- DAZ.online
- News
- Apotheke
- Apotheker gehen vom ...
Ketten-Aussicht und keine Lust auf die Offizin
Apotheker gehen vom Untergang des eigenen Systems aus
Apotheke 2030: Wie sehen Nachwuchs-Apotheker ihre eigene Zukunft? Als der persönlich beratende Apotheker in der Einzelapotheke – oder doch eher im virtuellen Chat-Dialog mit den Patienten? „Die inhabergeführte Apotheke wird ein Auslaufmodell“, sagt immerhin mehr als die Hälfte der befragten Apotheker in einer Umfrage der Apobank. Alarmierende Apotheken-Apokalypse?
„Zukunftsbild Heilberufler 2030 – Entwicklung der Versorgungsstruktur aus Sicht junger Professionals“: Insgesamt 403 Apotheker, Ärzte und Zahnärzte befragte die forsa im Auftrag der apoBank zu diesem Thema, wobei 100 der Befragten Apotheker waren. Online abstimmen durften Heilberufler, die bereits zwischen drei und neun Jahren praktische Berufserfahrung nach Abschluss ihres Studiums gesammelt hatten. Die Befragten waren zwischen 25 und 40 Jahren alt. Zwar ist die Umfrage nicht repräsentativ, allerdings alarmierend sind die Ergebnisse allemal. Warum?
Thesen zur Kapitalisierung des Marktes 2030 | |
---|---|
Die jeweilige These halten Apotheker für sehr/eher wahrscheinlich: | |
… private Investoren [werden] zunehmend Praxen/Apotheken aufkaufen und bundesweite „Kettenkonzepte“ anbieten. | 71 % |
Die inhabergeführte Praxis/Apotheke wird ein Auslaufmodell sein. | 53 % |
Quelle: apoBank/forsa (2017) |
Apothekenketten lösen inhabergeführte Apotheke ab
„Die inhabergeführte Apotheke wird ein Auslaufmodell“ – so sieht mehr als die Hälfte (53 Prozent) der befragten Apotheker die Zukunft der derzeit noch etablierten Arzneimittelversorgung. Was an deren Stelle tritt? „Private Investoren“ mit „Kettenkonzepten“ – dieser Aussage konnten zumindest 71 Prozent der Jung-Apotheker zustimmen; fast gleich auf (61 Prozent) die Video- und Chatapotheke. (s. Grafik unten) Zu einer verbesserten „Qualität der Versorgungsleistung“ führt diese Entwicklung im Apothekenmarkt nach Einschätzung des pharmazeutischen Nachwuchses offenbar nicht. Eher das Gegenteil ist der Fall: Nur 37 Prozent erwarten bis 2030 eine bessere Versorgung der Patienten.
Digitaler Standard im Jahr 2030 | |
---|---|
Die jeweilige digitale Anwendung wird sehr/eher wahrscheinlich im Jahr 2030 zum Standard gehören: | |
digitale Abrechnung zwischen Apotheken und Krankenkassen | 98 % |
elektronisches Rezept | 93 % |
digitales Management der Medikamenteneinnahme | 92 % |
Online-Videosprechstunde/digitale Visite | 66 % |
Video-/Chatapotheke | 61 % |
Quelle: apoBank/forsa (2017) |
Dass die Digitalisierung des Gesundheitswesens auch nicht vor dem Apothekensektor Halt macht, glauben ebenfalls die meisten Befragten. Neun von zehn Apothekern gehen davon aus, dass es in 13 Jahren flächendeckend das E-Rezept gibt. Fast genauso viele Apotheker gehen übrigens davon aus, dass sie im Jahr 2030 die Medikamenteneinnahme ihrer Patienten digital managen können.
Selbstständigkeit für junge Apotheker unattraktiv
Erschreckend ist wohl auch, dass die jungen Apotheker die Tätigkeit in einer öffentlichen Apotheke für ihre Zukunft nicht attraktiv finden. (s. Grafik unten) Die Zahlen hierzu: Nur 3 Prozent der männlichen Apotheker findet eine selbstständige Tätigkeit als Apotheker in einer Einzelapotheke erstrebenswert. Für Frauen scheint dies in geringem Maß noch verlockender: Hier sehen sich immerhin 9 Prozent der Apothekerinnen. Wie sieht es mit Filialen aus? Stehen hinter der Hauptapotheke noch weitere Apotheken steigt offenbar für die männlichen Apotheker die Attraktivität der Selbstständigkeit (20 Prozent), wohingegen Apothekerinnen dies wenig beeindruckt (11 Prozent). Gewinner bei den Tätigkeitsbereichen der Apotheker-Zukunft sind unangefochten Industrie und Forschung. Knapp 50 Prozent der Apotheker sehen hier künftig das größte berufliche Potenzial.
