Resistenzproblem nimmt zu

Was hilft noch gegen „Tripper“?

Remagen - 10.07.2017, 09:20 Uhr

Der Erreger der Gonorrhö (Neisseria gonorrhoeae) wird immer schwerer zu bekämpfen. (Foto: Kateryna_Kon / fotolia)

Der Erreger der Gonorrhö (Neisseria gonorrhoeae) wird immer schwerer zu bekämpfen. (Foto: Kateryna_Kon / fotolia)


Die Gonorrhö, im Volksmund allgemein als „Tripper“ bezeichnet, ist heute nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation die dritthäufigste sexuell übertragbare Infektion. Mit neuen Zahlen macht die WHO darauf aufmerksam, dass der „Tripper“ immer schlechter behandelbar ist.

Als sexuelle übertragbare Infektion ist die Gonorrhö für die Betroffenen verständlicherweise ein Tabuthema. Manche merken nicht einmal, dass sie infiziert sind, weil die typischen Symptome fehlen. Dies begünstigt wiederum die Ausbreitung. Der Erreger der Gonorrhö (Neisseria gonorrhoeae) wird ausschließlich durch direkten Schleimhautkontakt, z.B. beim Geschlechtsverkehr (genital, oral) oder beim Geburtsvorgang übertragen. Die Infektion kann demzufolge die Genitalien, das Rektum und den Rachen befallen. Komplikationen betreffen unverhältnismäßig viele Frauen, zum Beispiel in Form von Entzündungen im Beckenraum, Eileiterschwangerschaften sowie Unfruchtbarkeit und ein erhöhtes Risiko von HIV. Die Inkubationszeit beträgt 1 bis 14 Tage. Die Gonorrhö hinterlässt keine Immunität. Zur Verhütung urethraler, zervikaler und rektaler Infektionen wird die Benutzung eines Kondoms empfohlen. Einen vollständigen Schutz vor einer Ansteckung gibt es nicht. Diese beunruhigende Situation wird durch die zunehmende therapeutische Notlage noch weiter verschärft. 

Bakterien sind besonders schlau

Nun schlägt die Weltgesundheitsorganisation Alarm. Sie verweist hierzu auf Daten aus 77 Ländern, nach denen der Gonorrhö-Erreger gegen ältere und billigere Antibiotika bereits in weiten Teilen resistent sein soll. In einigen, vor allem einkommensstarken Ländern, in denen die Überwachung am besten ist, gebe es überdies immer mehr Fälle von Infektionen, die mit keinem bekannten Antibiotikum mehr behandelbar sind. „Die Bakterien, die Gonorrhö verursachen, sind besonders schlau“, sagt Teodora Wi von der Abteilung „Human Reproduction“ der WHO. „Jedes Mal, wenn wir eine neue Klasse von Antibiotika verwenden, um die Infektion zu behandeln, entwickeln sie sich weiter und trotzen dieser Therapie.“

Einen näheren Einblick in die Resistenzsituation bietet das Global Gonococcal Antimicrobial Surveillance Programme der WHO (WHO GASP). 

Was hilft überhaupt noch?

GASP-Daten von 2009 bis 2014 offenbaren eine weit verbreitete Resistenz gegen Ciprofloxacin. 97 Prozent der Berichts-Länder fanden in diesem Zeitraum resistente Stämme. 81 Prozent der Länder beobachten eine zunehmende Resistenz gegen Azithromycin. Derzeit seien Cephalosporine der 3. Generation (extended spectrum cephalosporins, ESC) in den meisten Ländern die einzigen Antibiotika, die überhaupt noch gegen Gonorrhö wirken, teilt die WHO weiter mit. Aber auch gegen Cefixim, seltener gegen Ceftriaxon sollen schon aus mehr als fünfzig Ländern Resistenzfälle berichtet worden sein. Infolgedessen hat die WHO ihre globalen Behandlungsempfehlungen im Jahr 2016 aktualisiert und empfiehlt den Ärzten, zwei Antibiotika zu verordnen: Ceftriaxon und Azithromycin.

Pipeline relativ leer

Die Forschungs- und Entwicklungs-Pipeline für neue Wirkstoffe gegen Gonorrhö ist nach den Erkenntnissen der Weltgesundheitsorganisation relativ schwach bestückt. Lediglich drei Kandidaten sollen sich in verschiedenen Stadien der klinischen Entwicklung befinden: Solithromycin, für das vor Kurzem eine Phase-III-Studie abgeschlossen worden sei, sowie Zoliflodacin und Gepotidacin mit jeweils einer abgeschlossenen Phase-II-Studie. Die Entwicklung neuer Antibiotika sei für kommerzielle pharmazeutische Unternehmen nicht sehr attraktiv, bedauert die WHO. Im Gegensatz zu Medikamenten gegen chronische Krankheiten seien die Behandlungszeiten kurz, und durch die Resistenzentwicklung könnten sie rasch unwirksam werden. So müsse immer wieder für Nachschub an neuen Substanzen gesorgt werden. 

Für Deutschland kaum Daten

Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) stehen für Deutschland kaum epidemiologische Daten über die Verbreitung der Gonorrhö zur Verfügung, da keine Meldepflicht besteht. Auch die Resistenzentwicklung ist undurchsichtig. Mit dem GORENET (Gonokokken-Resistenz-Netzwerk) soll versucht werden, hier Abhilfe zu schaffen.In der ersten Projektphase wurde zwischen Juni und August 2013 eine Basisdatenerhebung in Form eines Online-Fragebogens durchgeführt, um Labore zu identifizieren, die in Deutschland Gonokokken-Diagnostik anbieten.

In der zweiten Phase soll ein Resistenz-Surveillance-Netzwerk aufgebaut werden. Seit 2014 sammelt eine Auswahl an Laboren sowohl Daten als auch Isolate von positiv getesteten Gonorrhö-Proben und leitet diese anonymisiert an das RKI bzw. das Konsiliarlabor für Gonokokken weiter. Die Ergebnisse sollen dazu beitragen, aktuelle Antibiotika­resistenz­entwicklungen bei Gonorrhö-Infektionen in Deutschland besser als bisher zu erfassen. 



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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