehörigen anderer Gesundheitsfachberufe – einen unverzichtbaren Beitrag zur gesundheitlichen Versorgung. Die Gesundheitsministerkonferenz hat sich einvernehmlich für eine Stärkung vor allem der Assistenzberufe ausgesprochen. Die NRWSPD will die Rolle der Gesundheitsfachberufe in der Versorgung insgesamt stärken. Dafür muss auch der Nachwuchs gesichert werden. Dies ist eine gemeinsame Aufgabe aller Akteure im Gesundheitswesen.

Die Ausbildung in den sechszehn anerkannten Ausbildungsberufen im Gesundheitswesen nimmt eine Sonderstellung im Berufsbildungssystem ein. Sie ist mit Ausnahme der Arzthelferinnenberufe (MFA, ZMFA) weder dem dualen System mit Ausbildungsordnungen nach Berufsbildungsgesetz (BBiG) noch dem berufsfachschulischen System der Länder zugeordnet.

Diese Sonderstellung bedingt für die PTA-Ausbildung ebenso wie für die Ausbildung in den anderen Gesundheitsfachberufen, dass sie nicht in das allgemeine – schulgeldfreie – System der Berufskollegs einbezogen sind. Es handelt sich überdies in den ersten beiden Ausbildungsjahren für die angehenden Pharmazeutisch-technischen-Assistentinnen und -Assistenten um eine unbezahlte Ausbildung.

Angesichts des wachsenden Bedarfs an qualifizierten Fachkräften im Gesundheitswesen ist eine umfassende Reform der Gesundheitsfachberufe überfällig. Diese muss Regelungen zur Finanzierung des schulischen Teils der Ausbildung und der erst hierdurch möglichen Schulgeldfreiheit ebenso mit einschließen wie eine verbindliche Regelung zur Festsetzung von Vergütungen für die Auszubildenden. Die NRWSPD setzt sich dafür ein, dass eine entsprechende gesetzliche Regelung bundeseinheitlich im Dialog mit den Akteuren im Bereich der Gesundheitsfachberufe entwickelt wird. Die besondere Expertise der PTA-Lehranstalten in NRW beziehen wir dabei gerne ein. Eine solche umfassende Reform wird – wie wir aus der Debatte um die einheitliche Reform der Pflegeberufe wissen – nicht kurzfristig zu bewerkstelligen sein. Zu unterschiedlich haben sich die Regelungen sowohl in den einzelnen Gesundheitsfachberufen als auch in den einzelnen Bundesländern entwickelt. Deswegen bedarf es auch einer kurzfristigen Antwort auf die Finanzierung der PTA-Lehranstalten im Land NRW.

Die NRWSPD spricht sich für eine gemeinsame Lösung der beteiligten Akteure in Nordrhein-Westfalen aus. Dies schließt eine Einbeziehung der niedergelassenen Apothekerinnen und Apotheker mit ein. Im Bereich der Altenpflegeausbildung haben wir in den letzten Jahren mit einer Ausbildungsumlage gute Erfahrungen gemacht. Die Anzahl der Ausbildungsplätze konnte verdoppelt werden. Eine solche Umlage könnte auf Kammerebene erhoben werden und würde zur gemeinsamen Mitfinanzierung der PTA-Lehranstalten durch die pflichtigen Kammermitglieder – also durch diejenigen, die schließlich von den Fachkräften in nicht unerheblichem Umfang profitieren – führen. Mit Interesse haben wir vor diesem Hintergrund die entsprechende Regelung der Apothekerkammer Westfalen-Lippe zur Kenntnis genommen, die über eine Sonderumlage zusätzliche Mittel in sechsstelliger Höhe für den vom Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) ins Leben gerufene Trägerverein „PTA-Fachschule Westfalen-Lippe“ als PTA-Schulträger zur Verfügung stellen konnte. Diesen Lösungsansatz, den Sie in Ihrem Bereich umsetzen konnten, halten wir für richtungsweisend. Konfliktfrei ist er – wie wir wissen – nicht.

Konkret: Im Falle einer Regierungsbeteiligung der NRWSPD werden wir direkt zum Beginn der neuen Wahlperiode in Gesprächen gemeinsam mit den beteiligten Akteuren prüfen, wie die Finanzierung der PTA-Ausbildung in NRW gesichert werden kann.

Was denkt die CDU über…

DAZ.online: …den Erhalt der inhabergeführten Apotheke vor Ort?

