Versandhandel

Politiker fürchten ungebremstes DocMorris-Wachstum

Berlin - 12.06.2017, 16:45 Uhr

Heißer DocMorris-Sommer steht bevor: CDU-Politiker Michael Hennrich befürchtet, dass DocMorris den politischen Stillstand der kommenden Monate nutzen wird, um den Rx-Marktanteil weiter auszubauen. (Foto: Külker)

Heißer DocMorris-Sommer steht bevor: CDU-Politiker Michael Hennrich befürchtet, dass DocMorris den politischen Stillstand der kommenden Monate nutzen wird, um den Rx-Marktanteil weiter auszubauen. (Foto: Külker)


Der Umsatz der niederländischen Versandapotheke DocMorris ist im ersten Quartal 2017 um 17 Prozent geklettert. Die DocMorris-Mutter Zur Rose sieht zudem große Chancen, ihre Tätigkeit im Rx-Marktsegment hierzulande weiter auszubauen. Politiker beunruhigt diese Entwicklung. Der CDU-Arzneimittelexperte Michael Hennrich sagt voraus, dass DocMorris den politischen Stillstand nutzen wird, um Marktanteile weiter auszubauen. Und auch die Grünen sind nicht begeistert.

Die Pressemitteilung der Zur Rose-Gruppe aus der vergangenen Woche hatte sich gewaschen. Schon seit Wochen ist klar, dass Zur Rose an die Börse gehen will, um weitere Expansionen in Europa zu finanzieren. In der vergangenen Woche teilte Zur Rose dann auch etwas detaillierter mit, was sich der Konzern von seinen Geschäftstätigkeiten in Deutschland erhofft. Die Zur-Rose-Gruppe wolle eine aktive Rolle bei der Marktkonsolidierung im Versandhandel einnehmen und habe deshalb die Übernahme eines weiteren Arzneimittel-Versandhändlers initiiert, hieß es. Die breit angelegte Medienkampagne von DocMorris, die nach dem EuGH-Urteil gestartet war, solle fortgesetzt werden.

Zur Rose teilte auch mit, dass sich die Zahl neu gewonnener Kunden, die Rx-Arzneimittel bestellt haben, im ersten Quartal 2017 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verfünffacht habe. Und: Der DocMorris-Umsatz habe sich in den ersten drei Monaten 2017 um 17 Prozent gesteigert. Auf Nachfrage von DAZ.online wollten allerdings weder DocMorris noch Zur Rose bekanntgeben, ob die Niederländer ihre Umsatzsteigerungen „nur“ dem Rx-Geschäft oder auch starken OTC-Zahlen zu verdanken haben.

CDU-Politiker Hennrich: DocMorris wird im Sommer richtig Gas geben

Trotzdem scheint man diese Entwicklung im Bundestag sehr genau zu beobachten. Der in der Unionsfraktion für das Thema Arzneimittel zuständige Berichterstatter Michael Hennrich erklärte gegenüber DAZ.online: „Mit den neusten Plänen der Zur Rose-Gruppe und der deutlichen Umsatzsteigerung von DocMorris bestätigt sich für mich, wovor wir nach dem EuGH-Urteil Angst hatten: Dass die EU-Versandapotheken ihre Marktanteile unkontrolliert zulasten der Apotheken hierzulande ausbauen.“

Der CDU-Politiker erwartet nun einen „heißen“ DocMorris-Sommer, und bezieht sich darauf, dass vor der Sommerpause und auch während und nach der Wahlkampf-Phase rund um die Bundestagswahl keine Gesetzesänderungen mehr zu erwarten sind. „Aus meiner Sicht ist das auch noch nicht das Ende der Entwicklung. DocMorris wird den politischen Stillstand natürlich geschickt nutzen und über die Sommerpause und bis nach den Bundestagswahlen richtig Gas geben und seine Umsätze und Marktanteile weiter steigern.“

