Frank Ulrich Montgomery

Montgomery wettert gegen Einfluss von Konzernen

Freiburg - 23.05.2017, 17:30 Uhr

Zuviel Preiswettbewerb kritisierte Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery auf dem Deutschen Ärztetag in Freiburg. (Foto: dpa)

Zuviel Preiswettbewerb kritisierte Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery auf dem Deutschen Ärztetag in Freiburg. (Foto: dpa)


Gegen die Bürgerversicherung, eine zu starke Betonung der Wirtschaftlichkeit und die „Brüsseler Monsterbürokratie“: Bei der Eröffnung des Deutschen Ärztetages wählte Präsident Frank Ulrich Montgomery deutliche Worte. Mit Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe als einem der „fleißigsten“ Minister verstehe er sich gut, betonte der Ärztepräsident. Gröhe warnte in Freiburg vor einer Missgunstdebatte.

Auf dem am heutigen Dienstag in Freiburg gestarteten 120. Deutschen Ärztetag zeigten Ärztepräsident Frank-Ulrich Montgomery und Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), dass sie auch in der nächsten Legislaturperiode gerne wieder miteinander arbeiten würden. „Er ist einer, der fast geräuschlos agiert“, sagte Montgomery laut Deutscher Presseagentur über Gröhe – und er sei „einer der fleißigsten Minister“ der Koalition. „Wir kommen gut miteinander klar“, betonte der Ärztepräsident und bezeichnete Gröhe als „erfreuliches Gegenmodell zu dem, was wir aus früheren Zeiten kennen“.

In seiner Rede warnte der Minister vor der Einführung einer Bürgerversicherung, ohne diese explizit zu erwähnen. „Auch ein Wahlkampf sollte uns nicht verführen, mit Neid-Parolen über unser Gesundheitswesen herzuziehen“, erklärte der Minister. „Solche unproduktiven Debatten sind völlig unangemessen“, sagte Gröhe – das aktuelle System habe sich seiner Einschätzung nach bewährt.

 „Was wir nicht brauchen, sind ein Komplettumbau unseres Versicherungssystems und völlig verfehlte Debatten über angebliche Gerechtigkeitslücken“, betonte auch Montgomery. Es gebe zwar „Komfortunterschiede“, doch keine Qualitätsunterschiede in der medizinischen Behandlung, die vom Versicherungsstatus abhingen und die Lebensqualität negativ beeinflussten. Der Ärztepräsident kritisierte hingegen das Problem, dass ein Kind, das „in das unterste Perzentil der Gesellschaft hinein geboren wird“, im Vergleich mit einem zur selben Zeit Geborenen aus dem obersten Perzentil eine um zehn Jahre geringere Lebenserwartung habe. „Das ist eine Schande für unseren Sozialstaat“, erklärte Montgomery in seiner Rede.

Wettbewerb „fast ausschließlich auf den Preis“ bezogen

Von der nächsten Bundesregierung forderte Montgomery ein klares Bekenntnis zum Erhalt und zur Stärkung der ärztlichen Freiberuflichkeit. „Die medizinisch-fachliche Weisungsungebundenheit des Arztes und die freie Arztwahl sind Patientenrechte und Ausdruck von Patientenautonomie“, betonte er und wandte sich gegen ungezügelten Wettbewerb. „Was für Betriebswirte effizient ist, muss es für Patienten noch lange nicht sein“, erklärte der Ärztepräsident: Ärzte dürften nicht zu „Erfüllungsgehilfen ökonomischer Optimierungsstrategien“ gemacht werden.

Er kritisierte, dass „allen Gelöbnissen zum Qualitätswettbewerb zum Trotz“ bislang der Wettbewerb „fast ausschließlich auf den Preis“ bezogen sei. „Die Folgen bekommen Patienten und Ärzte hautnah zu spüren“, kritisierte Montgomery – beispielsweise in Kliniken. „Ärzte werden auf Konzernziele verpflichtet“, erklärte er, oder es würden nicht rentable Abteilungen aufgelöst. „Es besteht die Gefahr, dass die medizinische Indikationsstellung aus wirtschaftlichen Gründen ‚optimiert‘ wird“, sagte Montgomery anlässlich der aktuellen Diskussion um Diagnoseoptimierungen für Krankenkassen. „Der Arzt als Co-Unternehmer macht sich unwillkürlich und oftmals unbemerkt Prinzipien zu eigen, die die Unabhängigkeit seiner medizinischen Entscheidung gefährden“, erklärte der Ärztepräsident. „Das schadet Patienten!“