CDU: Ja, wir möchten das Modell der inhabergeführten Apotheken beibehalten.

DAZ.online: …eine Aufweichung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes?

CDU: Die Konzepte zur Sicherung der Apothekenpflicht und Arzneimittelpreisverordnung werden nicht von der Landespolitik entwickelt. Der Bundesgesetzgeber ist mit dem Gesetzentwurf zur Stärkung der Arzneimittelversorgung auf einem guten Weg.

DAZ.online: …den Arzneimittel-Versandhandel?

CDU: Wir werden zum Schutz der Patientinnen und Patienten und zur Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen Versorgungsstruktur mit Medikamenten dafür Sorge tragen, dass die persönliche Beratung im Zusammenhang mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln zwingend erforderlich ist. Ein entsprechender Gesetzentwurf wird derzeit im BMG erarbeitet.

CDU NRW unterstützt Gröhes Versandverbot

DAZ.online: …das Rx-Versandverbot?

CDU: Wir unterstützen die Überlegungen des BMG.

DAZ.online: …die Rx-Preisbindung?

CDU: Es darf keinen Wettbewerbsvorteil für den Versandhandel geben. Die qualitativ hochwertige Versorgung mit Arzneimitteln wird durch die Apothekenpflicht und die Arzneimittelpreisverordnung gewährleistet. An diesem System wollen wir festhalten.

DAZ.online: …alternative Versorgungskonzepte?

CDU: Oberste Priorität muss gerade bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln die Beratung durch Fachpersonal haben. Konzepte, die diese Beratung sicherstellen, würden wir unterstützen.

DAZ.online: …die Unterstützung von Landapotheken?

CDU: Die Sicherstellung der gesundheitlichen Versorgung der Menschen im ländlichen Bereich hängt nicht nur von einer ausreichenden Anzahl an Ärztinnen und Ärzten ab, sondern auch von den dazugehörenden Infrastrukturen, wie den wohnortnahen Apotheken. Wir wollen die freiberuflichen Apothekerinnen und Apotheker stärken. Entsprechende Gesetzesvorhaben werden in Berlin erarbeitet.

DAZ.online: …die Sicherung der PTA-Schulen in NRW?

CDU: Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Ausbildung von PTA in Nordrhein-Westfalen in angemessener Anzahl kostenfrei angeboten wird. Über die Anzahl der Ausbildungsplätze und der PTA-Schulen wird dabei zu diskutieren sein.

Was denken die Grünen über…

DAZ.online: …den Erhalt der inhabergeführten Apotheke vor Ort?

Grüne: An der inhabergeführten Apotheke halten wir grundsätzlich fest. Es muss aber auch Ausnahmen geben können. Und zwar dann, wenn sich keine Apothekerin oder Apotheker finden lässt, die oder der eine Apotheke im Ort betreiben will. Hier sollen Kommunen einspringen dürfen und Apotheker*innen bei sich anstellen. Im Apothekengesetz ist diese Art der Notapotheken sogar schon vorgesehen. Wir können uns aber auch vorstellen, dass in andernfalls unterversorgten Gebieten Apotheker auch Teil von Gesundheitszentren und damit angestellt werden. So arbeiten sie zusammen mit Ärzten und anderen Gesundheitsberufen unter einem Dach.

DAZ.online: …die Aufweichung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes?

Grüne: Nein. Inhabergeführte Apotheken wird es nur mit dem Fremd- und Mehrbesitzverbot geben können. Wir brauchen nicht mehr Kapitalgesellschaften, die Apotheken betreiben, sondern Apothekerinnen und Apotheker, die mit ihrem pharmazeutischen Wissen die Patient*nnen beraten. Deswegen setzen wir uns für eine Reform der Apothekenform und –vergütung ein. Damit Pharmazeuten flächendeckend und dem Bedarf entsprechend beraten können.

DAZ.online: …den Arzneimittel-Versandhandel?

Grüne: Der Versandhandel kann immer nur eine Ergänzung der Versorgung von Arzneimitteln sein. Er ersetzt nicht die unverzichtbaren Dienste wie die persönliche Beratung, die kurzfristige Arzneimittelherstellung oder das Angebot von Nacht- und Notdiensten, welche direkt und vor Ort erfolgen müssen. Aber auch deshalb müssen für manche schwach besiedelten Gebiete, wie sie auch in Schleswig-Holstein zu finden sind, neue Apothekenformen gefunden werden. Die 110 Quadratmeter große Apotheke, mit Pharmazeut, mehreren Angestellten, Labor und Kühllager wird sich nicht überall finanziell betreiben lassen können.