Präferierte Berufsausübungsmodelle 2030 | Männer (30)* | Frauen (70)* |
---|---|---|
nicht kurative Tätigkeit (z. B. Industrie, Forschung) | 43 % | 49 % |
selbstständige Tätigkeit als Apotheker mit mehr als einer Apotheke | 20 % | 11 % |
Anstellung in Apotheke | 17 % | 23 % |
selbstständige Tätigkeit als Apotheker in Einzelapotheke | 3 % | 9 % |
Anstellung in Krankenhaus | 17 % | 9 % |
*geringe Basis Befragter Quelle: apoBank/forsa (2017) |
Gefahr der Versorgungslücken
Ein Weniger an kurativer Tätigkeit – kann sich das die Bundesrepublik angesichts der demografischen Entwicklung leisten? Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der apoBank, Ulrich Sommer, sagt nein. Man könne zwar davon ausgehen, dass heilberufliche Leistungen auch auf andere Bereiche im medizinischen Umfeld delegiert werden könnten, „dies allein wird jedoch unseren steigenden Bedarf an Gesundheitsleistungen nicht decken – zu sehr treiben die Demografie, die steigende Multimorbidität und die Ansprüche der „Gesundheitskunden“ die Nachfrage“, bezieht Sommer klar Stellung. Mehr noch, Sommer fürchtet eine Versorgungslücke für Patienten und sieht hier die Politik in der Pflicht:
„Speziell für die Apothekerschaft gilt es hier angesichts der Studienergebnisse rasch gegenzusteuern, wenn sich diese Versorgungslücke morgen nicht auftun soll. Wir brauchen also mehr Köpfe in den Heilberufen. Wenn wir die gewinnen möchten, müssen Politik und Standesorganisationen schon heute an anderen Rahmenbedingungen und Versorgungsstrukturen arbeiten“.
Sinkt das Patientenvertrauen in die Apotheker bis 2030?
Spannend ist nicht lediglich die Frage des Selbstverständnisses der Apotheker, sondern auch: Wie wird sich das Verhältnis des Patienten zum Apotheker verändern? Und wie wird der Patient den Apotheker künftig wahrnehmen? Über 80 Prozent der befragten Apotheker gehen hier davon aus, dass zwar die Erwartungen des Patienten an den Apotheker steigen, allerdings der Patient sich auf die Experteneinschätzung des Apothekers nicht mehr allein verlassen wird und sich über zusätzliche Quellen informiert.
Entwicklung Heilberufler-Patienten-Verhältnis | |
---|---|
Der jeweiligen Aussage stimmen Apotheker voll und ganz/eher zu: | |
Der Patient/Kunde wird … informierter sein als heute. | 86 % |
… höhere Erwartungen an die Leistungen der Heilberufler haben als heute. | 84 % |
…die Rolle des Heilberuflers als Experte zunehmend in Frage stellen und vermehrt Zweitmeinungen einholen als heute. | 80 % |
Quelle: apoBank/forsa (2017) |
Das ist wohl keine reine Fiktion für 2030: Eine jüngst von Stiftung Warentest initiierte Online-Patientenbefragung bestätigt diesen Trend bereits heute: Patienten verlassen sich nicht auf die Beratung aus der Apotheke, sondern recherchieren eigeninitiativ im Internet zu ihren Arzneimitteln. Dennoch sehen die Jung-Apotheker das Vertrauen in ihren Berufsstand nicht gefährdet oder geschmälert: drei Viertel schätzen, dass auch 2030 „die Heilberufe noch immer hohes Vertrauen in der Bevölkerung genießen“ werden. Was dann allerdings nicht ganz stimmig mit der obigen Aussage ist, dass Patienten „vermehrt Zweitmeinungen einholen“. Vielleicht frei nach der Redewendung, die Lenin zugeschrieben wird: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“.
