Hauptstadtkongress

Häme und Spott für den Medikationsplan

Berlin - 22.06.2017, 12:05 Uhr

Stefan Fink, Vorsitzender des Thüringer Apothekerverbandes, betonte die Bedeutung der Apotheker für den Medikationsplan. (Foto: ck / DAZ)

Stefan Fink, Vorsitzender des Thüringer Apothekerverbandes, betonte die Bedeutung der Apotheker für den Medikationsplan. (Foto: ck / DAZ)


Als der Bundestag Ende 2015 das E-Health-Gesetz verabschiedete, feierten sich die Politiker insbesondere für die Einführung des Medikationsplanes. Anderthalb Jahre später ziehen alle beteiligten Akteure im Gesundheitswesen ein vernichtendes Urteil: Ärzte, Apotheker und Kliniken sehen keinen Nutzwert in dem Papier-Plan und fordern eine möglichst schnelle Digitalisierung der gesamten Kommunikation.

Laut E-Health-Gesetz haben GKV-versicherte Patienten seit dem 1. Oktober 2016 das Recht auf die Erstellung eines papiernen Medikationsplanes durch ihren Arzt, wenn sie drei oder mehr Arzneimittel gleichzeitig über einen längeren Zeitraum einnehmen. Der Apotheker darf nur auf Wunsch des Patienten OTC-Präparate ergänzen und den Plan aktualisieren. Ausstellen dürfen die Pharmazeuten den Plan überhaupt nicht. Entworfen wurde das Muster des Bundeseinheitlichen Medikationsplanes von Vertretern der Ärzte, Apotheker und Kliniken. Ab dem 1. Oktober 2017 sind auch Kliniken dazu verpflichtet, ihren Patienten im Rahmen des Entlassmanagements einen Medikationsplan auszustellen. Für die Jahre 2018 und 2019 ist laut Gesetz die Digitalisierung des Planes vorgesehen – dann soll der Medikationsplan auf der elektronischen Gesundheitskarte abgespeichert und abgerufen werden können.

Weigeldt: Medikationsplan ist „Phantom der Oper“

Bei einer Veranstaltung auf dem Hauptstadtkongress in Berlin am heutigen Donnerstag ließen Vertreter der Ärzte, Apotheker und Kliniken kein gutes Haar an der derzeitigen Version des Medikationsplanes. Ulrich Weigeldt, Chef des Deutschen Hausärzteverbandes, ging besonders hart ins Gericht mit dem im E-Health-Gesetz vorgesehenen Vorgehen. Er bezeichnete den Plan als „Phantom der Oper“, weil es ihn schlichtweg kaum gebe. Vielmehr kommunizierten die meisten Ärzte und Apotheker weiterhin per Fax. Weigeldts Kommentar: „Diese Fax-Kommunikation interessiert keinen Datenschützer. Aber wenn wir nur ein digitalisiertes Projekt planen, scheitert das sofort an denen.“

Weil der Medikationsplan nur auf Papier ausgestellt werden könne, nannte der das E-Health-Gesetz „P-Health-Gesetz“. Weigeldt weiter: „Wir können doch solch ein großes Strukturdefizit nicht über ein Stück Papier lösen.“ Das Ziel müsse es laut Weigeldt sein, eine zentrale, bundesweite, elektronische Patientenakte zu schaffen, wie sie in vielen anderen europäischen Ländern bereits existiert. Auch gegen die Speicherung des Medikationsplanes auf der eGK sprach sich der Hausärzte-Chef aus: „Das ist Old-School. Was ist denn, wenn der Patient im Notfall seine Karte nicht dabei hat? Und hat der versorgende Arzt im Notfall immer ein Lesegerät dabei?“, fragte der Allgemeinmediziner kritisch. Ein wenig überraschend war, dass Weigeldt nicht die Funktion der Apotheker hinterfragte. Der Hausarzt hatte sich zuvor mehrfach dagegen ausgesprochen, dass die Pharmazeuten neue Kompetenzen bekommen, was die Arbeit am Medikationsplan und die Medikationsberatung des Patienten betrifft.

Die Ärzte fühlen sich zudem grundsätzlich unterbezahlt für ihre Arbeit mit dem Medikationsplan. Obwohl sie die einzige Leistungserbringer-Gruppe sind, die überhaupt für die Arzneimittelberatung via Plan bezahlt werden, beschwerte sich jüngst der Deutsche Ärztetag in einem Beschluss über die Vergütung, die die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der GKV-Spitzenverband ausgehandelt hatten.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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