Grüne NRW widersprechen eigener Gesundheitsministerin beim Versandverbot

DAZ.online: …das Rx-Versandverbot?

Grüne: Das von Bundesgesundheitsminister Gröhe angestrebte Rx-Versandverbot ist rechtlich höchst fragwürdig und löst darüber hinaus auch keines der Probleme. Die Arzneimittelversorgung muss qualitativ hochwertig und flächendeckend sein. Dass die bisherigen gesetzlichen Rahmenbedingungen dieses Ziel nur mit immer größerer Not erfüllen, ist seit Jahren zu beobachten. Es ist doch auch kein Wunder: Die Menschen ziehen in die Städte, die Landbevölkerung dünnt aus und wird älter. Junge Apotheker*innen bevorzugen Festanstellungen und keine Selbstständigkeit. Das sind gesellschaftliche Entwicklungen, denen sich alle Gesundheitsberufe stellen müssen. Deshalb brauchen wir ein neues Honorierungs- und Preissystem für Apotheken und flexiblere und bedarfsgerechte Versorgungsangebote in den Regionen, die andernfalls unterversorgt wären. Ein Versandverbot ändert an diesen Herausforderungen gar nichts.

DAZ.online: …die Rx-Preisbindung?

Grüne: Apotheker sollten auch hierzulande Rx-Boni bieten dürfen, denn anders wird man nicht auf das EuGH-Urteil vom vergangenen Oktober reagieren können. Wir schlagen deshalb vor, dem vom EuGH geforderten Preiswettbewerb in engen Schranken zuzulassen. Mit einer Begrenzung der Boni wird der höchstrichterlichen Rechtsprechung Folge geleistet und ruinöser Wettbewerb verhindert.

DAZ.online: …alternative Versorgungskonzepte?

Grüne: Auf Grund der gesellschaftlichen Entwicklungen, welche vor allem die Versorgung auf dem Land betrifft, wird man mit den starren und hohen Vorgaben an die Beschaffenheit von Apotheken in bestimmten Regionen in Zukunft keine Apotheke auskömmlich betreiben können. Deshalb bleibt uns gar nichts anderes übrig, als in diesen Fällen über flexiblere und bedarfsgerechte Versorgungsangebote nachzudenken.

Grüne NRW unterstützen Notdienst-Vorschlag des BVDVA

DAZ.online: …die Unterstützung von Landapotheken?

Grüne: Die spärlich vorhandenen Daten zu Apotheken zeigen vor allem eines: Dass es eine Gruppe von Apotheken gibt, die sehr erträglich sind (etwa 40 Prozent aller Apotheken) und eine Gruppe (etwa 60%), die deutlich weniger erwirtschaften. Bei so einer Schieflage sollten doch zu aller erst die Großverdiener der Apotheken den kleinen, meist auf dem Land befindlichen Apotheken finanziell unter die Arme greifen, oder nicht? Eine praktikable Lösung für diese Art der Querfinanzierung wäre durch eine Anhebung des Nacht- und Notdienstfonds zu erreichen, welche über die Apotheken selbst finanziert wird. Wer dann viele Nachtdienste leistet, bekommt auch viel. Das käme vor allem den ländlichen Apotheken zu Gute. 

DAZ.online: …neue Aufgaben und Kompetenzen für Apotheker in der Primärversorgung?

Grüne: Absolut. Es ist z.B. ein großes Versäumnis, dass Apotheken nicht finanziell am Medikationsplan beteiligt wurden. Auch andere Tätigkeiten könnten unserer Meinung nach zukünftig von ApothekerInnen übernommen werden. Durch immer komplexer werdende Arzneimitteltherapien werden die Anforderungen des Apothekers als Heilberuf zukünftig weiter steigen. Wir brauchen also die Kompetenz der Pharmazeuten und sollten sie überall dort einsetzen, wo sie helfen kann.

DAZ.online: …die Sicherung der PTA-Schulen in NRW?

Grüne: Pharmazeutisch-technische Assistenten üben einen wichtigen Beruf aus, der gerade in Präsenzapotheken wesentlich zu guter Patientenberatung beiträgt. Wir werden alle Bemühungen unterstützen, um mit den Landesapothekerkammern und Verbänden zu tragfähigen Lösungen zur Durchführung und Finanzierung der PTAs zu kommen.

