Beratungs-Quickie

Duale Plättchenhemmung nach Stent

München / Stuttgart - 15.06.2017, 10:40 Uhr

Mit oder ohne Beschichtung entscheidet beim Stent über die Dauer der dualen Plättchenhemmung. (Foto: 7activestudio / Fotolia)

Mit oder ohne Beschichtung entscheidet beim Stent über die Dauer der dualen Plättchenhemmung. (Foto: 7activestudio / Fotolia)


Welche Punkte sind bei der Beratung in der Apotheke wichtig? Was für Zusatzinformationen können Sie zu den verordneten Arzneimitteln geben? Im „Beratungs-Quickie“ stellen wir jeden Donnerstag einen neuen Fall vor. Diesmal geht es um eine Verordnung über zwei Thrombozytenaggregationshemmer für einen sehr alten Herren im Rahmen der Nachbehandlung nach einer Stentimplantation.

Verordnet sind 100 Tabletten ASS ratiopharm® 300 mg sowie 28 Filmtabletten Plavix®. Die Verordnung ist vollständig und eindeutig. Der Arzt hat für beide Positionen den Aut-idem-Austausch ausgeschlossen. Rabattverträge sind daher nicht zu beachten.

Bei ASS-Tabletten handelt es sich um ein apothekenpflichtiges Arzneimittel mit bedingter Erstattung. Die Verordnung von Acetylsalicylsäure (bis 300 mg pro Dosiseinheit) zu Lasten der GKV ist möglich als Thrombozytenaggregationshemmer bei koronarer Herzkrankheit (gesichert durch Symptomatik und ergänzende nicht-invasive oder invasive Diagnostik) und in der Nachsorge von Herzinfarkt und Schlaganfall sowie nach arteriellen Eingriffen. Die 100er-Packung des Arzneimittels besitzt keine N-Kennzeichnung, während 50 Stück mit N3 gekennzeichnet sind. Nach Rahmenvertrag § 6 (2) darf bei einer Stückzahlverordnung nicht gestückelt werden, wenn die größte Messzahl überschritten wird. So wie auf dem Rezept verordnet, ist nur die Abgabe einer 50er-Packung möglich. Zu Lasten der GKV könnten nur dann zwei 50er-Packungen abgerechnet werden, wenn die Mehrfachverordnung entsprechend gekennzeichnet ist (wie 2 x 50 !) oder eine reine Normgrößenverordnung vorliegt  (2 x N3).

Für Plavix® 75 mg (N1) ist einem preisgünstigen Import der Vorzug zu geben, da der Kunde die anfallenden Mehrkosten selbst tragen muss. Von der gesetzlichen Zuzahlung ist der Kunde jedoch befreit.

Ab Ausstellungsdatum ist die Verordnung einen Monat gültig.

Beratungs-Basics

Das hohe Alter des Kunden gibt einen Hinweis auf mögliche Hör- und Verständnisprobleme. Dennoch sollte die Beratung nicht über seinen Kopf hinweg mit der Begleitperson erfolgen. Es ist wichtig, deutlich zu sprechen und Blickkontakt zu halten, um Rückmeldung zu erhalten, ob der Kunde alles versteht. Auf Nachfrage bestätigt er, dass er beide Medikamente kenne. Er hatte sie schon in der Reha. Laut seines Arztes solle er Plavix® nur noch kurze Zeit einnehmen.

Der Wirkstoff Acetylsalicylsäure (ASS) wird in einer Dosierung von 50 - 300 mg täglich zur Thrombozytenhemmung als Sekundärprophylaxe nach Herzinfarkt oder Schlaganfall eingesetzt. Die Einnahme einer Tablette täglich erfolgt mit einem Glas Wasser zu oder nach einer Mahlzeit, um Magenreizungen etwas zu minimieren. Das Auftreten von gastrointestinalen Nebenwirkungen und von Blutungskomplikationen steigt dosisabhängig an. Ab einer Dosierung von 150 mg ASS täglich besteht ein erhöhtes Risiko für schwerwiegende und tödliche Blutungen. Leitlinien empfehlen zur langfristigen Behandlung mit ASS zur Sekundärprävention eine Dosierung von (75 -)100 mg ASS täglich.

Das Antithrombotikum Clopidogrel kommt in Kombination mit ASS als sogenannte duale Plättchenhemmung unter anderem nach Stentimplantation in einem Herzkranzgefäß zum Einsatz. Die regelmäßige, tägliche Einnahme beider Medikamente trägt wesentlich zur Reduktion lebensbedrohlicher Stentthrombosen und somit schwerwiegender thrombotischer Ereignisse bei.

Die Dosierung beträgt einmal täglich eine Tablette mit 75 mg Clopidogrel, regelmäßig zur gleichen Tageszeit. Die Einnahme erfolgt unabhängig von den Mahlzeiten. Wenn eine Dosis vergessen wurde, sollte die Einnahme sofort innerhalb von zwölf Stunden nach der regulär geplanten Zeit erfolgen. Die nächste Dosis ist dann wieder zur regulär geplanten Zeit einzunehmen.