Hennrich bleibt trotzdem beim Rx-Versandverbot

Hennrich sieht eine klare Strategie hinter dem Vorgehen von Zur Rose und DocMorris: „Alle Gegner des Versandverbotes haben uns immer gesagt, dass sich der Markt so schnell schon nicht verändern werde. Genau das Gegenteil ist nun aber der Fall. Die Strategie dahinter ist klar: Das Unternehmen wird in den kommenden Monaten so viele Neukunden gewinnen und seine Marktanteile ausbauen, dass es mit dem Rx-Versandverbot in der kommenden Legislaturperiode nicht mehr ganz einfach sein wird. Denn je etablierter der EU-Versandhandel ist, desto größer wird auch der Widerstand in der Bevölkerung gegen ein Versandverbot. Den spüren wir Politiker ja auch jetzt schon.“

Rein theoretisch hätten Hennrich und die CDU zumindest eine Begrenzung der Rx-Boni noch in dieser Legislaturperiode mit der SPD beschließen können. Denn als Kompromissvorschlag hatten einige SPD-Abgeordnete vorgeschlagen, Rx-Boni für alle Marktteilnehmer bei einer Höhe von einem Euro zu begrenzen. Doch dass es nun zu gar keiner Kompromisslösung gekommen ist und die EU-Versender weiterhin in unbegrenzter Höhe Rx-Boni anbieten können, liegt aus Hennrichs Sicht nicht an der Union. Vielmehr bleibt der Arzneimittelexperte bei seiner Forderung nach dem Rx-Versandverbot. Wörtlich sagte Hennrich: „Ich kann jetzt nur hoffen, dass die Gegner des Rx-Versandverbotes die Dynamik dieser Entwicklung verstehen und sich ganz schnell nach Beginn der neuen Legislaturperiode mit uns für ein Verbot einsetzen.“

Grüne: Man hätte Enorm-Boni von EU-Versendern beschränken müssen

Auch in der Opposition betrachtet man die jüngsten Umsatzzahlen von DocMorris und die weiteren Unternehmensziele von Zur Rose mit Sorge. Die Berichterstatterin für das Thema Arzneimittel in der Grünen-Fraktion, Kordula Schulz-Asche, erklärte gegenüber DAZ.online: „Auch wir hätten eine schnelle Lösung bevorzugt – nämlich die Rx-Boni zu begrenzen. Das wäre auch unabhängig von der langfristig nötigen Diskussion um das Apothekenhonorar umsetzbar gewesen. So hätte man wenigstens die Enorm-Boni der niederländischen Versandapotheken verhindert. Nun gibt es aber einige große Versandhändler, die die Situation ausnutzen, dass hierzulande keine Einigung gefunden werden konnte.“ 

Dass aber auch die Deckelung der Rx-Boni nach dem EuGH-Urteil juristisch höchst umstritten gewesen wäre, will die Grünen-Expertin nicht gelten lassen. Aus ihrer Sicht sei eine Verankerung der Regelung im SGB V „rechtlich unproblematisch“ gewesen. Schulz-Asche hat weiterhin auch kein Verständnis dafür, dass die 1-Euro-Boni Apotheker wirtschaftlich gefährden könnten. Sie sagt: „Der Rx-Boni-Deckel wäre ein Schutz für die Apotheker gewesen, wie sich jetzt zeigt.“ Dass es zur jetzigen Situation gekommen ist, liegt aus Sicht der Grünen-Politikerin auch an der ABDA: „Die Apothekerverbände haben sich während der Diskussionen nur auf das Versandverbot eingeschossen und alle Kompromisse abgelehnt.“



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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12 Kommentare

Latenter Bonusärger

von Heiko Barz am 14.06.2017 um 11:53 Uhr

Die ständig anwachsende Diskussion um die indifferente Bonigabe hat doch nur ein Ziel, uns alle in dieses Lotterbett hineinzuzwingen.
Dabei muß doch wieder einmal klargestellt werden, dass auf eine ideelle Beratungsleistung kein Rabatt (1,77€) erhoben werden dürfte. Diese Beratungs-Leistung ist immateriell und es müßten auch langsam mal Gedanken in Richtung Industrie uns Handelskammer gelenkt werden, denn über 80% unserer Arbeitsleistung ist ideell und damit dürften unsere Zwangsabgaben eben nicht mehr nach Umsätzen bewertet werden !!
Wo bleibt denn da die "schulzische" Gerechtigkeit?
Natürlich wieder auf der Strecke!