Was denkt die FDP über…

DAZ.online: …den Erhalt der inhabergeführten Apotheke vor Ort?

FDP: Die inhabergeführten Apotheken vor Ort sind ein unverzichtbarer Bestandteil unseres Gesundheitswesens. Wir Freie Demokraten wollen die flächendeckende Versorgung mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln rund um die Uhr sowie die qualifizierte Beratung für Patientinnen und Patienten erhalten. Wir setzen uns deshalb in der Folge des EuGH-Urteils für faire Rahmenbedingungen zwischen den Apotheken vor Ort und sowohl inländischen wie ausländischen Versandapotheken ein. Dazu wollen wir die inhabergeführten Apotheken vor Ort stärken, indem wir ihre besonderen Strukturen und Leistungen würdigen, die sie vom Versandhandel abgrenzen. So brauchen wir Abrechnungsmöglichkeiten für besondere Leistungen wie die individuelle pharmazeutische Beratung im persönlichen Gespräch sowie eine angemessene Honorierung von Nacht- und Wochenenddiensten wie auch für die Herstellung von individuellen Rezepturen und die Versorgung mit Betäubungsmitteln.

DAZ.online: …eine Aufweichung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes?

FDP: Die Lockerung des Mehrbesitz-Verbots wäre ein richtiger Schritt. Apotheker sollen die Möglichkeit bekommen, mehrere Apotheken zu führen. Dies könnte gerade im ländlichen Raum eine Chance sein, die Versorgung mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln zu gewährleisten. Die Aufhebung des Fremdbesitz-Verbots hätte zweifelsohne massive Auswirkungen auf den gesamten Apotheken-Markt. Wer an eine solch große Stellschraube herangeht, bringt automatisch zahlreiche andere Schrauben in Bewegung. Eine solche Frage muss im intensiven Dialog mit den beteiligten Akteuren aus dem Gesundheitsumfeld beraten werden. Die FDP im nächsten Deutschen Bundestag wird die Debatte zu diesem Thema mit Experten vertiefen.

FDP will keine Ketten, aber aufgeweichtes Mehrbesitzverbot

DAZ.online: …den Arzneimittel-Versandhandel?

FDP: Der Versandhandel und die damit verbundene Möglichkeit einer Online-Bestellung von Arzneimitteln hat sich bei bestimmten Zielgruppen etabliert, z.B. bei chronisch Kranken, die ihre Medikamente möglichst unkompliziert ohne Weg zur nächsten Apotheke beziehen möchten, oder bei internet-affinen Menschen, die grundsätzlich gerne viele Dinge online und mobil bestellen. Daher wollen wir nicht auf ein differenziertes Angebot verzichten, welches einerseits Patientinnen und Patienten die Nutzung digitaler Angebote ermöglicht, andererseits die durch die Apotheken vor Ort bisher sehr gut gewährleistete Versorgungsqualität sicherstellt.

DAZ.online: …das Rx-Versandverbot?

FDP: Ein pauschales Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln ist aus unserer Sicht nicht der richtige Weg, da es die Wahlfreiheit der Patientinnen und Patienten zu sehr einschränkt. Zudem bestehen aus unserer Sicht Zweifel, ob ein derartiges Verbot einer höchstrichterlichen Überprüfung standhalten würde. Auch wenn die frühere Rechtsprechung des EuGH ein Versandhandelsverbot als zulässig angesehen hatte, so sieht die juristische Beurteilung wahrscheinlich anders aus, wenn ein bereits etablierter Versandhandel wieder eingeschränkt werden sollte.

DAZ.online: …die Rx-Preisbindung?

FDP: Anstatt eines Verbots des Versandhandels wollen wir faire Wettbewerbsbedingungen für die Versorgung mit rezeptpflichtigen Arzneimitten schaffen. Dazu könnte auch inländischen Apotheken in einem begrenzten Rahmen Spielraum bei der Preisgestaltung ermöglicht werden. Dabei sollte aber z. B. über die bestehenden Rahmenverträge ein aggressiver Preiswettbewerb eingeschränkt werden. Deshalb wollen wir die Regelungen im Arzneimittelgesetz, in der Arzneimittelpreisverordnung und im Sozialgesetzbuch V entsprechend anpassen.