Die Kombination der beiden Medikamente erfolgt nur kurzfristig. Bei stabiler KHK ist Clopidogrel nach dem Einsetzen von unbeschichteten Stents (bare metal stents, BMS) in der Regel für vier Wochen und für beschichtete Stents (drug eluting stens, DES) für sechs bis zwölf Monate anzuwenden. Eine Weiterverordnung von Clopidogrel nach einem halben Jahr bei Medikamenten-beschichteten Stents gilt es von der Apotheke beim Arzt zu hinterfragen. Die Einnahme von ASS (in der Regel nur 100 mg und nicht wie hier verordnet 300 mg täglich) erfolgt weiterhin und lebenslang, sofern keine Kontraindikation vorliegt.

Da das verordnete ASS-Präparat nur für die Indikationen leichte bis mäßig starke Schmerzen und Fieber bei Kindern und Jugendlichen zugelassen ist, empfiehlt sich zur Sicherheit eine Rücksprache mit dem Arzt, auch hinsichtlich der Wirkstärke von 300 mg. 

Auch noch wichtig

Bei der Behandlung mit anderen Arzneimitteln in der Selbstmedikation oder nach ärztlicher Verordnung sind mögliche Wechselwirkungen zu beachten. Die gleichzeitige Behandlung mit Antikoagulanzien oder pflanzlichen Zubereitungen aus Ginkgoblättern, Ingwerwurzelstock oder Knoblauchzwiebeln kann es durch additive gerinnungshemmende Effekte zu einer verstärkten Blutungsneigung kommen. Eine Kombination darf nicht ohne ärztliche Rücksprache erfolgen.

Bei Allergikern, zum Beispiel Patienten mit Heuschnupfen, Asthma oder Urtikaria, besteht unter einer Einnahme von ASS die Gefahr der Verstärkung beziehungsweise Auslösung allergischer Reaktionen.

Bei einer gleichzeitigen Behandlung mit dem Schmerzmittel Ibuprofen ist durch sterische Effekte eine Abschwächung oder Blockade der thrombozytenaggregationshemmenden Wirkung von niedrig dosierter Acetylsalicylsäure und somit der Kardioprotektion möglich. Die (kurzfristige!) Einnahme von Ibuprofen sollte deshalb nur einmal täglich und erst zwei Stunden nach der Einnahme von ASS erfolgen. Prinzipiell ist jedoch die Einnahme anderer magenschleimhautreizender Stoffe wie NSAR oder Eisen während der Behandlung möglichst zu vermeiden und Paracetamol als Analgetikum vorzuziehen.

Während der gesamten (!) Behandlung mit Clopidrogel soll auf Grapefruits und Grapefruit-Zubereitungen verzichtet werden. Es genügt nicht nur die gleichzeitige Einahme zu vermeiden, denn die irreversible Hemmung von CYP3A4 kann mehrere Tage anhalten und eine verstärkte Wirkung von Clopidogrel hervorrufen. Der Kunde muss bei Auftreten von abdominalen Schmerzen, schwarzem Stuhl oder blutigem Erbrechen sofort seinen Arzt benachrichtigen. Eine immer wieder diskutierte Wechselwirkung – mit durchaus klinischer Relevanz betrachtet man die Anzahl verordneter Packungen – ist die zwischen Clopidogrel und Protonenpumpemhemmern. Das Prodrug Clopidogrel muss über CYP2C19 aktiviert werden – eine Hemmung dieses Systems durch Omeprazol kann zu verminderten Wirkspiegeln an effektivem Clopidogrel führen, was in einer verminderten Plättchenhemmung resultieren kann. Belastbare Daten hierzu fehlen allerdings bislang. Ist ein Magenschutz erforderlich, kann erwogen werden, Pantoprazol oder eventuell Famotidin, als Vertreter der H2-Antagonisten, der Vorzug zu geben, lautet die Empfehlung der aktuellen Leitlinie zur Koronaren Herzkrankheit.

Darf´s ein bisschen mehr sein?

  • Alkohol verstärkt das Risiko für gastrointestinale Ulzera und Blutungen während einer ASS-Therapie.
  • Vor Operationen, auch vor zahnärztlichen Eingriffen wie Zahnextraktionen, ist der Arzt zu informieren. Die duale Plättchenhemmung ist hier hinsichtlich des Blutungsrisikos in jedem Fall kritischer zu bewerten als eine Monotherapie. Allerdings darf die Plättchenhemmung nicht eigenmächtig vom Patienten abgesetzt werden. In der Regel pausiert der Arzt Clopidogrel und führt eine Monotherapie mit ASS für fünf bis sieben Tage fort. Nach dieser Zeit sollte der chirurgische Eingriff erfolgen. Postoperativ sollte die duale Plättchenhemmung so rasch wie möglich wieder aufgenommen werden, was bei kleineren bis mittleren Eingriffen durchaus am Folgetag sein kann.


Manuela Kühn, Apothekerin
redaktion@daz.online


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