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Politiker fürchten....?

von Heiko Barz am 13.06.2017 um 11:15 Uhr

Zum grundsätzlichen Nachteil derer, um die es sich eigentlich dreht, der Patienten, wird hier eine parteipolitische Ideologieebene aufgemacht, die von gewinnsüchtigen, ausländischen Kapitalunternehmen gesteuert zu sein scheint.
Alles Geschwätz vieler deutscher Politiker, die sich vor allem thematisch und bar jeder gesundheitspolitischer Erkenntnis zeigen, bezogen auf die immer besonders und europäisch wirkende Chancengleichheit im besagten Raum bei der Belieferung der Arzneimittel, sollten doch die KKassen auf den Plan rufen, denn allein denen stünden die hochgelobten Boni zu.
Dabei wird immer und mit gezieltem Nachdruck vergessen, dass es im gelobten Europa diese oben genannten Wettbewerbsgleichheit einfach nicht gibt.
Wenn es faire Wettbewerbe gäbe, dann müßten den Deutschen Apotheken auch wieder frei Märkte zur Verfügung stehen.
Was hat denn zu diesem desolaten Niedergang der deutschen Apotheke geführt?
Preismoratorien, die industriellen Rabattverträge, Sonderverträge bei Zytos, lächerlich dilettantische Hilfsmittelverträge und viele Schwachheiten mehr sind doch Gradmesser der Apothekenvernichtung.
Kapitalistische Hintergrundideologen der Konzerne haben in langjähriger Basisarbeit dieses grundsätzlich gut funktionierende deutsche Gesundheitswesen mit Nachdruck untergraben und sich einiger auf dieser Ebene desinformierten und leichtgläubigen Politiker zu ihrem Vorteil bedient.
Diese von uns gewählten und mit Eid belegten Entscheidungsträger sind doch nur die "Bauern" auf dem Schachbrett der Kapitalideologen, und werden dann erleben, dass die Verluste bei der nachweisbaren bisherigen Apotheken-Qualität unumkehrbar geworden sind.

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AW: Da trägt aber wieder mal wer verdammt dick auf ...

von Holger am 14.06.2017 um 13:28 Uhr

"Niedergang der deutschen Apotheke" oder gar "Apothekenvernichtung" - machen Sie sich mal die Mühe, die Apothekenzahlen seit 1994 als Grafik darzustellen. Aber bitte mit einer bei "Null" beginnenden Ordinate - wir sind schließlich Naturwissenschaftler und keine Schummler! Sie müssen schon eine verdammt große Auflösung wählen, um da überhaupt eine Schwankung erkennen zu können.

"Die von uns gewählten und mit Eid belegten Entscheidungsträger"? Nun, ich bin kein Staatsrechtler, sondern Apotheker. Aber so viel Demokratieverständnis sollten wir alle haben:
- von uns gewählt sind die Mitglieder des Deutschen Bundestages! Die schwören aber keinen Eid, sondern sind lediglich (Art. ?? GG) ihrem Gewissen unterworfen.
- vereidigt werden Kanzler, Minister und Staatssekretäre. Die sind aber nicht von uns gewählt. Der Kanzler/Die Kanzlerin wird vom Bundestag gewählt, die Minister und Staatssekretäre werden lediglich ernannt.
- Ich erlaube mir noch die Freiheit, auch Mitarbeiter der Ministerien zu den Entscheidungsträgern zu zählen. Die leisten nur dann einen Eid, wenn sie verbeamtet sind. Gewählt werden aber auch die nicht.

Sorry, ich kann Ihren Unmut ja verstehen, aber so unqualifiziert krakeelen bringt uns nicht weiter.

AW: Artikel 38 Grundgesetz

von Holger am 14.06.2017 um 13:30 Uhr

ist es, das hatte ich noch nicht ergänzt, sorry.