DAZ.online: …alternative Versorgungskonzepte?

FDP: Wir sind grundsätzlich offen für innovative Konzepte, die die Versorgung in der Fläche und insbesondere in Gemeinden, in denen keine Apotheke vor Ort besteht, gewährleisten. Dabei gilt es aber zu prüfen, welche Konzepte rechtlich, technisch und wirtschaftlich auch umsetzbar sind. Bei Apotheken-Automaten stellt sich die Frage, ob und wenn wie eine qualifizierte Beratung und die Sicherheit der Arzneimittel-Ausgabe gewährleistet werden können.

DAZ.online: …die Unterstützung von Landapotheken?

FDP: Mit einem Sicherstellungszuschlag für Apotheken an abgelegenen und wirtschaftlich wenig attraktiven Standorten können wir leistungsfähige Strukturen auch in der Fläche erhalten. Sicherstellungszuschläge werden bereits in anderen Bereichen der Gesundheitsversorgung genutzt, um regionale oder lokale Versorgungsdefizite auszugleichen.

DAZ.online: …neue und andere Aufgaben und Kompetenzen für Apotheker in der Primärversorgung?

FDP: Apotheken sollten in einer vernetzten Versorgungslandschaft auch zusätzliche Aufgaben übernehmen können. Gerade im Hinblick auf die Sicherheit der Arzneimitteltherapie stellt die Einführung des Medikationsplans und die Zusammenarbeit von Ärzten und Apothekern eine wesentliche Verbesserung dar. Die Apotheker können dabei eine Steuerungsfunktion zum Nutzen der Patientinnen und Patienten übernehmen. Dies würde dann auch eine leistungsgerechte Vergütung für den Aufwand bei einer intensiven Kooperation von Ärzten und Apothekern rechtfertigen. Bei anderen Angeboten sollte jedoch auch überlegt werden, inwiefern diese zu der Qualifikation von Apothekern und den räumlichen Möglichkeiten in einer Apotheke passen.

DAZ.online: …die Sicherung der PTA-Schulen in NRW?

FDP: Die Streichung der finanziellen Förderung der PTA-Schulen zeigt, dass die Bedeutung der PTA-Ausbildung für die Gesundheitsversorgung, aber auch für die beruflichen Perspektiven der Auszubildenden von der rot-grünen Landesregierung nicht gewürdigt wird. Wir streben an, PTA-Ausbildung ohne Schulgeld zu ermöglichen. Dazu benötigen wir aber ein tragfähiges Finanzierungskonzept unter Einbeziehung aller Beteiligten. Nur so können wir die PTA-Ausbildung auch für die Zukunft sichern.

Was denkt die Linke über…

DAZ.online: …den Erhalt der inhabergeführten Apotheke vor Ort?

Die Linke: Die Linke NRW ist sich bewusst, dass die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln eine hoch verantwortungsvolle Tätigkeit ist und die Versorgung wohnortnah sichergestellt werden muss. Um das zu gewährleisten, sollte das Modell der inhabergeführten Apotheke vor Ort erhalten werden.

DAZ.online: …eine Aufweichung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes?

Die Linke: Nein, das können wir uns nicht vorstellen.

DAZ.online: … den Arzneimittel-Versandhandel?

Die Linke: Die Linke NRW steht dem Versandhandel von Arzneimitteln grundsätzlich skeptisch gegenüber. Einen Versandhandel von verschreibungspflichtigen Medikamenten halten wir für besonders problematisch, da praktisch keine Beratung dazu möglich ist. Um aber eine sachgemäße Einnahme der Medikamente und eine entsprechende Compliance zu gewährleisten, ist Beratung durch Fachpersonal unumgänglich. Wir wollen keine Werbung für und keinen Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Medikamenten, denn die Patientensicherheit steht für uns im Mittelpunkt.

DAZ.online: …das Rx-Versandverbot?

Die Linke: Die Linksfraktion im Bundestag protestiert vehement gegen das Veto der SPD und vom Bundesfinanzministerium gegen das Rx-Versandverbot und Die Linke NRW teilt selbstverständlich die Position für ein Rx-Versandverbot.

DAZ.online: …die Rx-Preisbindung?

Die Linke: Das Anbieten von Boni auch auf verschreibungspflichtige Arzneimittel verbessert die Versorgung der Bevölkerung nicht. Ganz im Gegenteil wird hier der Warencharakter von Gesundheit weiter verstärkt - das lehnen wir ab.