Rollenverständnis im Jahr 2030 | |
---|---|
Der jeweiligen Aussage stimmen Apotheker voll und ganz/eher zu: | |
Der Heilberufler wird ... vor allem als Dienstleister wahrgenommen. | 80 % |
… die Heilberufe [werden] noch immer hohes Vertrauen in der Bevölkerung genießen. | 76 % |
… immer mehr heilberufliche Leistungen durch nicht ärztliches/nicht pharmazeutisches Personal übernommen. | 60 % |
Quelle: apoBank/forsa (2017) |
Apotheker: Heilberufler oder Unternehmer?
Ist ein Apotheker Heilberufler oder Unternehmer? Eine klare Trennung ist hier nicht möglich – agiert man mit einer Apotheke am Markt, muss sich auch der Heilberufler Apotheker zwangsläufig als Unternehmer verstehen und betriebswirtschaftlich denken. Interessant ist hier die Entwicklung der Gewichtung. Tendenziell erwarten 70 Prozent der abstimmenden Apotheker, dass sich das zugunsten des Unternehmertums verschiebt und „der Heilberufler vorrangig als Unternehmer tätig sein“ wird und auch eher als Dienstleister verstanden wird, denn als beratender Arzneimittelexperte.
Digitalisierung im Gesundheitsmarkt 2030 | |
---|---|
Der jeweiligen Aussage stimmen Apotheker voll und ganz/eher zu: | |
Die Digitalisierung wird im Jahr 2030 den Heilberufler sinnvoll unterstützen. | 92 % |
In Zukunft werden Technologiekonzerne wie Apple, Google oder Microsoft sowie Startups als wesentliche Player im Gesundheitsmarkt auftreten. | 67 % |
Quelle: apoBank/forsa (2017) |
Apotheker vergleichsweise bescheiden beim Gehalt
Bei den Gehaltsvorstellungen geben sich Apotheker verglichen mit den beiden anderen Berufsgruppen der Heilberufler Ärzte und Zahnärzte eher bescheiden. Finden lediglich 4 Prozent der Ärzte und 6 Prozent der Zahnärzte ein Jahresgehalt bis 60.000 Euro in Ordnung, geben sich 17 Prozent der Apothekerschaft damit zufrieden. Angemessen hält bis 2030 das Grand der Apotheker (49 Prozent) ein Gehalt von 61.000 bis 80.000 Euro. Bei Zahnärzten liegt dieser Anteil bei nur 18 Prozent. 20 Prozent der Ärzte sehen erst mit 81.000 bis 100.000 Euro ihre Leistungen angemessen vergütet,
Idealer Brutto-Jahreslohn im Jahr 2030 | |
---|---|
Frage: „Welchen Brutto-Jahreslohn fänden Sie im Jahr 2030 für Ihre derzeitige Arbeit angemessen?“ | |
bis 60.000 € | 17 % |
61.000 € bis 80.000 € | 49 % |
81.000 € bis 100.000 € | 14 % |
101.000 € bis 120.000 € | 8 % |
121.000 € bis 140.000 € | 1 % |
141.000 € bis 160.000 € | 3 % |
161.000 € bis 180.000 € | 1 % |
181.000 € bis 200.000 € | 0 % |
über 200.000 € | 3 % |
weiß nicht/k.A. | 4 % |
Quelle: apoBank/forsa (2017) |
9 Kommentare
Apotheke 2030 ohne Sonnenbrille ...
von Christian Timme am 22.06.2017 um 11:06 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Einkommen ist drastisch gesunken
von Peter Bauer am 22.06.2017 um 9:39 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Stimmen?
von Holger am 03.07.2017 um 14:25 Uhr
Wir brauchen Planungssicherheit
von Hummelmann am 21.06.2017 um 22:20 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Beredtes Schweigen
von Ulrich Ströh am 21.06.2017 um 21:53 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Umbau des Studiums
von Christian Klein am 21.06.2017 um 21:34 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Approbationsordnung
von Holger am 03.07.2017 um 14:20 Uhr
Kampfgeist?
von Dosquet Dieter am 21.06.2017 um 20:05 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
leider wahr - was ist zu tun ....?
von Martin DIdunyk am 21.06.2017 um 19:35 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.