Eppendorfer Dialog

Glaeske fordert Evaluation von Rabattverträgen

Hamburg - 15.06.2017, 14:50 Uhr

von
links: Prof. Dr. Stephan Schmitz, Dr. Christopher Hermann, Prof. Dr. Achim
Jockwig, Dr. Martin Zentgraf, Prof. Dr. Gerd Glaeske, Thomas Stritzl. (Foto: tmb)

von links: Prof. Dr. Stephan Schmitz, Dr. Christopher Hermann, Prof. Dr. Achim Jockwig, Dr. Martin Zentgraf, Prof. Dr. Gerd Glaeske, Thomas Stritzl. (Foto: tmb)


CDU-Politiker hinterfragt Rabattverträge

Stephan Schmitz, Vorstandsvorsitzender des Berufsverbandes der niedergelassenen Hämatologen und Onkologen, begrüßte, dass Ausschreibungen für Zytostatika-Zubereitungen mit dem Arzneimittelversorgungs-Stärkungsgesetz (AMVSG) nun abgeschafft wurden. Diese Ausschreibungen hätten in die Praxisorganisation und in die Arzt-Patienten-Beziehung eingegriffen.

Wie geht es weiter?

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Stritzl lobte die mit Rabattverträgen erzielten Einsparungen, fragte aber: „Geht das so weiter?“ Es sei nach den Folgen für die Unternehmenserträge, für Innovationen und für den Erhalt der Unternehmen zu fragen. Irgendwann führe die Konzentration zu wenigen großen Anbietern. Außerdem deutete Stritzl mögliche Probleme bei der Austauschbarkeit der Arzneimittel an und hinterfragte die Einhaltung von Umwelt- und Arbeitsschutzvorschriften bei der Produktion im Ausland. Die Frage sei: „Bekommen die Hersteller die Zuschläge, die das nicht erfüllen?“

Vielschichtige Diskussion

Ein wesentliches Thema der Diskussion war die Therapiefreiheit der Ärzte. Schmitz kritisierte, dass die Regeln zum Substitionsausschluss faktisch zu einer Beweislastumkehr bei Regressverfahren führen würden. Das schaffe eine „Schere im Kopf“. Außerdem beklagten Vertreter von Herstellern die steigende Wirkung immer wieder neuer Rabattverträge. Irgendwann lägen die Preise bei den Produktionskosten und Hersteller stünden vor der Frage, ins Ausland abzuwandern. Das führe langsam zur Oligopolisierung. Hermann argumentierte dagegen, seine Krankenkasse schreibe Arzneimittel nur aus, wenn der Wettbewerb funktioniere. Dies sei gerade im Interesse der Krankenkassen. Glaeske erklärte, der Gesetzgeber sei frei, zusätzliche Aspekte der Versorgungssicherheit vorzuschreiben. Doch Stritzl entgegnete, Vorschriften seien stets das letzte Mittel. Allerdings strebe er steuerrechtliche Anreize für die Forschung an. Mit Blick auf die langfristigen Folgen der Preisregulierung für Arzneimittel deutete Stritzl an, irgendwann könne eine Indexierung der Preise angebracht sein.

Hier finden Sie das gesamte Dossier von DAZ.online mit Zahlen, Daten, Fakten und Interviews zum zehnjährigen Jubiläum der Rabattverträge.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


2 Kommentare

Überfällige Anerkennung

von Reinhard Rodiger am 16.06.2017 um 10:12 Uhr

Wenn selbst ein ausgewiesener Krankenkassenfreund wie Prof.Glaeske Kritik an den Politikergebnissen der Krankenkassen äussert, ist das sowohl Alarm als auch Skandal.
Alarm, weil die Qualitäts und Lieferprobleme nicht länger zu ignorieren sind und Skandal, weil dies erst so spät erfolgt.

Wenn ein unter steten Qualitätsproblemen leidendes Land zum Hauptlieferanten unserer Arzneimittel wo Studienmanipulation zum Alltag gehört, so haben wir das den Krankenkassen zu verdanken.Das hat endlich Prof Glaeske auch erkannt.Ein bisschen spät.
Denn die Nebenwirkungen der Rabattverträge wie Complianceminderung ,Glaubwürdigkeitsverlust der Leistungserbringer Monopolisierung der Herstellung , Marginalisierung der Arzneiproduktion sind lange virulent, aber eben verniedlicht und verdrängt.

Noch später wird er und damit vielleicht auch die Politik vielleicht erkennen, dass die Ersparnisse durch KK-Politik nur durch Apotheken ermöglicht wurden, deren Selbstkosten in ähnlicher Grössenordnung liegen.Das gilt besonders,weil viele KK-induzierte Schadenoptionen still beseitigt wurden und werden. Nach der wirklichen Leistung dabei hat niemand gefragt. Sie wurde ja erbracht.Nur der Lohn wurde und wird verweigert.Die Anerkennung fehlt.

Wo sind eigentlich erkennbare Vertragsstrafen für fehlende Lieferfähigkeit? Ich höre nur von Retaxierungen.



» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Wo bleibt der Apotheker?

von Heiko Barz am 15.06.2017 um 16:49 Uhr

Schön ist es immer wieder solche Berichte und die dazugehörenden Protagonisten zu erleben.
Und wie es auch immer mediale Übung ist, werden diejenigen, die diese 3,9Milliarden € tatsächlich erarbeiten, mit keiner Silbe benannt.
Wer muß denn entsprechend der neuen "Verträge" sein Warenlager wieder und wieder umformen?
Wer freut sich heute schon auf die entsprechenden Regresse?
Wie wäre es denn, wenn wir alle so arbeiten würden, wie Apopiraten aus Holland?
Wir sollten alle Arzneimittel bar bezahlt bekommen, und die KKassen müßten sich mit ihren Versicherten dann selbst auseinandersetzen, damit die Leute endlich mal erfahren, welche Arbeit wir seit dem "Point of no Return" 2004 so tagtäglich leisten ( gezwungenermaßen müssen !).
Uns jedenfalls nimmt auf der Entscheiderebene überhaupt niemand mehr wahr und vor allem nicht mehr ernst.
Wo bleiben unsere für diese Zwecke gewählten Vertreter, diese für uns wichtigen Fragen zu fokussieren??

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.