Wo ist Herr Lauterbach

von Peter Bauer am 13.06.2017 um 8:31 Uhr

Hat Herr Lauterbach Urlaub?Sonst ist doch der SPD-"Gesundheitsexperte"immer ganz vorne dran,wenn es um "kluge" Kommentare geht

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Sachverstand - wie jetze ?

von Alfons Neumann am 13.06.2017 um 2:38 Uhr

Tja, SPD - ihr habt´s halt per Blockade-Politik generell verbockt.
Tja, Grüne - ihr könnt offenbar allgemein nicht (kopf-)rechnen.
Vielleicht habt ihr auch darum 3-mal verloren ?

Einige Politiker scheinen das Ganze nun wohl doch mal zu hinterfragen ... ob´s gegen die Konzern-Interessen noch möglich ist ?

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Die Grünen wieder...

von Maris am 12.06.2017 um 20:24 Uhr

War es nicht Frau Schulz-Asche, die eine schnelle Lösung gefordert hat und der es dann zu schnell ging? Der eigene Vorschlag kam dann aber erst ein halbes (!) Jahr später, inkl. der langjährigen Forderung der Versandapotheken nach Höchstpreisen und Zwangsrabatten für alle Apotheken, auch jene, die es sich de facto nicht leisten können!
Hätten die Grünen und SPD, die scheinbar neuen Parteien der Konzerne, nicht von Anfang an blockiert, hätte man schon was reißen können... hätte...
Aber nein, man druckst erst ewig rum, um jetzt sind wieder die andern Schuld... unglaublich...!

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AW: Kleine Korrektur !

von gabriela aures am 12.06.2017 um 21:08 Uhr

Von den GrünInnen kam niemals nicht ein eigener Vorschlag !
Nach rumpelstilzchenhaften Forderungen an Minister Gröhe für eine schnelle Lösung (gefälligst!), wurde diese (Beschränkung auf OTC-Versand) rundweg abgelehnt und die GrünInnen haben erstmal sicherheitshalber NIX gemacht, gesagt,getan.
Um dann den (kreuzdämlichen, finanziell ruinösen und juristisch nicht durchsetzbaren) Kompromiss der SPD zur "Boni-Beschränkung" zu bejubeln.
Die haben sich aus reinem Machtkalkül zurückgehalten, andere Gründe zu nennen verbietet sich aus möglichen juristischen Konsequenzen, und sich der SPD als Steigbügelhalter und potentieller Koalitionspartner angedient.

Noch 2 Fragen

von Anita Peter am 12.06.2017 um 18:12 Uhr

Ich habe noch 2 Fragen an Frau Schulz Asche:

1. Da Sie ja DoMo schon öfters eingeladen haben, wissen Sie sicherlich ob sich DoMo an die 1 Euro Begrenzung halten würde. Ich bitte um Feedback, was DoMo hier gesagt hat.

2. Warum sollte sich DoMo wieder an feste Boni halten, wenn der EUGH feste Preise für ausländische Versender aufgehoben hat?

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AW: Noch 2 Fragen

von Marius am 12.06.2017 um 20:26 Uhr

Diese Fragen hab ich so oft gestellt. Antworten darauf und wie sie garantiert, dass sich DocMo an die neuen Gesetze hält, gabs nie!

Rechnen?

von Anita Peter am 12.06.2017 um 17:45 Uhr

"Schulz-Asche hat weiterhin auch kein Verständnis dafür, dass die 1-Euro-Boni Apotheker wirtschaftlich gefährden könnten"

Das liegt dann wohl daran, dass Frau Schulz Asche nicht rechnen kann. Das können sich wohl nur noch Apotheken > 2,5 Mio Umsatz leisten. Wenn ich 1 Euro Bonus pro RX AM geben soll, kann ich dicht machen!

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wenigstens Einer

von Christian Giese am 12.06.2017 um 17:07 Uhr

Wenigstens einer, der mitzudenken bereit ist.
Danke Herr Hennrich!

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