Die Linke NRW kann sich Apothekenbusse vorstellen

DAZ.online: …alternative Versorgungskonzepte?

Die Linke: Apothekenautomaten bergen im Grunde genommen die gleiche Problematik wie der Versandhandel in Bezug auf Beratung. Hinzu kommt, dass vor allem ältere Patientinnen und Patienten höchstwahrscheinlich Probleme mit der Bedienung haben würden.

Apothekenbusse sind dem gegenüber das bessere Konzept, da zumindest die Beratung sicher gestellt werden könnte und ein persönlicher Kontakt möglich ist. Dieser persönliche Kontakt ist ein nicht zu unterschätzender Faktor in der Gesundheitsversorgung allgemein und sollte unbedingt gewährleistet sein. Aber auch Apothekenbusse können und sollten nur eine Not- bzw. Zwischenlösung sein.

In aller Regel ist durch Botenservices und Rezeptsammelstellen der umliegenden Apotheken eine Versorgung auch in ländlichen Gebieten möglich - hier wäre die Frage einer angemessenen Vergütung zu klären. Parallel müssen Modelle entwickelt werden, die (Wieder-)Ansiedlung von Arztpraxen und Apotheken im ländlichen Raum zu fördern.

DAZ.online: …die Unterstützung von Landapotheken?

Die Linke: Um den Erhalt der Landapotheken zu sichern und den Bestand wieder zu vergrößern, ist es vor allem notwendig, die Niederlassung von Ärztinnen und Ärzten auf dem Land zu fördern. Des Weiteren müsste darüber nachgedacht werden, ein Vergütungssystem zu entwickeln, dass die besonderen Aufgaben (z.B. Lieferservice und höhere Dichte von Nachtdiensten) der Landapotheken angemessen honoriert.

DAZ.online: …neue und andere Aufgaben und Kompetenzen für Apotheker in der Primärversorgung?

Die Linke: Nein, das ist aus unserer Sicht nicht sinnvoll und auch nicht notwendig. Die Aufgaben der Apotheken sind bereits jetzt ausreichend und vielfältig: zur Arzneimittelversorgung und -beratung kommen ja noch die Arzneimittel-Herstellung und -kontrolle, Beratung in Bezug auf Pflanzen und Giftstoffe, Blutdruckmessung, Impfberatung und einiges mehr.

Anstatt Aufgaben im Gesundheitswesen umzuverteilen, sollte die Kooperation zwischen den zwischen den einzelnen Bereichen - ÄrztInnen, Krankenhäusern, Physiotherapie etc und Apotheken - verstärkt werden und an allen Stellen die Arbeitsbedingungen optimiert werden.

DAZ.online: …die Sicherung der PTA-Schulen in NRW?

Die Linke: Die Linke NRW fordert, allen Menschen eine gute Bildung und Ausbildung zu garantieren - gebührenpflichtige Schulen widersprechen dieser Forderung. Die Linke NRW wird sich also dafür einsetzen, dass PTA-Schulen verpflichtend landesfinanziert werden und alle geeigneten Interessierten unabhängig vom Geldbeutel eine Ausbildung zur Pharmazeutisch Technischen Assistentin machen können.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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3 Kommentare

*hust*

von Rechtschreiber am 15.05.2017 um 9:56 Uhr

Widersprechen.

Bitte.

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AfD

von Benjamin Rohrer am 12.05.2017 um 21:07 Uhr

Liebe Leserinnen und Leser,
Herr Regin liegt richtig: In der Tat haben wir die AfD in dieser Zusammenstellung nicht genannt. Das liegt aber nicht daran, dass wir die AfD nicht angefragt haben. Ganz im Gegenteil, wir haben die AfD kontaktiert, aber nach mehrfacher Nachfrage keine Antwort erhalten. Die Partei hat auf unsere Wahlprüfsteine einfach nicht reagiert.

Viele Grüße
Benjamin Rohrer

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AfD wurde diesmal nicht angefragt?

von Hanns Regin am 12.05.2017 um 20:21 Uhr

Tritt die AfD in NRW nicht an? Wurden die nicht gefragt? Bei den vergangenen Wahlen in MV, Saarland und Schleswig-Holstein hatte ich hier interessante Ideen und Vorschläge der AfD zur künftigen Apothekenpolitik gelesen. Und in NRW?

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