Der Wettbewerb als Prinzip wird seiner Ansicht nach „aller Kritik zum Trotze“ wohl nicht wieder zurückgedrängt werden können. „Aber wir brauchen eine Wettbewerbsordnung im Gesundheitswesen mit einer belastbaren, rechtzeitigen Evaluierung von möglichen Kollateralwirkungen auf die Versicherten und aller an der Versorgung Beteiligten“, betonte Montgomery.

Die Initiative von Bund und Ländern für den „Masterplan Medizinstudium 2020“, der insbesondere den Ärztemangel im ländlichen Raum begegnen soll, begrüßte der Ärztepräsident und plädierte für eine zügige Umsetzung. Doch mit „Absichtserklärungen“ sei es nicht getan – die Finanzierung müsse sichergestellt werden, erklärte Montgomery. So auch beim Investitionsstau in Krankenhäusern, der sich auf 27 bis 30 Milliarden Euro belaufe. „Darunter leiden in den Kliniken gleichermaßen Patienten und Personal“, sagte der Ärztepräsident.

EU-Kommission habe die „Kanonenschüsse von der Themse“ überhört

Deutliche Kritik äußerte Montgomery erneut am Dienstleistungspaket der EU-Kommission, nach dem auch für Ärzte oder Apotheker Änderungen am Berufsrecht zukünftig in Brüssel vorgelegt werden sollen. „Als hätte man die Kanonenschüsse von der Themse nicht gehört, plant die Kommission den Aufbau einer gewaltigen Kontrollbürokratie zur Überprüfung und Genehmigung der Berufszugangsregelungen und der Regeln zur Berufsausübung“, erklärte er. „Was für ein Wahnsinn ist es, diese Behörde, die da entsteht, dieses Bürokratiemonster, mit dem Begriff der Verhältnismäßigkeit zu adeln!“, sagte Montgomery.

Dieses diene ausschließlich dem Merkantilismus eines freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs, erklärte der Ärztepräsident. Außerdem gebe es „überhaupt kein Problem bei den Berufen im Gesundheitswesen“, sagte er. „Mobilität und Fluktuation finden problemlos statt – manchmal ja schon eher zu viel“: Einige EU-Länder hätten durch die neugewonnene Mobilität einen „bedenklich gewordenen Abstrom“ qualifizierter Ärzte zu beklagen. Nicht die „Brüsseler Monsterbürokratie“, sondern „das hochbewährte System der Ärztekammern“ solle den Berufszugang in Deutschland regeln, forderte er.

Wird das BfArM zur „Tötungsmittelausgabestelle“ 

Auf das Sterbehilfe-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom März ging Montgomery in seiner Rede ausführlich ein. Die Richter hatten entschieden, dass das BfArM prüfen muss, ob schwer und unheilbar kranke Patienten aufgrund einer unerträglichen empfundenen Leidenssituation eine Ausnahmeerlaubnis für eine tödliche Dosis Natrium-Pentobarbital erhalten. „Wer aber will diese schwierigen Fragen im BfArM prüfen“, erneuerte Montgomery seine frühere Kritik. „Ein Beamter? Eine Kommission? Der Präsident des BfArM selber?“

Hier sei erkennbar, dass „ärztliche und mitmenschliche Empathie“ abhandenkommen, betonte der Ärztepräsident. „Die Selbsttötung wird zu einem schnöden Verwaltungsakt“, das BfArM zur „Ausgabestelle für Tötungsmittel“. Die Regierung müsse gesetzgeberisch tätig werden, sagte Montgomery an Gröhe gerichtet: Er hoffe, dass der Minister „als oberster Dienstherr des BfArM“ dafür Sorge trage, dass das BfArM nicht einfach zur „Tötungsmittelausgabestelle“ werde.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Montgomery

von Michael Zeimke am 24.05.2017 um 9:57 Uhr

Den sollte die ABDA als Sprecher einstellen.

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